Ungarn: Tausende ukrainische Flüchtlinge verlieren Unterkunft wegen Gesetzesänderung

Ungarns Regierung knüpft die Unterbringung von Flüchtlingen aus der Ukraine nun an Bedingungen. Schätzungen zufolge sind bis zu 3.000 Menschen von der neuen Gesetzgebung betroffen.
Titelbild
Minister Gergely Gulyás bei der Pressekonferenz zur Regierungsinfo im Büro des Ministerpräsidenten am 22. August 2024.Foto: MTI/Lajos Soós
Von 24. August 2024

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Ab sofort haben in Ungarn nur noch solche ukrainischen Flüchtlinge Anspruch auf eine freie Unterkunft, die aus Gebieten kommen, „die direkt von militärischen Operationen betroffen sind“. Diese Gebiete sind in der Gesetzgebung aufgeführt und werden in Zukunft monatlich überprüft.

„Alle Flüchtlinge aus der Ukraine sind in Ungarn nach wie vor sicher: Sie können Asyl beantragen, in Ungarn arbeiten und studieren, Gesundheitsversorgung und einige Sozialleistungen erhalten. Gleichzeitig hat die Verlängerung des Krieges, wie auch in den Nachbarländern, eine Überprüfung bestimmter Unterstützungssysteme nötig gemacht“, so die Pressestelle des Büros des Ministerpräsidenten in einer Erklärung, die der Wirtschaftszeitung „hvg.hu“ vorliegt.

Privat betriebene Flüchtlingsunterkünfte haben nun damit begonnen, Ukrainer auszuquartieren, teilte die Organisation Migration Aid am Mittwoch mit. Rechtshilfeorganisationen beschweren sich bei der Regierung seit dem ersten Entwurf des Gesetzes.

Regierung: Neue Regelung sei „vernünftig und angemessen“

Gergely Gulyás, der für das Ministerpräsidium zuständige Minister, erklärte die Gesetzesänderungen, die am 21. August im Land in Kraft getreten sind, auf einer Pressekonferenz. Laut seiner Ankündigung vom Donnerstag erhielten 2,5 Jahre lang 4.000 ukrainische Flüchtlinge Geld vom ungarischen Staat, „ohne eine Arbeit zu verrichten“.

Diese Menschen wurden in Ungarn bisher nicht in Flüchtlingslagern untergebracht. Der Staat hat ihnen kostenlosen Wohnraum zur Verfügung gestellt, aber die Situation ist für diejenigen, die nicht in unmittelbarer Gefahr sind, nicht mehr aufrechtzuerhalten.

Minister Gulyás betonte auf der Pressekonferenz am Donnerstag, die neue Regelung stehe „in vollem Einklang mit den tschechischen, polnischen und rumänischen Maßnahmen“.

Der Regierungsbeauftragte Norbert Pál ließ gegenüber der regierungsnahen Zeitung „Magyar Nemzet“ ähnliches verlauten. Die Regelungen seien ihm zufolge „vernünftig und angemessen“. Zweieinhalb Jahre nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs hätten diejenigen, „die in Ungarn wieder auf die Füße kommen wollten“, dafür ausreichend Gelegenheit gehabt, so Pál.

Flüchtlinge ohne freie Unterkunft

Infolge der Gesetzesänderungen wurden in dieser Woche mehr als 120 Menschen aus solch einer freien Unterkunft entfernt. Die Regierung hat den Betroffenen in Kooperation mit dem Malteser Hilfsdienst eine kurzfristige Hilfe angeboten. Eine langfristige Lösung des Problems steht noch aus.

Nach Schätzungen des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR könnten durch das Dekret weitere 2.000 bis 3.000 Ukrainer in Ungarn ihre staatlich geförderte Unterkunft verlieren. Das UNHCR und andere Menschenrechtsorganisationen riefen die Regierung in Budapest auf, ihre Politik zu überdenken. Denn die bisher angebotenen Formen der Rechtshilfe haben die Probleme bislang nicht gelöst.

Nach der Verordnung konnten diejenigen, die bereits in Ungarn lebten, eine Ausnahmegenehmigung beantragen. Sie hatten bis zum 10. Juli (mit einer Frist von sechs Tagen) Zeit, einen Antrag zu stellen, um ihre Anspruchsberechtigung aufrechtzuerhalten. Der Regierungskommissar lehnte jedoch rund achtzig Prozent der Anträge ab, während anderen ein Aufschub gewährt wurde, berichteten Oppositionsmedien.

Wie „444.hu“ berichtete, werden aktuell dreißig Ukrainer vom ungarischen Helsinki-Komitee vertreten. Sie wollen vor Gericht erwirken, dass sie in ihrer früheren Unterkunft bleiben dürfen oder vom ungarischen Staat alternative Unterstützung erhalten. Bei den meisten handelt es sich um Roma-Frauen und -Kinder aus der westukrainischen Region Transkarpatien, wo es eine große ungarische Minderheit gibt.

Die Situation verkompliziert sich dadurch, dass viele betroffene Ukrainer eine doppelte Staatsbürgerschaft haben. Das bedeutet, dass sie auch nicht unbedingt in ein anderes EU-Land reisen können, in dem sie auf eine bessere Behandlung hoffen. Da sie gleichzeitig ungarische Staatsbürger sind, haben sie in anderen EU-Ländern nicht zwingend Anspruch auf Asylleistungen, die ukrainischen Flüchtlingen zustehen.

In den meisten Fällen gab es keine Probleme

Die ungarische Menschenrechtsorganisation Helsinki-Komitee berichtete gegenüber „euronews“, dass sie mehrere der betroffenen Orte besucht haben. „Die Situation ist nicht überall gleich ernst. Insgesamt sind vielleicht zwei- bis dreitausend Menschen in Schwierigkeiten, aber einige haben bereits eine Lösung gefunden.“

Die Organisation fügte hinzu, dass manche das Problem selbst gelöst haben. „Einige sind nach Hause gegangen, andere zu Verwandten und Freunden. Diejenigen, die die Miete zahlen können, sind natürlich schon weg“, schreiben sie.

Bei der Bewertung der Situation betonte der sicherheitspolitische Analyst Bálint Somkuti auf dem Kanal „Ultrahang“, der politische Analysen bietet, dass Ungarn den ukrainischen Flüchtlingen bisher auf ganz besondere Weise geholfen habe. Tatsächlich werden Somkuti zufolge die Flüchtlinge nicht in Flüchtlingszelten untergebracht, sondern erhalten kostenlos eine angemessene Unterkunft. Allerdings könne sich der ungarische Staat dies sogar für seine eigenen Bürger auf Dauer nicht leisten, betonte er.

Für Menschen in Schwierigkeiten hat die Regierung Hilfe vom Malteser Hilfsdienst angeordnet, gleichzeitig hat auch die Hauptstadt kommunale Mittel bereitgestellt. Die Europäische Kommission untersucht den Fall Ungarns aufgrund Anfrage von „euronews“.



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