US-Präsidentenrede zur Lage der Nation: Biden nimmt Trump ins Visier
Der 81-jährige US-Präsident nannte Trump bei seiner Rede vor beiden Parlamentskammern am Donnerstagabend (Ortszeit) allerdings keinmal namentlich, sondern bezeichnete ihn lediglich als seinen „Vorgänger“. Dieser stehe für Wut, Rache und die Vergangenheit, er selbst für Anstand, Würde und Zukunftsideen, erklärte Biden.
Biden will bei der Präsidentenwahl Anfang November für eine zweite Amtszeit antreten, hat aber mit schweren Imageproblemen zu kämpfen. Seine Beliebtheitswerte sind im Keller – diese stehen unter den Werten Trumps zur gleichen Zeit in dessen Präsidentschaft.
Viele Wähler sehen die Wirtschaft in schlechtem Zustand. Zuletzt hat auch die Nahost-Politik der US-Regierung viele arabischstämmige und jüngere Wähler verprellt. Und viele im Land sehen Bidens weit fortgeschrittenes Alter als großes Problem. Er versuchte, mit seinem Auftritt bei all diesen Themen zu punkten.
Die Sache mit dem Alter
Mehrfach thematisierte Biden offensiv sein Alter. „Ich weiß, es sieht vielleicht nicht so aus, aber ich bin schon eine Weile dabei“, scherzte er. „In meiner Laufbahn hat man mir immer wieder gesagt, ich sei zu jung und zu alt. Ob jung oder alt, ich habe immer gewusst, was Bestand hat.“
Er betonte, das Problem, vor dem die Nation stehe, sei nicht, „wie alt wir sind“. Es gehe darum, wie alt unsere Ideen seien. „Hass, Wut, Rache, Vergeltung sind die ältesten aller Ideen. Aber man kann Amerika nicht mit uralten Ideen führen; das wird uns nur zurückwerfen.“ Er wolle stattdessen das Land mit seiner „Vision für die Zukunft“ führen, die er in seiner Rede erläuterte.
Bidens Alter ist seine größte Bürde im Wahlkampf. Er war 2021 als ältester Präsident aller Zeiten ins Weiße Haus eingezogen und wäre am Ende einer zweiten Amtszeit 86. Biden macht regelmäßig Schlagzeilen mit peinlichen Patzern und Versprechern, was Republikaner regelmäßig ausschlachten.
Vor allem in letzter Zeit häuften sich die Negativschlagzeilen über Bidens geistigen Zustand. Die viel beachtete Rede im Kongress mitten im Wahlkampf war daher auch eine Art Bewährungsprobe für Biden, um aus dem Stimmungstief zu kommen.
Neben der Energie, die Biden während eines Großteils seiner Rede an den Tag legte, versprach er sich auch einige Male, insbesondere, als er den Namen einer Krankenpflegeschülerin aus Georgia nannte, die kürzlich ermordet wurde.
Trump reagiert auf Bidens Angriff
Präsident Biden verbrachte einen großen Teil seiner Rede damit, Donald Trump anzugreifen, der einige Behauptungen direkt zurückwies.
„Mein Vorgänger, ein ehemaliger republikanischer Präsident, sagt zu Putin: ‚Mach, was du willst'“, sagte Biden in seiner Rede über seinen Vorgänger. „Ein ehemaliger amerikanischer Präsident hat das tatsächlich gesagt und sich einem russischen Führer gebeugt. Das ist ungeheuerlich. Es ist gefährlich. Es ist inakzeptabel.“
Trump reagiert daraufhin auf seiner Plattform Truth Social: „Er sagte, ich hätte mich dem russischen Führer gebeugt. Er hat ihnen [allerdings] alles gegeben, auch die Ukraine. Ich habe Nord Stream 2 weggenommen, er hat es ihnen gegeben! Er war eine Marionette für Putin und Xi und praktisch jeden anderen Machthaber!“
Biden griff Trump an, weil er „nichts gegen Schusswaffen“ unternommen hatte. „Er plant, jedem seine Waffe wegzunehmen“, erwiderte Trump. „Denken Sie daran, wenn Sie in die Wahlkabine gehen, denn wenn ich nicht gewählt werde, sind Ihre Waffen WEG, zusammen mit Ihrer Freiheit!“
Trump rügte Biden sowohl für seine „katastrophale“ Gesetzgebung zum Schutz der Grenze als auch weil er in seiner Amtszeit „nichts“ für Israel getan und weil er China und den Iran reich gemacht habe.
„Bedrohung für die Demokratie“
In seiner Rede schrie Biden, als er höhere Steuern für Reiche und Unternehmen verlangte. Auch forderte er den Kongress auf, ein von ihm favorisiertes Wahlgesetz zu verabschieden, welches Trump als „Gesetz zur Förderung des Wahlbetrugs“ bezeichnete.
Biden appellierte an die anwesenden Richter des Obersten Gerichtshofs und versprach die Entscheidung des Gerichts gegen das Recht auf Abtreibung rückgängig zu machen.
Der Präsident warf den Republikanern außerdem vor, die Einwanderungskrise nicht lösen wollen, und bezeichnete den Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 als „die größte Bedrohung für unsere Demokratie seit dem Bürgerkrieg“.
„Joe Biden ist eine Bedrohung für die Demokratie“, erwiderte Trump. „Er hat die Regierung als Waffe gegen seinen Gegner eingesetzt – darüber hat er [heute Abend] nicht gesprochen. So etwas gab es noch nie.“
Chips, Snickers und Wirtschaft
Biden konzentrierte sich in weiten Teilen der Rede auf innenpolitische Themen, die viele Amerikaner im Alltag umtreiben: Inflation, Jobs, Medikamentenpreise, Mieten, Steuern, Kriminalität – aber auch die Kosten für Chips und Schokoriegel wie Snickers.
Viel Zeit widmete Biden der Wirtschaftslage, denn die ökonomische Zufriedenheit der Amerikaner könnte die Wahl mit entscheiden. Und genau da hakt es.
Die US-Wirtschaft steht von Zahlen her nicht schlecht da.
Der Präsident lag jedoch falsch, als er behauptete, die Inflation in den USA sei „die niedrigste der Welt“. Zwar hat sich die jährliche Inflationsrate von einem Höchststand von 9,1 Prozent im Juni 2022 auf 3,1 Prozent verlangsamt, doch ist sie immer noch höher als in anderen großen Volkswirtschaften. Dazu gehören Kanada (2,9 Prozent), die Eurozone (2,6 Prozent) und Japan (2,2 Prozent).
Zur Frage der Arbeitsplätze wiederholte Biden, dass in den vergangenen drei Jahren eine „Rekordzahl“ von 15 Millionen neuen Arbeitsplätzen geschaffen worden sei, darunter „800.000 neue Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe“. Dabei bezieht er jedoch auch die Arbeitsplätze ein, die nach der Coronavirus-Pandemie wiederhergestellt wurden, was nach Ansicht von Wirtschaftswissenschaftlern irreführend sein kann.
Umfragen zufolge sind viele frustriert über hohe Preise im Supermarkt. Biden pries die wirtschaftspolitischen Impulse, die er gesetzt habe, und argumentierte, diese machten sich nicht sofort bemerkbar. „Das benötigt Zeit, aber das amerikanische Volk beginnt, es zu fühlen.“
Nahost
Die Außenpolitik nahm eher weniger Raum ein. Der Präsident setzte jedoch einen besonderen Akzent zum Nahost-Konflikt, da er auch hier bei vielen Wählern zuletzt an Unterstützung eingebüßt hat. Muslime, Amerikaner mit arabischer Herkunft und viele Jüngere im Land beklagen, dass die USA zu einseitig an der Seite Israels stehen und zu wenig tun, um das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung zu lindern. Unweit des Kapitols versammelten sich am Donnerstagabend Demonstranten.
Auslöser des Gaza-Krieges war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, bei dem Terroristen der islamistischen Hamas sowie anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober 2023 in Israel 1.200 Menschen ermordet und 250 entführt hatten. Israel reagierte mit massiven Bombardierungen und einer Bodenoffensive im Gazastreifen.
Biden prangerte bei seiner Rede eindringlich die dramatische humanitäre Lage im Gazastreifen an, versprach den Menschen dort weitere Hilfe und ermahnte Israels Führung, mehr für den Schutz unschuldiger Palästinenser zu tun. Die Situation sei „herzzerreißend“, beklagte er. „Israel muss mehr Hilfslieferungen nach Gaza zulassen“, mahnte der Demokrat. „Humanitäre Hilfe darf nicht zweitrangig sein oder als Verhandlungsmasse dienen.“
Biden verkündete, er habe das US-Militär angewiesen, einen temporären Hafen an der Küste des Gazastreifens einzurichten, um auf dem Seeweg Hilfe in das Gebiet zu bringen. Angesichts der katastrophalen Lage hatten die USA am vergangenen Wochenende mit Hilfslieferungen aus der Luft begonnen.
Ukraine
Biden forderte den Kongress auch erneut auf, weitere Hilfen für die Ukraine freizugeben, die sich seit zwei Jahren gegen eine russische Invasion zur Wehr setzt. Russlands Präsident Wladimir Putin werde sich nicht mit der Ukraine zufriedengeben, warnte Biden – und sagte direkt an Putin gerichtet: „Wir werden nicht weglaufen.“
Die USA galten in den vergangenen zwei Jahren seit dem Beginn des Krieges als wichtigster Verbündeter Kiews und lieferten in gewaltigem Umfang Waffen und Munition. Seit geraumer Zeit gibt es jedoch keinen Nachschub mehr aus den USA. Hintergrund ist eine innenpolitische Blockade im US-Kongress, wo Republikaner weitere Hilfen für Kiew bislang verweigern.
China
Biden betonte in seiner Rede, dass die Republikaner und viele andere behauptet hätten, China sei auf dem Vormarsch und Amerika falle zurück, aber sie lägen falsch.
„Amerika ist im Aufwind. Wir haben die weltweit beste Wirtschaft“, sagte er. Das Bruttoinlandsprodukt der USA sei gestiegen, und das Handelsdefizit des Landes mit China sei auf einem Jahrzehntetief.
„Wir wehren uns gegen Chinas unfaire Wirtschaftspraktiken“, sagte Biden und fügte hinzu, dass seine Regierung Partnerschaften und Allianzen im Pazifikraum wiederbelebt und China daran gehindert habe, fortschrittliche US-Technologien zu nutzen. „Wir wollen den Wettbewerb mit China, aber keinen Konflikt“.
„Peinlichkeit für unser Land“
Trump bezeichnete Bidens Rede als „die wütendste, am wenigsten mitfühlende und schlechteste Rede zur Lage der Nation, die je gehalten wurde. Es war eine Peinlichkeit für unser Land!“
„Er sieht so wütend aus, wenn er redet, was ein Merkmal von Menschen ist, die wissen, dass sie ‚durchdrehen'“, schrieb er. „Die Wut und das Geschrei sind nicht hilfreich, um unser Land wieder zusammenzubringen!“
Der ehemalige Präsident bezeichnete die Veranstaltung als „Schreikampf“ und schimpfte über die „Fake News Media“, die „die Wut des korrupten Joe Biden aufgreifen und sie als ‚feurig‘ bezeichnen.“
Die offizielle Erwiderung der Republikaner nach der Rede wurde von der Senatorin von Alabama, Katie Britt, vorgetragen, die von Trump gelobt wurde.
„Katie Britt war ein GROSSER Kontrast zu einem wütenden und offensichtlich sehr verstörten ‚Präsidenten'“, sagte er. „Sie war mitfühlend und fürsorglich, vor allem in Bezug auf Frauen und Frauenthemen. Ihr Beitrag zu Migrantenkriminalität war kraftvoll und aufschlussreich. Großartig, Katie!“
Trump drückte sein Vertrauen in das amerikanische Volk aus und sagte, dass die Rede von Biden zwar voller „enormer Falschdarstellungen und Lügen“ gewesen sei, die Menschen in unserem Land es aber verstanden hätten und wüssten, dass der [Wahltag am] 5. November“ der wichtigste Tag in der Geschichte unserer Nation sein wird.“
(Mit Material von dpa und theepochtimes.com)
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