Urteil pro Meinungsfreiheit: Historiker Ganser darf in Dortmunder Westfalenhalle auftreten

Die Stadtverwaltung scheitert mit ihrer Beschwerde vor dem Oberlandesgericht Münster. Nach richterlicher Feststellung verstößt der Ausschluss gegen die Meinungsfreiheit. Gansers Anwältin spricht von einer Signalwirkung für die Veranstaltungsbranche.
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Dr. Daniele Ganser wird am Montag, 27. März, in der ausverkauften Westfalenhalle über den Ukraine-Krieg sprechen. Archivbild.Foto: Michael Peter
Von 23. März 2023

Der Schweizer Historiker Dr. Daniele Ganser darf nun endgültig in der Dortmunder Westfalenhalle auftreten. Das Oberverwaltungsgericht in Münster wies eine Beschwerde der Stadtverwaltung Dortmund am heutigen Donnerstag, 23. März, zurück. Dabei folgten die Richter der Argumentation des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen, das die Klage der Stadtverwaltung erstinstanzlich zurückgewiesen hatte. Das nun gefällte Urteil ist unanfechtbar.

Die Stadt Dortmund hatte in Form ihrer Tochter, den Westfalenhallen Dortmund, den Vertrag mit dem Historiker gekündigt. Der 50-Jährige wird am Montag, 27. März, zum Thema „Warum ist der Ukraine-Krieg ausgebrochen?“ sprechen. An dieser Veranstaltung wie auch an Ganser selbst hatte es im Vorfeld Kritik gegeben. Im Raum standen angebliche antisemitische Äußerungen und das Verbreiten von Verschwörungstheorien.

Veranstaltung im Rahmen des Widmungszwecks

Nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts bewegt sich die Veranstaltung jedoch „im Rahmen des Widmungszwecks“. Die Halle sei für Veranstaltungen aller Art konzipiert. Ganser war bereits 2021 schon einmal in der Ruhr-Metropole aufgetreten. Ein Ratsbeschluss aus dem Jahr 2019, in dem die Stadt erklärt, antisemitischen Veranstaltungen keine Fläche zu bieten, ändere nichts am Widmungszweck der Westfalenhallen, argumentiert das Gericht weiter. Ein Ausschluss des Schweizers verstoße zudem gegen die Meinungsfreiheit. In diese Meinungsfreiheit dürfe nur durch ein allgemeines Gesetz eingegriffen werden, was aber im Falle des Ratsbeschlusses nicht der Fall gewesen sei. Abschließend heißt es in der Begründung des Gerichts: „Dass eine Gefahr strafbarer Äußerungen des Vortragenden besteht, ist dem Vorbringen der Stadt nicht zu entnehmen und auch sonst nicht ersichtlich.“

Richter hat sich das „ganz sauber, ganz nüchtern“ angeguckt

Durchweg positive Worte fand die Dr. Kirsten König für das Urteil beider Gerichte im Gespräch mit Epoch Times. Die Hamburger Fachanwältin für Veranstaltungsrecht vertritt die Agentur von Ganser. „Die Entscheidung ist in Zeiten von ‚Cancel-Culture‘ ganz besonders zu begrüßen“, betonte sie. In beiden Fällen hätten sich die Richter „das ganz sauber, ganz nüchtern angeguckt und unter die Vorschrift subsumiert“. Sie hätten ausschließlich darauf beschränkt zu beurteilen, ob Gansers Vortrag unter den Widmungszweck der Westfalenhalle fällt oder nicht.

Urteil wird in Veranstaltungsbranche herumgeschickt

Kirsten König hofft auf eine Signalwirkung: „Das Urteil wird in der Veranstaltungsbranche herumgeschickt“, sagt sie. Gansers Agentur stehe auch in Kontakt mit der Agentur des Pink-Floyd-Gründers Roger Waters, dessen Konzerte wegen seiner kritischen Haltung zum Ukraine-Krieg ebenfalls aufgekündigt wurden. Auch auf Gansers weiteres Programm in Deutschland könne das Auswirkungen haben, denn auch die Nürnberger Stadtverwaltung habe den Vertrag für einen Auftritt einseitig aufgelöst. Ein Gespräch mit dem Oberbürgermeister finde kommende Woche statt. Dann werde sich zeigen, ob die Verwaltung mit Blick auf das OLG-Urteil einen Rückzieher mache oder ein weiterer Gang vor Gericht nötig sei.

Insbesondere habe das OVG „sehr deutlich“ ausgesprochen, dass die im Grundgesetz Art. 5 (Abs. 1 und 2) GG statuierte Meinungsfreiheit nicht den staatlichen Zugriff auf die Gesinnung erlaube. „Erst wenn Meinungsäußerungen konkret eine Gefährdungslage darstellen, also die Friedlichkeit der öffentlichen Auseinandersetzung gefährden und in Aggression oder Rechtsbruch umschlagen, darf der Staat in die Meinungsfreiheit zugunsten anderer geschützter Rechtsgüter eingreifen. Für eine solche Gefährdungslage gab es nach Überzeugung des Gerichts im Falle von Dr. Daniele Ganser nicht die geringsten Anhaltspunkte“, fasste die Anwältin zusammen.

Selbstüberschätzung und unnötiger Wirbel

Das Veranstaltungsteam von Daniele Ganser sprach in einer Pressemitteilung davon, dass die ausverkaufte Veranstaltung „sicher auch nach außen hin kaum bemerkt und für alle Beteiligten zufriedenstellend abgelaufen, wenn sich hier nicht eine dritte Partei in gefährlicher Selbstüberschätzung eingemischt und für nichts weiter als unnötigen Wirbel gesorgt hätte“. Die Stadt Dortmund, vertreten durch ihren Oberbürgermeister Thomas Westphal, habe aus politischen Gründen einen enormen Druck auf die Westfalenhallen GmbH ausgeübt, um die Veranstaltung mit allen Mitteln zu verhindern. „Sie erfand Vorwürfe gegen den Referenten, diffamierte ihn öffentlich, versuchte seine Reputation zu beschädigen“. Dies habe sogar zu einer öffentlichen Debatte am 9. Februar 2023 in der Dortmunder Ratssitzung geführt, sodass sich Westfalenhalle GmbH genötigt sah, den bestehenden gültigen Vertrag mit der Veranstaltungsagentur Gansers einseitig zu kündigen.

Wer für Frieden wirbt, darf nicht diffamiert werden

Für alle „sehr deutlich“ sei durch die beiden richterlichen Beschlüsse ein Angriff auf wichtige Eckpfeiler des deutschen Grundgesetzes „erfolgreich abgewehrt“ worden. „Jeder Versuch der willkürlichen Einflussnahme durch Politiker auf die im Grundgesetz verbriefte Rede- und Meinungsfreiheit muss klar benannt und entschlossen unterbunden werden. Der öffentliche Debattenraum darf in einer Demokratie nie eingeschränkt werden. Und erst recht nicht in Krisenzeiten! Wer in kriegerischen Zeiten offen für Frieden wirbt, darf nicht vom Diskurs ausgeschlossen, diffamiert oder unterdrückt werden“, so ein Agentursprecher.



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