Ukraine stoppt Gastransit: Droht Europa eine Energiekrise?

Der auslaufende Gastransitvertrag zwischen Russland und der Ukraine sorgt für Spannungen und Unsicherheiten in Europa. Länder wie die Slowakei und Ungarn kämpfen um Alternativen, während die Ukraine erstmals Flüssiggas direkt aus den USA importiert, um ihre Energieunabhängigkeit zu stärken.
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Im neuen Jahr will die Ukraine kein russisches Gas mehr durch ihre Pipelines leiten.Foto: STR/AFP via Getty Images
Von 28. Dezember 2024

In wenigen Tagen, am 31. Dezember, läuft ein Fünfjahresvertrag für russische Gaslieferungen nach Europa aus. Bisher ermöglichte der Vertrag Russland, Gas durch ukrainische Pipelines zu transportieren. Aufgrund der russischen Aggression hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj jedoch angekündigt, dass es keine Verlängerung des Vertrags geben wird. Diese Entscheidung hat in einigen europäischen Ländern Proteste hervorgerufen, darunter Moldau, das bereits den Notstand ausgerufen hat, und Ungarn, das vor einer Energiekrise warnt.

In einer Fernsehansprache am 26. Dezember sagte der russische Präsident Wladimir Putin, dass die Zeit für einen neuen Gastransitvertrag mit der Ukraine, der Flüssiggas in die Slowakei, die Tschechische Republik und nach Österreich bringen soll, abgelaufen sei.

„Sie haben angekündigt, den Vertrag nicht zu verlängern“, sagte Putin und fügte hinzu, die Ukraine bestrafe Europa mit ihrer Weigerung, das Transitabkommen zu verlängern. „Es gibt keinen Vertrag und es ist unmöglich, ihn in drei bis vier Tagen abzuschließen“, sagte Putin und fügte hinzu, Russland sei bereit, Europa über Polen und die Jamal-Europa-Pipeline mit Gas zu versorgen.

Russland nimmt die Situation offenbar sehr ernst. Wie die „Frankfurter Rundschau“ schreibt, hat sich Kremlsprecher Dmitri Peskov geäußert. „Die Situation hier ist sehr schwierig und erfordert größere Aufmerksamkeit“, zitierte ihn die staatliche Nachrichtenagentur „TASS“.

Russland wirtschaftlich schwächen

Mitte Oktober hatte der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal erklärt, die Maßnahme solle Russland wirtschaftlich schwächen und die Finanzierung des Krieges gegen Russland erschweren.

„Die Ukraine wird das Transitabkommen mit Russland nach dessen Ablauf nicht verlängern. Das strategische Ziel der Ukraine besteht darin, Sanktionen gegen die russische Gasinfrastruktur zu verhängen, um dem Kreml die Gewinne zu entziehen, mit denen der Aggressor den Krieg finanziert“, schrieb Schmyhal damals auf Telegram. Damals hatte sich Schmyhal kurz zuvor mit dem slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico getroffen. Die Slowakei ist ein Land, das nach wie vor stark von russischem Gas abhängig ist.

Schmyhal appellierte an alle europäischen Staaten, auf Öl und Gas aus Russland „vollständig zu verzichten“. Gleichzeitig zeigte er Verständnis für die Schwierigkeiten, mit denen EU-Staaten wie die Slowakei konfrontiert sind.

„Wir verstehen, dass einige Staaten, insbesondere die Slowakei, akut von [russischem Gas] abhängig sind. Dennoch setzen wir auf eine schrittweise Diversifizierung der Lieferquellen“, erklärte Schmyhal. Die Ukraine sei bereit, ihre Verpflichtungen aus dem Assoziierungsabkommen mit der EU und dem Vertrag über die Energiecharta weiterhin zu erfüllen.

Mitte Dezember bekräftigte Schmyhal noch einmal seine Position. Auch dieses Mal traf er sich mit seinem slowakischen Amtskollegen Fico. „Die Ukraine ist bereit, die Verpflichtungen zu erfüllen, die wir im Rahmen des Assoziierungsabkommens mit der EU eingegangen sind. Wenn sich die Europäische Kommission daher offiziell an die Ukraine bezüglich des Transits von Gas, mit Ausnahme von russischem Gas, wendet, werden wir dies natürlich besprechen“, so Schmyhal.

Bestechungsversuch von Selenskyj?

Auf dem EU-Gipfel Mitte Dezember ist das Thema Gaslieferungen offenbar auch noch einmal zur Sprache gekommen. Wie das Magazin „Politico“ berichtet, soll Fico auf dem Gipfel für eine Fortsetzung des Vertrags plädiert haben. Der slowakische Präsident soll darauf hingewiesen haben, dass sein Land mit dem Auslaufen des Vertrags rund 500 Millionen Euro verlieren wird. Darauf soll der ukrainische Präsident Selenskyj sehr ungehalten reagiert und in Richtung Fico gesagt haben: „Es ist ein bisschen beschämend, über Geld zu reden, denn wir verlieren Menschen.“

Fico sagte Reportern später, Selenskyjs Vorschläge hinter verschlossenen Türen seien „absurd“, und deutete an, dass sich die Ukraine die Freiheit nimmt, die Wirtschaft eines EU-Mitglieds zu schädigen.

Weiter, so behauptet Fico, habe Selenskyj den Slowaken gefragt, ob er für eine Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO stimmen würde, wenn Kiew der Slowakei 500 Millionen Euro an russischen Vermögenswerten gibt. „Natürlich habe ich ‚niemals‘ gesagt“, so Fico. Selenskyj äußerte sich zu den Darstellungen bisher nicht.

Wenn das Abkommen Ende des Jahres ausläuft, dann hat es weitreichende Auswirkungen für Europa. Trotz des Plans der EU, bis 2027 ganz auf fossile Brennstoffe aus Russland zu verzichten, fließt auch heute noch Erdgas nach Europa. Gegen diesen Handel hat Brüssel bisher auch keine Sanktionen erlassen – anders als beim Erdöl, dessen Einfuhr seit 2023 verboten ist.

Auslaufen des Vertrags setzt Europa unter Druck

Der Anteil des aus Russland importierten Gases sank in den vergangenen Jahren. Waren es 2021 noch 45 Prozent, wurden 2023 nur noch 15 Prozent Gas aus Russland importiert. Deutschland bezieht seit zwei Jahren kein russisches Pipelinegas mehr. Italien reduzierte den Bezug im vergangenen Jahr auf nur noch rund 5 Prozent. Fast die Hälfte des aus Russland importierten Gases ist allerdings Flüssiggas (LNG), das dann im Binnenmarkt verkauft wird und so auch Deutschland erreicht.

Ein Drittel der russischen Gasexporte in die EU erfolgt derzeit über die Ukraine. Läuft der Vertrag aus, könnte Europa weit vor 2027 auf russisches Gas verzichten müssen. Länder wie Österreich, die Slowakei und Ungarn haben sich bislang aufgrund von Kosten- und Infrastrukturbedenken gegen einen schnellen Ausstieg gewehrt.

Im vergangenen Jahr bezog Österreich noch knapp 90 Prozent seiner Gasimporte aus Russland. Seit dem 16. November 2024 bezieht das Land kein Erdgas mehr direkt aus Russland. Der russische Energiekonzern Gazprom stellte die Lieferungen an den teilstaatlichen Hauptversorger OMV ein, nachdem ein Schiedsgericht der OMV 230 Millionen Euro Schadenersatz wegen Lieferunterbrechungen im September zugesprochen hatte. Die OMV plante, diese Summe mit laufenden Zahlungen an Gazprom zu verrechnen, woraufhin Gazprom die Lieferungen stoppte.

Trotz dieses Lieferstopps ist die Gasversorgung in Österreich gesichert. Die Gasspeicher sind zu über 92 Prozent gefüllt, was den Bedarf für mehrere Monate deckt. Zudem hat Österreich alternative Bezugsquellen erschlossen, darunter Gasimporte aus Norwegen, eigene Produktion und Flüssiggas (LNG) über Deutschland und Italien.

Die österreichische Regierung betont, dass niemand im Land frieren muss und die Wohnungen beheizt werden können. Auch die Gaspreise für Endverbraucher sollen stabil bleiben, da die aktuellen Entwicklungen bereits auf den Märkten berücksichtigt sind.

Langfristig plant Österreich, seine Abhängigkeit von russischem Gas zu reduzieren und die Energieversorgung weiter zu diversifizieren. Anders ist die Situation in Ungarn und der Slowakei.

Die Regierung in Budapest schloss auch noch nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine neue Verträge über zusätzliche Liefermengen mit Russland ab. Vor allem über die TurkStream-Pipeline, die durch das Schwarze Meer, die Türkei, Bulgarien und Serbien verläuft, fließt Gas aus Russland.

Angesichts der Ankündigung der Ukraine, den Transitvertrag für russisches Gas Ende 2024 auslaufen zu lassen, führt Ungarn Verhandlungen mit Russland und der Ukraine, um eine Lösung für den weiteren Gastransit zu finden. Ein Vorschlag sieht vor, das Gas bereits beim Eintritt in die Ukraine als ungarisches Eigentum zu deklarieren, um den Transport zu sichern.

Ersatzgas aus Aserbaidschan

Die Slowakei unterstützt die Fortsetzung des Gasverkehrs durch die Ukraine nach Europa über alternative Modelle wie den Kauf von Gas an der russisch-ukrainischen Grenze durch europäische Händler. Die Ukraine zeigte Interesse, will sich als Energiehandelsplatz etablieren. Jedoch birgt das politische Risiko und die Gefahr von Pipelinebeschädigungen durch Sabotage im Krieg.

Zur Diversifizierung der Gasimporte hat der slowakische Energieversorger SPP einen Pilotvertrag für Gaslieferungen aus Aserbaidschan über die Transbalkan-Pipeline abgeschlossen. Ein langfristiges Abkommen mit dem aserbaidschanischen Energiekonzern Socar wird geprüft. Aserbaidschan soll die Gasexporte in die EU bis 2027 steigern, doch die Produktionskapazität reicht derzeit nicht aus, um russisches Gas vollständig zu ersetzen.

Experten wie die europäische Denkfabrik Bruegel warnen vor einem möglichen „Etikettenschwindel“: Aserbaidschan könnte russisches Gas importieren, um es als eigenes auszugeben, was Moskau weiterhin finanziell begünstigen würde.

Ukraine erhält erste US-Gaslieferung

Am vergangenen Freitag, 27. Dezember, erhielt die Ukraine das erste Mal in der Geschichte eine Lieferung Flüssiggas (LNG) aus den USA, wie die amerikanische Ausgabe der Epoch Times schreibt. Rund 45.000 Tonnen wurden der Ukraine über ein griechisches Terminal im Mittelmeer geliefert. Epoch Times beruft sich hier auf Angaben von DTEK, dem größten Energieunternehmen in der Ukraine. Während die USA schon heute rund 40 Prozent der LNG-Importe liefern, war der Kauf vom Freitag der erste Direktkauf aus den USA durch die Ukraine.

„Die Ankunft dieser LNG-Ladung ist ein klares Zeichen für die Entschlossenheit von DTEK, seinen Beitrag zur Stärkung der Energiesicherheit der Ukraine und Europas zu leisten“, sagte DTEK-CEO Maxim Timoschenko in einer Erklärung. „Ladungen wie diese versorgen die Region nicht nur mit einer flexiblen und sicheren Energiequelle, sondern untergraben auch Russlands Einfluss auf unser Energiesystem. Wir sind den Vereinigten Staaten sehr dankbar für den strategischen Beitrag, den sie mit solchen Lieferungen zur Energiesicherheit Europas leisten“, so Timoschenko weiter.



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