Unicredit übernimmt 21 Prozent der Commerzbank – Merz sieht Gefahr für deutschen Bankenmarkt
Die italienische Bank Unicredit hat nach eigenen Angaben weitere Anteile an der Commerzbank übernommen. „Zusammen mit der zuvor mitgeteilten Position von rund neun Prozent beträgt die Gesamtbeteiligung von Unicredit am Kapital der Commerzbank nun rund 21 Prozent“, erklärte die Bank am Montag. Damit würde die zweitgrößte italienische Bank den deutschen Staat, der derzeit noch zwölf Prozent an der Commerzbank hält, als größten einzelnen Anteilseigner ablösen.
Die Unicredit wies darauf hin, dass die jüngste Akquisition noch von der Zustimmung der Europäischen Zentralbank (EZB) für die Erhöhung des Anteils der Commerzbank auf über zehn Prozent abhänge. Dies gilt jedoch als Formalie.
Außerdem habe sie bei der EZB beantragt, ihren Anteil an der Commerzbank auf 29,9 Prozent weiter erhöhen zu können, erklärte die Unicredit weiter. Sie sei nun „flexibel“: Sie könne ihre Beteiligung behalten, verkaufen oder zu einem späteren Zeitpunkt erhöhen.
Merz warnt vor Schwächung des Deutschen Bankenmarkts
Der Bund war im Zuge der Finanzkrise 2008 zur Rettung bei der Commerzbank eingestiegen, will seine Anteile nun aber wieder verkaufen.
Die Unicredit überraschte vor knapp zwei Wochen die Märkte – und offenbar auch die Bundesregierung – und kaufte für 702 Millionen Euro die ersten 4,5 Prozent an Commerzbank-Anteilen, die der deutsche Staat zum Verkauf gestellt hatte. Mit weiteren Anteilskäufen an der Börse erhöhten die Italiener ihre Anteile auf zunächst neun Prozent.
Deutsche Oppositionspolitiker und besonders die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi kritisierten die Möglichkeit einer Übernahme durch die Unicredit scharf und forderten den Bund auf, dies zu verhindern. Der deutsche Bankenmarkt würde durch eine Übernahme der Commerzbank durch die Unicredit „massiv geschwächt“, sagte Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) am Montag. „Diese Bank ist für Deutschland wirklich eine enorm wichtige Bank.“
Merz kündigte an, die Angelegenheit im Bundestag zu thematisieren. Es müsse geklärt werden, inwieweit das Bundeskanzleramt in das Vorhaben der Unicredit eingeweiht war. Seitens der Bundesregierung hieß es, es werde zwar grundsätzlich am Plan eines gänzlichen Verkaufs der Commerzbank-Aktien festgehalten, vorerst sollen aber keine weiteren Anteile zum Verkauf gestellt werden.
Orcel geht in die Offensive
Unicredit-Chef Andrea Orcel warb offen für eine Komplettübernahme der zweitgrößten deutschen Bank.
Die Entscheidungen würden unter Berücksichtigung „der Gespräche mit der Commerzbank, ihrem Vorstand und Aufsichtsrat sowie generell mit allen Beteiligten in Deutschland“ getroffen, erklärte die Bank nun. „Es gibt ein großes Wertschöpfungspotenzial, das von der Commerzbank entweder in einem eigenständigen Szenario oder innerhalb der Unicredit abgeleitet werden kann.“
Mit dem neuerlichen Aufstocken vollzieht Unicredit-Chef Andrea Orcel eine Kehrtwende. Noch vergangene Woche hatte der Manager öffentlich erklärt, er strebe keine feindliche Übernahme an. Man könne die Beteiligung an der Commerzbank auch gewinnbringend wieder verkaufen.
„Bei solchen Transaktionen müssen sich die Hauptakteure einig sein“, sagte Orcel der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Doch nun sieht es nicht danach aus, als habe die Unicredit lediglich ein Interesse als strategischer Investor.
Die Unicredit hatte den Teil-Ausstieg des Bundes bei der Commerzbank genutzt und war überraschend bei dem Dax-Konzern eingestiegen. Der deutsche Staat hatte die Commerzbank in der Finanzkrise mit Milliarden vor dem Kollaps gerettet und wollte seine Beteiligung schrittweise verkaufen – wurde aber dann vom Einstieg der Unicredit überrumpelt.
Bund stellt sich quer – und ist trotzdem nur die Nummer zwei
Vom Bund können die Italiener vorerst keine weitere Hilfe erwarten. Nachdem der deutsche Staat jüngst 4,5 Prozent der Commerzbank-Aktien an die Unicredit verkauft hatte, will er seine übrige Beteiligung „bis auf weiteres“ behalten, wie die Finanzagentur des Bundes am Freitagabend mitteilte. Unklar blieb aber, welchen Zeitraum „bis auf weiteres“ genau bedeutet. In Berlin wird das Vorgehen der Unicredit als überfallartig gesehen.
Der Commerzbank nahm die Nachricht aus Mailand zur Kenntnis. „Es gilt weiterhin, dass der Commerzbank-Vorstand immer strategische Optionen im Sinne seiner Stakeholder – also Investoren, Kunden und Mitarbeitern – verantwortungsvoll prüfen wird.“
Das Management der Bank trifft sich dieser Tage im Taunus und wollte dort ursprünglich über Updates für ihre Strategie 2027 beraten, mit der das Institut profitabler werden will. Nun drängen ganz andere Fragen in den Vordergrund. Es steht nicht weniger auf dem Spiel als die Unabhängigkeit der Commerzbank mehr als 150 Jahre nach ihrer Gründung 1870.
Commerzbank an der Börse deutlich kleiner
Die Unicredit ist an der Börse mehr als 60 Milliarden Euro wert und könnte sich eine Übernahme der Commerzbank leisten, die nur mit rund 18 Milliarden Euro bewertet wird. Käme es zu einer Übernahme, würde ein europäischer Bankenriese entstehen.
Die Gewerkschaft Verdi und der Gesamtbetriebsrat der Commerzbank fürchten bereits einen Kahlschlag. Sollte ein Deal mit der Unicredit zustande kommen, könnten zwei Drittel der Arbeitsplätze wegfallen, sagte der Vorsitzende des Commerzbank-Gesamtbetriebsrats, Uwe Tschäge. Ende Juni zählte die Commerzbank nach eigenen Angaben weltweit rund 38.700 Vollzeitstellen, davon mehr als 25.000 in Deutschland. Auch habe die Commerzbank eine wichtige Rolle als Finanzierer des deutschen Mittelstands, warnt Verdi.
Als abschreckendes Beispiel führen die Arbeitnehmervertreter die Unicredit-Tochter HypoVereinsbank (HVB) an, die 2005 von den Italienern übernommen wurde und seither kräftig geschrumpft ist. Inzwischen firmiert die HVB nur noch in der Rechtsform einer GmbH unter dem Dach der Unicredit. (afp/dpa/red)
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