EU überlegt, 18-Jährigen Interrail-Tickets zu schenken, damit sie die EU kennenlernen
„Ich finde die Idee für ein Gratis-Interrail-Ticket sehr sympathisch“, sagte Vize-Europaparlamentspräsident Alexander Graf Lambsdorff (FDP) der „Welt“. Der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei im Europaparlament, Manfred Weber (CSU), hatte am Mittwoch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vorgeschlagen, jeder EU-Bürger sollte zum 18. Geburtstag ein Interrail-Ticket geschenkt bekommen, um Europa erfahren zu können.
Über Parteigrenzen hinweg greifen Europaabgeordnete den Vorschlag nun auf. „Fast jeder in Europa erinnert sich doch an eine oder mehrere besondere Bahnfahrten in seinem Leben“, sagte Lambsdorff. „Das ist wirklich eine gute Idee.“
Die Kosten: 1 bis 1,5 Milliarden Euro bei 5,4 Millionen 18-jährige EU-Bürger
Laut EU-Statistikbehörde Eurostat gab es im vergangenen Jahr 5,4 Millionen 18-jährige EU-Bürger. Würden sich 50 bis 70 Prozent von ihnen für ein Ticket interessieren, lägen die Kosten bei 1 bis 1,5 Milliarden Euro. Mit einigen Umschichtungen sei das aus dem EU-Haushalt zu finanzieren, sagte Lambsdorff: „Ich glaube, dass das mit etwas Ernsthaftigkeit etwas werden könnte.“
Unterstützung kommt auch vom SPD-Europaabgeordneten Jo Leinen. „Ich unterstütze den Vorschlag von Herrn Weber“, sagte Leinen der Zeitung. „Diese Initiative könnte etwa im Rahmen eines Jugendprogramms der Europäischen Kommission durchgeführt werden.“
Hingegen lehnt Gianni Pittella, der Chef der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament, die Initiative ab. „Ich bin nicht voll überzeugt, dass das die Top-Priorität der EU ist“, sagte er der „Welt“. Es solle jetzt nicht darum gehen, die EU in ein „Reisebüro“ zu verwandeln, sondern darum, die täglichen Bedürfnisse der Menschen zu erfüllen. „Zuerst Jobs, dann Reisen“, so Pitella.
Auch die Grünen im Europäischen Parlament zeigen sich grundsätzlich offen. „Grundsätzlich ist das eine schöne Idee für die Jugend Europas“, sagte Michael Cramer (Grüne), Vorsitzender des Verkehrsausschusses des Europäischen Parlaments. Er kritisierte jedoch: Mit ihrer aktuellen Politik hielten CDU und CSU die Bürger vom Bahnfahren ab und schickten sie auf die Straße: „Fernbusse zahlen für die Nutzung der Straßeninfrastruktur keine Maut, die Maut für die Bahn ist in den letzten Jahren um 18 Prozent gestiegen“, sagte Cramer.
Die Umsetzung eines freien Interrail-Tickets ist schwierig zu bewerkstelligen, weil die EU-Kommission es nicht direkt auf den Weg bringen kann. So werden die Kosten für die Interrail-Tickets von den Bahngesellschaften ausgehandelt, die wiederum im Rahmen staatlicher Serviceverträge tätig sind.
Die EU-Kommission reagierte vor diesem Hintergrund bislang skeptisch auf ähnliche Initiativen. Nun signalisiert sie zumindest Gesprächsbereitschaft. „Die Mobilität von jungen Europäern zu erleichtern ist ein wichtiges Ziel der Kommission“, sagte EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc der Zeitung. „Wir wären bereit, weiter zu untersuchen, welche spezifischen Mobilitätsbedürfnisse die junge Generation hat und wie die EU sie unterstützen kann.“
(dts)
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