Ungarn: „Null-Toleranz-Politik“ gegenüber Antisemitismus
Im Oktober hat die ungarische Polizei Demonstrationen zur Unterstützung des palästinensischen Volkes in Budapest verboten. Es gab insgesamt zwei Versuche. Eine starke Reaktion der Regierung verhinderte jedoch weitere Bemühungen.
Pro-palästinensische Demonstranten als „Unterstützer von Terroristen“ eingestuft
Ministerpräsident Viktor Orbán erklärte nach der Anmeldung der ersten Demonstration am 13. Oktober im staatlichen Rundfunk, dass die pro-palästinensischen Demonstranten direkte „Unterstützer von Terroristen“ seien. Er betonte, sofortige Maßnahmen zu ergreifen, um ein absolutes Verbot solcher Demonstrationen zu erreichen.
Am 17. Oktober bezeichnete der oppositionelle Bürgermeister der Hauptstadt, Gergely Karácsony, ebenfalls ohne weitere Erklärung diejenigen, die Palästina und sein Volk unterstützen, als „Unterstützer von Terroristen“. Der Bürgermeister sagte, dass „seiner Meinung nach kein Platz für eine solche Veranstaltung auf den Straßen von Budapest ist“.
Die offizielle Begründung der Polizei für das Verbot lautete, dass „die Abhaltung der Kundgebung die öffentliche Sicherheit und Ordnung direkt gefährden würde“.
„Null-Toleranz-Politik“ gegenüber Antisemitismus
Das Verbot der Demonstrationen durch den Regierungschef wurde von mehreren Rechtsorganisationen kritisiert. Die Hauptkritik lautet, dass es nicht das Recht des Ministerpräsidenten sei, zu entscheiden, wer ein Terrorist ist und wer nicht.
Orbán erklärte daraufhin im Interview mit dem Radio „Kossuth“, dass Ungarn eine der größten jüdischen Gemeinden in Europa habe. „Sie sind ungarische Bürger und der ungarische Staat muss sie schützen“, so der Regierungschef. Ungarn habe eine „Null-Toleranz-Politik“ gegenüber Antisemitismus. Ungarische Bürger dürften sich nicht wegen ihrer Herkunft oder Religion „bedroht fühlen“.
Bei dem Versuch, die für den 13. Oktober angekündigte erste pro-palästinensische Demonstration abzuhalten, zeigte die ungarische Polizei massive Präsenz, um ein deutliches Zeichen zu setzen: Nicht nur, dass die Ankündigung nicht genehmigt wurde, sondern trotz des Verbots wurde eine Anti-Terror-Spezialeinheit eingesetzt. Die Demonstranten sind schließlich nicht erschienen.
Dies sei ein deutlich anderes Bild als in den meisten westeuropäischen Ländern, wo in den letzten Jahren eine beträchtliche Anzahl von Pro-Palästinensern und Unterstützern der Hamas durch die Migrationskrise eingereist seien, meinte der ungarische Regierungschef im Radiointerview mit „Kossuth“. Er führt dies zum großen Teil auf den anhaltenden Widerstand seiner Regierung gegen die illegale Migration seit 2015 zurück. Trotz internationaler Kritik und mangelnder Unterstützung wurde der Grenzschutzzaun in Ungarn gebaut. Dazu kommt, dass eine spezielle Grenzjägertruppe in Ungarn ausgebildet wurde, welche die Flüchtlinge daran hindern soll, unerlaubt ins Land zu kommen.
Laut Orbán gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen seiner Migrationspolitik und dem geringen Terrorrisiko im Land. Die derzeitige angespannte Situation in Europa mache dies besonders deutlich. Schließlich seien die Länder, die die Einwanderung großzügig toleriert haben, jetzt in Europa ständig von Terrorismus bedroht.
Und der Gaza-Konflikt sei der Brennpunkt für diese Situation, so Orbán, denn es handele sich nicht um einen Krieg zwischen Staaten. „Es ist ein Krieg gegen den Terrorismus“, sagte er im Radiointerview. Und diese Terroristen hier in Europa zu unterstützen, könne einfach auf keiner Ebene toleriert werden.
Fatale Folgen für Europa
Bei einer Podiumsdiskussion im rechtskonservativen Club Mathias Corvinus Collegium in Budapest zählten Fachleute ausführlich die Gefahren auf, die Europa im Zuge des Nahostkonflikts drohen.
Einer der Hauptgäste war Yakov Hadas-Handelsman, Israels Botschafter in Ungarn. Hadas-Handelsman lenkte die Aufmerksamkeit der Teilnehmer auf die Folgen des Antisemitismus.
„Die Mehrheit der (pro-palästinensischen) Demonstranten sind Araber, Palästinenser, Muslime mit Migrationshintergrund, die die demokratischen Werte unserer Gesellschaft ausnutzen, um antidemokratische Ansichten zu verbreiten und das Recht auf Leben eines Volkes auf der Grundlage der Meinungsfreiheit infrage zu stellen. Das ist inakzeptabel“, sagte Hadas-Handelsman.
Laut der ungarischen Zeitung „Origo“ betonte der Botschafter, dass niemand denken sollte, dass dies nur ein Kampf gegen Israelis sei.
Die Terroristen würden mit der Zerstörung Israels beginnen, aber dann den Rest der Welt ins Visier nehmen, weil sie die Prophezeiung so interpretieren“, warnte er.
Auch Deutschland wurde von dem Botschafter ausdrücklich erwähnt. Die Migrationskrise dort und der wachsende Antisemitismus seien fatal und bedrohlich zugleich.
Gladden Pappin, Präsident des Ungarischen Instituts für Auswärtige Angelegenheiten, bezeichnete die Verherrlichung der grausamen Taten der Hamas in europäischen Städten als schockierend. „Eines der Ergebnisse der ungarischen Migrationspolitik ist, dass dies nicht in Budapest geschehen kann“, fügte Pappin hinzu.
Gesetzliche Übertreibungen als „Schwachstelle“ im ungarischen System
Orbáns Migrationspolitik hat in den letzten Jahren zweifelsohne hitzige Debatten ausgelöst, sowohl im Inland als auch im Ausland. Im aktuellen Kontext der Bedrohung durch den Terrorismus werden die positiven Ergebnisse dieser Politik bestimmt in den Vordergrund rücken. Die Kritik an dem ungarischen System hinsichtlich „Meinungsfreiheit“ sei jedoch nicht zu übersehen, warnen Rechtsschützer der Organisation TASZ.
Auch wenn viele Menschen mit der Idee sympathisieren, pro-palästinensische Demonstrationen zu verbieten, wie es sogar der oppositionelle Bürgermeister von Budapest (der in der Regel bei allem anderen gegen Orbán ist) getan zu haben scheint -– gleichzeitig stellt sich zu Recht eine Frage:
„Welche rechtlichen Garantien gibt es, dass unser Antrag fair geprüft wird, wenn wir unsere Meinung zu einem anderen Thema auf der Straße äußern wollen? Bevor wir also das Orbán-Beispiel als perfektes Superrezept nehmen, sollten wir es wagen, uns mit seinen Unzulänglichkeiten auseinanderzusetzen“, argumentieren Ungarns Rechtsschützer und lokale Oppositionelle.
Die Kritik lautet, dass die aktuelle Gesetzgebung ziemlich ungenau sei. Es lässt der Polizei daher große Freiheiten bei der inhaltlichen Bestimmung der Worte, die sie verwendet.
Aber selbst in Oppositionskreisen herrscht in Ungarn Konsens darüber, dass „es geschmacklos ist, eine pro-palästinensische Demonstration zu organisieren, wenn die Hamas Tausende von israelischen Zivilisten brutal getötet hat“, so die oppositionelle Zeitung HVG.
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