Umstrittener Notstand in Spanien bis zum 6. Juni verlängert – es brodelt im EU-Land
Im Corona-Hotspot Spanien ist der Lockdown trotz heftigen Widerstands der Opposition und zunehmender Proteste verärgerter Bürger zum fünften Mal verlängert worden.
Das Parlament in Madrid nahm einen entsprechenden Antrag der linken Regierung mit knapper Mehrheit an. Der bereits seit Mitte März geltende Alarmzustand samt strenger Ausgehbeschränkungen wird nach dieser Entscheidung mindestens bis 24.00 Uhr am 6. Juni anhalten.
Die Minderheitsregierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez wollte den „Estado de alarma“, die dritthöchste Notstandsstufe des Landes, eigentlich gleich um einen ganzen Monat verlängern lassen. Dafür bekam sie aber nicht genug Unterstützung. Am Dienstag wurde aber mit der liberalen Partei Ciudadanos am Vorabend der Abstimmung ein Kompromiss über eine zweiwöchige Verlängerung erzielt.
Die Unterstützung der zehn Abgeordneten der Liberalen, die der Regierung gar nicht nahestehen, die aber nach einem Rechtsruck und dem Wahldebakel Ende 2019 sich nun als Vertreter der politischen Mitte zu profilieren versuchen, erwies sich als entscheidend: Die Abstimmung wurde nur mit 167 zu 162 Stimmen gewonnen.
In seiner Rechtfertigungsrede hatte Sánchez die scharfe Kritik der Abgeordneten der konservativen Opposition, der Rechtskonservativen von Vox und einiger Regionalparteien zurückgewiesen. „Niemand hat das Recht, das, was wir erreicht haben, leichtfertig zu verspielen.“ Den Notstand aufzuheben wäre „grob unverantwortlich“, meinte er.
Die stärkste Oppositionsfraktion, die konservative Volkspartei PP, votierte zum ersten Mal gegen eine neue Verlängerung. Nicht nur sie wirft Sánchez unter anderem vor, den Notstand zu missbrauchen, um sich der Kontrolle durch die Opposition zu entziehen. Zudem werde durch den Lockdown die Wirtschaft des Landes zerstört, wird argumentiert.
Proteste gegen Sánchez und die Corona-Maßnahmen könnten eskalieren
Seit eineinhalb Wochen nehmen die Proteste der Lockdown-Kritiker und der Gegner des Sozialisten Sánchez zu. Dabei demonstrieren Hunderte zum Teil auch dicht gedrängt auf den Straßen, schlagen dabei auf Kochtöpfe und nehmen dabei eine Verletzung des Versammlungsverbot in Kauf. Nun drohe eine Eskalation der Proteste, meinen Medienbeobachter.
Nur im Rahmen des Alarmzustands darf die Regierung in Spanien die Rechte der Bürger im ganzen Land stark einschränken. Es gilt zum Beispiel eine strikte Ausgehsperre, die erst seit kurzer Zeit schrittweise gelockert wird. Die Grenzen sollen für ausländische Touristen frühestens Ende Juni geöffnet werden.
Es gibt aber auch Verschärfungen der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie: Ab Donnerstag muss man in Spanien in allen öffentlichen Räumen, also etwa auch in Geschäften, Schutzmaske tragen. Die Pflicht gilt auch im Freien, „wenn der minimale Sicherheitsabstand von zwei Metern nicht gewährleistet werden kann“, wie es in dem am Dienstagabend veröffentlichten Dekret heißt. Bisher galt in Spanien eine Schutzmaskenpflicht nur im öffentlichen Nahverkehr. Von der Pflicht sind kleine Kinder bis fünf Jahre ausgenommen.
Mit mehr als 230.000 Infektionsfällen und fast 28.000 Toten ist Spanien eines der von der Pandemie am schwersten betroffenen Länder in der Internationalen Gemeinschaft. Die Zahlen werden jedoch seit Wochen immer besser. Der Rückgang sei „größer als in anderen Länder wie etwa Italien“, sagte Gesundheitsminister Salvador Illa. (dpa/rm)
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