Unabhängigkeit, aber kein Frieden
Am Samstag, den 9. Juli 2011 endete die sechsjährige Übergangsfrist des „umfassenden Friedensabkommens“ mit der Geburt des 54. Staates auf dem afrikanischen Kontinent. Das BICC (Internationales Konversionszentrum Bonn) verweist auf die schwierige Lage in den „Übergangsgebieten“ Abiyei, Südkordofan und Blue Nile und fordert von der internationalen Gemeinschaft eine umfassenden Reform des Sicherheitssektors, ein effektives Programm zur Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration sowie Bemühungen zur Eindämmung des Kleinwaffenproblems im Südsudan.
Noch überwiegt in der Hauptstadt Dschuba der Jubel über die nach jahrzehntelangem Bürgerkrieg unter großen Opfern errungene Unabhängigkeit, trotzdem steht der ölreiche Staat vor enormen Herausforderungen. Dazu gehört neben der immer noch ungeklärten Verteilung der Öleinnahmen sowie der Rückkehr von Hunderttausenden aus dem Norden ausgewiesener Südsudanesen vor allem die Zukunft der drei sogenannten „Übergangsgebiete“ Abiyei, Südkordofan und Blue Nile.
„Bei diesen Territorien handelt es sich um Regionen, die nördlich des Grenzverlaufs von 1956 liegen, in denen aber große Bevölkerungsgruppen während der Krieges für den Süden Partei ergriffen haben“, erläutert Wolf-Christian Paes, der für das BICC die Entwicklung im Sudan beobachtet. „Den Menschen in diesen Regionen wurde während der Friedensverhandlungen versprochen, dass sie in einem Referendum über ihre Zukunft entscheiden dürften. Dieses Versprechen ist aber nie eingehalten worden.“
Das Versagen der Vereinten Nationen
In den vergangen Jahren lag der Schwerpunkt der internationalen Aufmerksamkeit auf der Gewalt in Darfur und auf der Vorbereitung der Unabhängigkeit des Südsudan. Auch die Regierung in Dschuba verhielt sich in der Frage der „Übergangsgebiete“ ambivalent. Einerseits war sie bemüht die Herrschenden in Khartum nicht zu verärgern um die eigene Unabhängigkeit nicht zu gefährden. Andererseits bezahlt der Südsudan weiterhin die Gehälter von mehreren Zehntausend Soldaten in den umstrittenen Gebieten. „Das Versagen der Vereinten Nationen die Demobilisierung und Entwaffnung dieser Soldaten zu erzwingen sowie effektive Sicherheitsgarantien für die betroffene Bevölkerung anzubieten, bildet den Hintergrund für die Eskalation der Gewalt in Abiyei und Südkordofan in den letzten Wochen“, erklärt Paes. „Die Regierung in Khartum hat diese Verletzung des Friedensabkommens zum Vorwand genommen, um in den betroffenen Regionen einzumarschieren.“
Aber auch im Südsudan selbst bleibt die Situation angespannt. In verschiedenen Provinzen gibt es militärische Konflikte mit abtrünnigen Generälen, die sich mit der Regierung überworfen haben. Auch in Dschuba selbst gibt es immer wieder Gerüchte über einen Putsch militärischer Kreise gegen den Präsidenten Salva Kiir. Nach dem Ende des Bürgerkriegs ist die Stärke des Militärs keinesfalls zurückgegangen, sondern hat sich gegenüber der Situation 2005 – bei einer Bevölkerung von nur ca. acht Millionen Menschen – auf mehr als eine Viertelmillion Uniformierter verdreifacht. Mit einem Durchschnittsgehalt von 140 US Dollar im Monat sind die Angehörigen des Sicherheitssektors auch eine wirtschaftliche Elite in dem bitterarmen Land, wo mehr als die Hälfte der Bevölkerung mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen muss. „Diese relativ gute Bezahlung erschwert natürlich die Bemühungen um eine Reduzierung der Truppenstärke ganz massiv, da die Soldaten zurecht befürchten müssen, dass die in die Armut entlassen werden“, kommentiert Paes, der im Auftrag der Bundesregierung den Demobilisierungsprozess im Südsudan unterstützt.
Konfliktpotential vorprogrammiert
Nach Recherchen des BICC gibt die Regierung des Südsudan jährlich mehr als die Hälfte der Staatsausgaben für Soldzahlungen an die Angehörigen des Sicherheitssektors aus. Gelder, die bei der Entwicklung des Landes, etwa für den Bau von Schulen, Krankenhäusern und Straßen fehlen. Gleichzeitig besteht das Risiko, dass es zu massiven Unruhen kommen könnte, sollten die Soldzahlungen, etwa wenn die Erdölexporte aufgrund von Konflikten mit dem Norden unterbrochen würden, jemals ausbleiben.
„Es gibt keine Alternativen zu einer umfassenden Reform des Sicherheitssektors. Ein effektives Programm zur Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration sowie Bemühungen zur Eindämmung des Kleinwaffenproblems müssen die Prioritäten der internationalen Gemeinschaft im Südsudan sein“, fordert der deutsche Entwaffnungsexperte. (sfr / BICC)
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