Urteil in Israel: Wehrpflicht gilt auch für Ultraorthodoxe

Das Gerichtsurteil ist ein Paukenschlag im Streit um die Wehrpflicht in Israel, der schon seit Jahrzehnten schwelt. Die Entscheidung könnte die rechtsreligiöse Regierung ins Wanken bringen.
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Ultraorthodoxe Juden verbrennen am 22. April 2024 während der letzten Vorbereitungen vor dem Beginn des einwöchigen jüdischen Pessach-Festes im Jerusalemer Stadtteil Mea Sharim gesäuerte Lebensmittel während des Biur Chametz-Rituals.Foto: Ronaldo Schemidt/AFP via Getty Images
Epoch Times25. Juni 2024

Auch ultraorthodoxe Männer müssen zum Wehrdienst in der israelischen Armee verpflichtet werden. Dies entschied Israels höchstes Gericht einstimmig. Das Urteil gilt als herber Rückschlag für die Regierung des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu.

Die neun Richter in Jerusalem stimmten zwei Petitionen zu, die eine sofortige Einberufung wehrpflichtiger ultraorthodoxer Männer gefordert hatten.

„Auf dem Höhepunkt eines harten Krieges ist die Belastung durch eine ungleiche Verteilung der Bürde größer denn je, und erfordert eine Lösung“, hieß es in der Urteilsbegründung. Es gebe keine juristische Grundlage, um Ultraorthodoxe von der Wehrpflicht zu befreien.

Die Regierung habe „keine Befugnis, anzuordnen, dass das Wehrdienstgesetz nicht auf Jeschiwa-Studenten angewendet wird, wenn es keinen angemessenen gesetzlichen Rahmen gibt“, urteilte das Gericht in Jerusalem einstimmig am Dienstag. Ohne Verankerung dieser Ausnahmeregelung in einem gesetzlichen Rahmen müsse „der Staat handeln, um das Gesetz durchzusetzen“.

Zerreißprobe für Netanjahus Regierung

Die Entscheidung erfolgte inmitten heftiger Debatten um die bestehende Befreiung Ultraorthodoxer vom Wehrdienst. Nach mehreren Anfechtungen hatte der Oberste Gerichtshof die Ausnahmeregelung zum 1. April aufgehoben.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bat damals um einen Aufschub von 30 Tagen, um eine Einigung innerhalb seiner Regierung zu erzielen, die auf die Unterstützung ultraorthodoxer Parteien angewiesen ist. Daraufhin ordnete höchste Gericht eine Streichung der die staatlichen Subventionen für ultraorthodoxe Männer im wehrpflichtigen Alter an, die in Religionsschulen studieren. Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara entschied Ende März zudem, das Militär sei verpflichtet, auch die bisher weitgehend befreiten Religionsstudenten einzuziehen.

Zuletzt brachte das israelische Parlament am 11. Juni einen Gesetzentwurf zur schrittweisen Einberufung von Ultraorthodoxen wieder auf den Weg. Aus der Sicht von Kritikern wie Verteidigungsminister Yoav Gallant ist der unter anderem von Regierungschef Benjamin Netanjahu unterstützte Gesetzentwurf weit davon entfernt, den Personalbedarf der israelischen Armee zu decken.

Die Nichtumsetzung des Wehrdienstgesetzes schaffe „eine große Diskriminierung zwischen denen, die zum Wehrdienst verpflichtet sind, und denen, für die keine Maßnahmen ergriffen werden, um sie (in der Armee) zu mobilisieren“, erklärte der Oberste Gerichtshof am Dienstag

63.000 Männer betroffen

Nach Angaben des Gerichts handelt es sich um 63.000 Männer. Die Armee hatte zuletzt angesichts des Gaza-Kriegs eindringlich vor einem starken Mangel an Kampfsoldaten gewarnt. Laut dem Israelischen Institut für Demokratie (IDI) zählen etwa 14 Prozent der jüdischen Bevölkerung Israels zu den Ultraorthodoxen, das sind fast 1,3 Millionen Menschen.

Kritiker prangerten die bisher geltenden Erleichterungen als ungerecht an. Der Gaza-Krieg hat die Kluft zwischen den Lagern noch einmal vertieft. Seit 1948 galten die Ausnahmen für ultraorthodoxe Männer bei der Wehrpflicht in Israel.

Männer müssen in Israel regulär drei Jahre, Frauen zwei Jahre Wehrdienst leisten. Am Streit um ein Gesetz, das schrittweise mehr strengreligiöse Männer zum Dienst an der Waffe verpflichten sollte, war bereits 2018 die Regierungskoalition zerbrochen.

Es gibt aber auch ultraorthodoxe Männer, die freiwillig dienen. Strengreligiöse Frauen werden nur auf freiwilliger Basis rekrutiert. (dpa/red)



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