Umweltschutz versus Hunger: Ökogruppen erschwerten landwirtschaftlichen Sprung in Afrika

Die Welthungerhilfe warnt vor verheerenden Folgen der Corona-Pandemie für die ärmsten Menschen. Der Hunger in Afrika hängt eng mit Umweltgruppen zusammen.
Titelbild
Frauen am 7. März 2020 auf einem temporär bewässerten Zwiebelfeld in der Nähe von Gazawa im Norden Kameruns.Foto: PATRICK MEINHARDT/AFP über Getty Images
Von 7. Juli 2020

Die Zahl der Hungernden drohe auf eine Milliarde Menschen anzusteigen, erklärt die Welthungerhilfe anlässlich ihres neuen Jahresberichts zum Jahr 2019. Zu SARS-CoV-2 komme in vielen Regionen Afrikas und Asiens die Heuschreckenplage hinzu.

„Die Vielzahl der Krisen könnte ein Ausmaß annehmen, wie wir es bisher noch nie erlebt haben“, warnte Mathias Mogge, Generalsekretär der Welthungerhilfe. Afrika südlich der Sahara werde darunter besonders leiden.

In den Ländern des Südens schlage die Corona-Pandemie „mit voller Wucht zu“, erklärte Marlehn Thieme, Präsidentin der Welthungerhilfe. „Viele Menschen erkranken an COVID-19, viele verlieren ihre Arbeit, die Wirtschaft bricht dramatisch ein, Nahrungsmittelpreise steigen und Gesundheitssysteme sind überfordert“, schilderte sie die Situation.

„Pandemien und Heuschrecken kennen keine Grenzen“, erklärte Thieme. Internationale Solidarität sei derzeit wichtiger denn je. Die Anstrengungen der Menschen im Süden müssten langfristig unterstützt werden.

Europa, Amerika und Asien haben den Hunger nahezu völlig besiegt

In Verbindung mit dem Hunger in der Welt sollte der Friedensnobelpreisträger Dr. Norman Borlaug (1914-2009) genannt werden. Borlaug habe nach Worten des amerikanischen Senators Rudy Boschwitz eine Milliarde Menschen vor dem Hungertod bewahrt, wie Johan Norberg (Senior Fellow am Cato Institute) schreibt.

Natürlich trugen viele Faktoren dazu bei doch dieser amerikanische Agrarwissenschaftler brachte die „Grüne Revolution“ in Gang. Er kreuzte Tausende unterschiedlicher Weizenarten, bis es ihm gelang, eine besonders ertragreiche Kreuzung zu finden, die resistent gegen Parasiten war und kurze Halme hatte. Er führte 1944 diese Sorte als Mexikoweizen im Land ein was Mexiko binnen weniger Jahre vom Hungerland zum Weizenexporteur machte. Borlaud kreuzte später auf ähnliche Art und Weise noch andere Getreidesorten wie Mais, Reis, Teff, Sorghum, Hirse, Hülsenfrüchte.

Ähnlich erfolgreich war er in Indien und Pakistan (mit Reis) sowie vielen weiteren Entwicklungsländern. Der Anteil der Unterernährung sank massiv.

Zwischen 1961 und 2009 stieg durch Borlauds Bemühungen die weltweit für Landwirtschaft genutzte Fläche nur um 12 Prozent an während die Erträge um 300 Prozent stiegen. Die Abholzung der Wälder für die kleinbäuerliche Landwirtschaft reduzierte sich deutlich.

Warum ist der Hunger in Afrika nicht verschwunden?

Dr. Borlaug wurde 1984 von Äthiopien gebeten, dem Land zu helfen. Zur Koordinierung gründeten die Initiatoren die Sasakawa Africa Association (SAA). Nachdem er die Umstände vor Ort gesehen hatte, fing er sofort mit dem Pflanzen an, statt „zunächst ein paar Jahre“ zu forschen.

Seit 1986 wurden mehr als acht Millionen Kleinbauern in 15 afrikanischen Ländern in den SAA-Landwirtschaftstechniken geschult, die ihnen halfen, die Getreideproduktion zu verdoppeln oder zu verdreifachen.

In Afrika übten allerdings Umweltgruppen massiven Druck aus, um die „Grüne Revolution“ Borlaugs zu beenden.

In den frühen 1980er Jahren veranlassten sie die Rockefeller- und Ford-Stiftungen sowie die Weltbank dazu, die Finanzierung der meisten seiner afrikanischen Landwirtschaftsprojekte einzustellen. Westeuropäische Regierungen wurden überzeugt, keine Düngemittel mehr nach Afrika zu liefern. Dies ist laut Johan Norberg derzeit die einzige Region der Welt, in der die Zahl von unterernährten Menschen wesentlich steigt.

Zwischen 1986 und Ende 2003 war die SAA in insgesamt 15 Ländern tätig (Ghana, Sudan, Nigeria, Burkina Faso, Benin, Togo, Mali, Guinea, Sambia, Äthiopien, Eritrea, Tansania, Uganda, Malawi und Mosambik). Seit 2004 konzentrierte sich die SAA auf vier Länder: Äthiopien, Mali, Nigeria und Uganda. Äthiopien ist heute eines der wenigen afrikanischen Länder, die den Anteil der hungernden Menschen zwischen 1990 und 2015 halbieren konnte. Im Welthungerindex ist das Land als eines mit einer „ernsten“ Situation gekennzeichnet.

Moralisch einwandfrei, aber sie litten nie Hunger

Borlaug sagte dazu:

„Einige der Umweltlobbyisten im Westen sind durchaus moralisch einwandfrei, aber viele von ihnen sind Teil einer abgehobenen Elite. Sie haben niemals das körperliche Gefühl von Hunger erlebt. Ihre Lobbyarbeit findet in den bequemen Geschäftsräumen in Washington oder Brüssel statt. Wenn sie auch nur einen Monat inmitten des Elends der Entwicklungsländer leben würden, so wie ich es 50 Jahre lang getan habe, würden sie nach Traktoren, Dünger und Bewässerungskanälen schreien und außer sich darüber sein, dass eine schicke Elite zu Hause versucht, ihnen diese Dinge vorzuenthalten.“

Die jährliche Zahl der Todesopfer durch große Hungernöte ist nach Forschungen von Johan Norberg (Cato Institute) in den 1990er Jahren auf 1,4 Millionen gefallen. Im 21. Jahrhundert seien bisher etwa 600.000 Menschen an Hunger gestorben. Das seien etwa 2 Prozent im Vergleich zu den Todesopfern zu Beginn des 20. Jahrhunderts obwohl die Weltbevölkerung heute viermal größer sei als damals.

(Mit Material von afp)



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