US-Lehrer debattieren über Schusswaffen im Klassenzimmer

In einer texanischen Grundschule wurden 19 Schüler erschossen – die 27. Schulschießerei in den USA in diesem Jahr. Republikaner fordern die Bewaffnung der Lehrer und Präsident Biden will „großkalibrige Waffen“ verbieten. Amerikas Dilemma zwischen Verfassung und Gewalt.
US-Präsident Joe Biden spricht im Roosevelt Room des Weißen Hauses über den Krieg in der Ukraine.
US-Präsident Joe Biden spricht im Roosevelt Room des Weißen Hauses.Foto: Andrew Harnik/AP/dpa
Von 13. Juni 2022

Waffen oder keine Waffen? – Das ist hier die Frage. Zumindest ist es etwas, womit sich aktuell viele Lehrer und Meinungsträger in den USA nach dem Schulmassaker in der texanischen Kleinstadt Uvalde erneut auseinandersetzen müssen. Die Republikaner schlagen vor, dass sich Lehrer bewaffnen, um solche Schießereien künftig verhindern zu können – die Demokraten sind dagegen. 

Am 24. Mai sind 19 Schüler in Texas ums Leben gekommen, was die Voraussetzungen für Waffenbesitz in den USA wieder zum Thema der Nation gemacht hat. Der US-Bundesstaat Ohio zieht daraus Konsequenzen. Mit einem Gesetz soll die Trainingsdauer für einen Waffenschein für Lehrer auf 24 Stunden reduziert werden. Danach sind sie befähigt, eine Waffe auch in der Schule zu tragen. Das Tragen einer Waffe bleibt für sie jedoch weiterhin freiwillig.

„Ein guter Mann mit einer Waffe“

Die Demokraten meinen, das Gesetz sende nach dem Massaker die falsche Botschaft und die Kürzung der Trainingsdauer sei „wahnsinnig“. „All das in 24, 25 Stunden. Das ist Wahnsinn“, sagte Senator Cecil Thomas aus Cincinnati. Es gehe hier um Menschen, die „in eine aktive Schießsituation“ geraten.

Der Hauptgrund für die Bewaffnung von Lehrern wurde von Wayne LaPierre, dem Vorsitzenden von Amerikas bekanntester Lobbygruppe für Waffenrechte, im Jahr 2012 nach einem Schulmassaker auf den Punkt gebracht. LaPierre besteht seit Langem darauf, dass „das Einzige, was einen Bösewicht mit einer Waffe aufhält, ein guter Mensch mit einer Waffe ist“.

Die Idee „des guten Mannes mit einer Waffe“ als mögliche Lösung für Waffengewalt wurde durch eine Studie des nationalen Wirtschaftsforschungsinstituts widerlegt. Verfasser John Donohue, Juraprofessor an der Stanford University, erklärte gegenüber „ABC News“, dass die Studie „zu dem Schluss kommt, dass die Erlaubnis zum Tragen von Handfeuerwaffen die Gewaltkriminalität im zehnten Jahr nach Erlass der Gesetze im jeweiligen Bundesstaat um 13 bis 15 Prozent zu erhöhen scheint“.

Das allgemeine Fazit der Studie besagt, dass das Vorhandensein einer Waffe zu noch mehr Provokationen führe. „Und am Ende werden Menschen getötet.“

Manche Lehrer lehnen die Waffen ab – manche nicht

Viele Lehrer lehnen diese Idee auch ab. „Kinder, Lehrer und Bildung gehören in die Schulen – und nicht Waffen“, sagte der Lehrer A.J. Allegra gegenüber „USA Today“, der seit 15 Jahren in New Orleans unterrichtet.

„Mein erster Gedanke war, dass dies überhaupt nicht das ist, wofür ich Lehrer geworden bin“, sagte Jenna Whitesell Carson gegenüber „VOA“. „Ich bin Schulbibliothekarin geworden, um junge Menschen zu unterrichten, nicht um eine Waffe zu tragen.“

Carson arbeitet seit vier Jahren an einer öffentlichen Highschool im ländlichen South Carolina. Sie sagte, sie sei entsetzt von der Idee, Lehrer zu bewaffnen, um zukünftige Schießereien an Schulen zu verhindern.

„Mein zweiter Gedanke war, dass sie uns definitiv nicht genug dafür bezahlen. Wir Lehrer haben schon so viel um die Ohren. Und jetzt wollen die Republikaner uns dazu zwingen, eine Waffe zu tragen?“

Einige Lehrer sehen das dennoch anders. Jason Winder unterrichtet seit fünf Jahren Geschichte an einer Highschool in Uintah County, Utah. Er trägt in der Schule eine verdeckte Schusswaffe, was in diesem Bundesstaat legal ist.

Es gehe ihm nicht darum, ein Held zu sein, und es geht nicht darum, einen aktiven Schützen zu jagen. „Es geht darum, die besten Werkzeuge zu haben, um meine Schüler und mich selbst zu schützen. Ich kann nicht für alle sprechen, aber mit einer Schusswaffe in der Hand kann ich jemanden, der meinen Kindern etwas antun will, viel besser aufhalten, als wenn wir uns in einer Ecke verstecken“, so Winder.

Kritiker sehen auch andere Gründe, warum sich nicht noch mehr Lehrer bewaffnen sollen. Es wurde bereits in vielen Schulen in den USA bewaffnetes Personal zum Schutz von Schülern und Lehrkräften eingestellt. Trotzdem haben die Schießereien nicht aufgehört.  

Im Jahr 2018 sind in Florida 17 Menschen in einer Highschool ums Leben gekommen. „Sie hatten einen Sicherheitsbeauftragten, der eine Waffe hatte, und er floh vom Tatort“, sagte Jonah Rabinowitz-Buchanan, Musiklehrer an einer Mittelschule in Silver Spring, Maryland. „Der Beamte aus Uvalde war nicht einmal im Gebäude. Was nützen sie denn?“, so der Musiklehrer. „Wie ist das damit in Übereinstimmung zu bringen, dass die Schulen mehr Waffen brauchen?“

Biden will 9-mm-Waffen verbieten

Doch wie steht der amtierende US-Präsident dazu?

Joe Biden erklärt, dass er „auf Regierungsebene nicht viel tun“ könne. Dazu müsste er „den Kongress überzeugen“ und er appelliere daher an diesen, den Schmerz nach dem Schulmassaker in Texas „in Taten umzusetzen“. Vorschläge zur Überarbeitung der Waffengesetze stehen aufgrund des Widerstands der Republikaner auf wackligen Beinen.

Ganz konkret möchte Biden 9-mm-Handfeuerwaffen und andere „großkalibrige Waffen“ verbieten. Die Idee steht in Zusammenhang mit einem Besuch in einem New Yorker Unfallkrankenhaus. Dabei zeigten ihm die Ärzte Röntgenbilder von Schusswunden und erklärten, dass eine Kugel vom Kaliber 22 (mit 5,6 mm Durchmesser) sich in der Lunge festsetzt und wahrscheinlich leichter zu entfernen sei. „Eine 9-mm-Kugel sprengt die Lunge aus dem Körper“, so der Präsident.

Die Aussage, dass großkalibrige Waffen für den Selbstschutz oder die Jagd essenziell wären, sei für Biden nicht haltbar. „Denken Sie daran, dass die Verfassung nie absolut war“, mahnt er. 

„Ich kann diese Dinge nicht diktieren“, erklärt der Präsident. Die Möglichkeiten, eine Verfügung über Waffen zu erlassen, seien begrenzt.

Ein weiteres Problem sieht Biden in den sogenannten „Ghostguns“ (Geisterwaffen). Dabei handelt es sich um selbst zusammengebaute Feuerwaffen, die keine Seriennummern haben, schwer zu verfolgen und zu überwachen sind. Bausätze können online gekauft und in nur 30 Minuten zusammengebaut werden.

Der Präsident kündigte bereits im April eine Verordnung an, um ihre Verwendung einzudämmen. Die Vorschriften sehen vor, dass jeder, der einen Bausatz erwirbt, sich einer Zuverlässigkeitsüberprüfung unterziehen muss. Die Verkäufer der Bausätze müssen zudem die Bauteile mit Seriennummern versehen.

Die „Ghostguns“ machen zwar nur einen relativ kleinen Teil der von den Strafverfolgungsbehörden sichergestellten Waffen aus, den Beamten zufolge wurden diese Waffen jedoch in den letzten Jahren immer häufiger an Tatorten gefunden.



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