Ungarisches „Erfolgsrezept“ gegen Korruption im EU-Parlament

Korruptionsskandale häufen sich im Europäischen Parlament, es bedarf einer Neuordnung. Dazu gibt es einen interessanten Vorschlag aus Ungarn: Brüssel könnte doch das ungarische System übernehmen.
Titelbild
Das ungarische Parlament in Budapest. Im Vordergrund die Donau.Foto: iStock
Von 26. Januar 2023

Tamás Deutsch, ungarischer Europaabgeordneter, hat kürzlich einen Brief an Roberta Metsola, Präsidentin des Europäischen Parlaments, geschrieben. Darin empfiehlt er, dass das Europäische Parlament in Zukunft zu den ungarischen Regeln für Vermögenserklärungen übergehen solle.

Der Politiker begründete die Aktualität seines Schreibens mit der Tatsache, dass das Europäische Parlament gerade in einen schweren Korruptionsskandal verwickelt ist. Seiner Meinung nach erschüttert dies die ohnehin schon angeschlagene Glaubwürdigkeit der Institution. Tamás Deutsch betont:

Es müssen sofort strenge Maßnahmen ergriffen werden, um das Vertrauen der Öffentlichkeit wiederherzustellen.“

Eine scharfe Kritik

Vor dem Hintergrund des Rechtsstaatlichkeitsstreits zwischen Brüssel und Ungarn im vergangenen Jahr hat das aktuelle Vorgehen ein besonderes „Geschmäckle“. Denn das Europäische Parlament kritisierte damals das ungarische System der Vermögenserklärungen.

Ungarn wechselte dann zu einem neuen System – das buchstäblich identisch ist mit dem des Europäischen Parlaments. Das Europäische Parlament lehnte dies jedoch „schockierenderweise als inakzeptabel ab und verlangte die Übernahme des bisherigen Systems der Vermögenserklärungen. Das ungarische Parlament ist deshalb sofort zum ursprünglichen, viel strengeren ungarischen System zurückgekehrt“, erinnert der Abgeordnete.

Die Tatsache, dass das Europäische Parlament sein eigenes System der Vermögenserklärungen als „unzureichend“ bezeichnet hat, ist die kritische Grundlage des aktuellen Briefes.

Der ungarische Abgeordnete hat den offiziellen Brief, der am 20. Januar verfasst wurde, in vollem Umfang in den Medien und auf seiner Social-Media-Seite veröffentlicht. Tamás Deutsch ist Vorsitzender der Europäischen Parlamentsfraktion der ungarischen Regierungspartei Fidesz.

Wie sieht die ungarische Regelung aus?

Auf Basis der ungarischen Regelung müssen Verantwortliche in der Öffentlichkeit über ihren Reichtum Rechenschaft ablegen. Dazu gehören Würdenträger, die mit der Ausübung der Staatsgewalt betraut sind, aber auch Personen, die im öffentlichen Dienst stehen.

So haben insbesondere die Präsidentin der Republik, Parlamentsabgeordnete und politische Amtsträger Rechenschaft abzulegen. Unter diesen gibt es auch Personen, die mit der Verwaltung des Staates betraut sind, wie der Staatliche Rechnungshof oder die Leiter und Prüfer der Nationalbank. Hinzu kommen Mitglieder des Medienrats, auch Richter, Staatsanwälte, Bürgermeister und andere.

In der Praxis sind das also diejenigen, welche die staatliche Macht missbrauchen können und hohen ethischen Standards unterliegen.

Der umfangreiche 19-seitige Fragebogen für die Vermögenserklärung muss nicht nur zu Beginn und am Ende des Mandats veröffentlicht werden, sondern jedes Jahr. Alles ist auf der Website des Parlaments einsehbar. Auf diese Weise kann herausgefunden werden, wo der Ministerpräsident Immobilien besitzt, wie groß diese sind oder sogar welche Autos, Wertgegenstände oder Ersparnisse der eine oder andere hat. Hier kann man alles finden, von Büchersammlungen bis zu Staatsanleihen.

Es ist also erforderlich, ganz genau anzugeben, was die Betroffenen – sowie die im selben Haushalt lebenden Ehe- oder Lebenspartner und ihre Kinder – als Eigentum haben. Dabei kann es sich um Immobilien, Kraftfahrzeuge, geschützte Kunstwerke, Sammlungen, Ersparnisse, Investitionen und anderes handeln.

Zudem ist ersichtlich, welche Schulden die einzelnen Politiker haben; ob sie einen Kredit für ein Haus oder ein Kind haben. Eine Einschränkung dabei gibt es. Die Erklärungen der Betroffenen sind öffentlich einsehbar. Die einzelnen Dokumente der zur Erklärung verpflichteten Angehörigen werden nicht frei veröffentlicht, sie müssen jedoch für die Prüfer abgegeben werden.

Wenn die Erklärung nicht korrekt oder ordnungsgemäß abgegeben wird, kann dies verschiedene Folgen haben. Geht diese nicht pünktlich ein, kann der Säumige sein Mandat nicht ausüben und erhält keine Vergütung.

Gibt es Einwände gegen die gemeldete Vermögenserhöhung, dann kann ein Verfahren gegen die betreffende Person eingeleitet werden. In diesem Fall muss ein Parlamentsausschuss prüfen, ob der Einspruch begründet ist.

Die EU-Regulierung war nicht gut genug

Warum bemängelte früher das Europäische Parlament das ungarische System? 2015 kritisierte die Gruppe der Staaten gegen Korruption (GRECO) des Europarats die ungarischen Vermögenserklärungen.

So würde „der Inhalt der Erklärungen von der Behörde nur überprüft, wenn eine begründete Beschwerde vorliegt“. Weiterhin wurde beanstandet, dass „die Erklärungen von Familienmitgliedern nicht öffentlich sind und von der Behörde nur überprüft werden, wenn jemand die Initiative gegen ein Mitglied des Parlaments ergreift“. Außerdem war man der Meinung, dass die „Öffentlichkeit“ die Dokumente nicht einsehen konnte, weil sie oft handschriftlich verfasst waren.

Im sogenannten Sargentini-Bericht, der die Grundlage für die Kritik an der Rechtsstaatlichkeit bildete, wurde zum Beispiel darauf gedrängt, dass die Vermögenserklärungen „online öffentlich gemacht“ werden sollten, obwohl sie auf der Website des Parlaments für jeden zugänglich sind, schrieb die regierungsnahe Tageszeitung „Magyar Nemzet“.

Ungarn entschied sich also im Jahr 2022 dafür, wortwörtlich die Brüsseler Regeln zu übernehmen, – was als „zu milde“ vom Europäischen Parlaments bezeichnet wurde. „Magyar Nemzet“ analysierte: Der vielleicht wichtigste Unterschied ist, dass die Abgeordneten des Europäischen Parlaments keine Immobilien, beweglichen Güter von hohem Wert, finanzielle Ersparnisse, Kredite oder Schulden angeben müssen.

Zum anderen müssen Europaabgeordnete überhaupt keine Vermögenserklärungen der Familienmitglieder abgeben. Im EU-System sind zudem keine jährlichen Erklärungen vorgesehen. Abgeordnete im EU-Parlament müssen auch keine konkreten Beträge angeben, sondern nur Bandbreiten mit Obergrenzen ankreuzen.

 



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