Ungarn: Orbáns Regierung wird von Korruptionsvorwürfen erschüttert
Die Hauptstadt Ungarns wird erneut von Antiregierungsprotesten erschüttert. Tausende Demonstranten folgten dabei dem Aufruf von Péter Magyar, einem ehemaligen Vertrauten der Regierungspartei Fidesz. Er erhebt seit Wochen Anschuldigungen gegen die Regierung unter Viktor Orbán.
Magyar – der frühere Ehemann der kürzlich zurückgetretenen Fidesz-Spitzenkandidatin für die Europawahl und Ex-Justizministerin Judit Varga – hat nun am Dienstag, 26. März, ein heimlich aufgenommenes privates Gespräch mit seiner damaligen Frau veröffentlicht. Dieses belege, dass hochrangige Regierungsmitglieder in einen Korruptionsfall verwickelt sind.
„Wir werden nicht zulassen, dass der größte politische und juristische Skandal der letzten dreißig Jahre vertuscht wird“, rief Magyar der Menge zu und forderte auch den Rücktritt von Generalstaatsanwalt Peter Polt.
Der aufstrebende Oppositionspolitiker hat zudem angekündigt, eine neue Partei zu gründen und plant eine Reihe von Protesten, um die Regierung unter Druck zu setzen.
Geheime Aufnahmen und Erpressungsvorwürfe
Magyar hat die knapp-zweiminütige Aufnahme bei der Generalstaatsanwaltschaft abgegeben und auch auf seinem Facebook-Konto veröffentlicht. Er behauptet, es handele sich um ein Gespräch vom Januar 2023 zwischen ihm und seiner damaligen Frau. Dieses soll beweisen, dass Orbáns Regierung versucht haben soll, eine Verwicklung von Antal Rogán, Minister und Leiter des Kabinettsbüros von Orbán, in einen Korruptionsfall zu vertuschen.
Zu dem Korruptionsfall ermittelt die Staatsanwaltschaft seit 2021. Dabei soll ein Staatssekretär in dem damals von Varga geführten Justizministerium hohe Bestechungssummen angenommen haben.
Varga warf ihrem Ex-Mann vor, die kompromittierenden Aussagen provoziert zu haben. In einem Beitrag auf ihrer Facebook-Seite schrieb die ehemalige Justizministerin: „Péter Magyar hat eine geheime Audioaufnahme von mir, seiner ehemaligen Ehefrau, in unserer gemeinsamen Wohnung gemacht und benutzt sie nun für seine politischen Ziele.“
Sie beschuldigt Magyar in ihrem Beitrag außerdem, sie jahrelang in ihrer Ehe schikaniert und belästigt zu haben. Die Politikerin betont auch, dass ihr Ex-Ehemann sie seit gut einem Jahr erpresse.
Varga galt als enge politische Weggefährtin Orbáns. Bis Juni 2023 war sie Justizministerin. Sie trat zurück, um die Liste ihrer Fidesz-Partei bei der Europawahl anzuführen. Diese Position legte sie Anfang dieses Jahres nieder im Zuge eines Pädophilie-Skandals.
Reaktionen
Die Regierung hat zu den Ereignissen bisher keine Stellungnahme abgegeben. Gergely Gulyás, der für das Büro des Ministerpräsidenten zuständige Minister, postete lediglich auf Facebook, warum er es nicht für nötig hielt, die Geschehnisse zu kommentieren.
Der Politiker schrieb: „Ein häuslicher Streit mit einer tyrannisierten Ehefrau hat nichts mit dem öffentlichen Leben zu tun.“
Vajk Farkas, Judit Vargas ehemaliger Kabinettschef, sagte der Zeitung „Mandiner“: „Es gehörte praktisch zu unserem Alltag zu erleben, wie Péter Magyar versuchte, seine Frau zu demütigen und ihr Selbstwertgefühl zu zerstören.“
Farkas betonte, dass sich Magyar nur um seine Frau gekümmert hätte, solange er von ihr profitieren konnte und so Kontakt zu hohen Kreise bekam.
„Es war immer abstoßend, wie er darauf bestand, in der ersten Reihe zu sitzen, um dem Ministerpräsidenten so nah wie möglich zu sein, selbst bei Veranstaltungen, bei denen niemand sonst einen Ehepartner mitnahm“, sagte er.
Laut Farkas sei das, was Magyar tue, eine Fortsetzung der vergangenen Jahre, nur dass er dieses Mal versuche, seine Ex-Frau in der Öffentlichkeit und nicht zu Hause zu zerstören und auf dieser Grundlage seine politische Karriere aufzubauen.
Wie geht es nun weiter?
Bei einer Demonstration in der vergangenen Woche hatte sich Magyar deutlich gegen die EU-Politik Orbáns gestellt. In Ungarn herrsche eine „Oligarchie“, die das Land ruiniere, sagte Magyar. Ungarn müsse sich wieder seinen westlichen Verbündeten annähern, die Staatsanwaltschaften und Medien des Landes müssten wieder unabhängig von der Politik werden. Magyar sprach sich zudem für den Beitritt Ungarns zur Europäischen Staatsanwaltschaft aus – gegen die Orbán sich sperrt.
Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Median zufolge könnte Magyar bei einer Wahl mittlerweile auf neun Prozent der Stimmen hoffen – was eine von ihm angeführte Partei zur stärksten Kraft der zersplitterten ungarischen Opposition machen würde.
(Mit Material der Nachrichtenagenturen)
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