Ukraine-Hilfe mit Russlands Vermögen: Zwischen Haushaltsloch und Wertung als Kriegspartei
Die Unterstützung für die Ukraine muss Deutschland sich leisten können. So lautet der Tenor der Aussagen von SPD-Chef Lars Klingbeil jüngst im Talk mit dem stellvertretenden „Bild“-Chefredakteur Paul Ronzheimer. Notfalls müsse Deutschland seinen Haushalt selbst anpassen, um Kiew mit Militärhilfe unterstützen zu können.
Ausgangspunkt der Debatte ist die Deckelung dieses Postens mit vier Milliarden Euro im Haushaltsentwurf der Ampel für 2025. Insbesondere aus der Union hatte dies den Vorwurf zur Folge, den „Freiheitskampf“ der Ukraine gegen den „russischen Angriffskrieg“ kaputtzusparen. Unionsfraktionsvize Johann Wadephul warf der SPD gar vor, aus wahltaktischen Gründen Mittel knappzuhalten.
Klingbeil: „Kein Geld mehr für die Ukraine“ dürfe nicht denkbar sein
Die Ampel reagierte auf die Anwürfe mit Zusicherungen, dass eine weitere Unterstützung für die Ukraine auch abseits des deutschen Haushalts gesichert sei. So gebe es auf G7-Ebene und in der EU-Kommission einen Konsens darüber, die nächsten Tranchen der Militärhilfe für Kiew aus den Zinsen eingefrorener Mittel der russischen Zentralbank zu finanzieren.
Allein aus den Zinserträgen wäre es demzufolge möglich, der Ukraine Hilfen in Höhe von 50 Milliarden Euro zukommen zu lassen. Klingbeil unterstreicht, es dürfe nicht zu einer Situation kommen, in der es heißt, es wäre „kein Geld mehr da für die Ukraine“. In einem solchen Fall müssten „Lösungen gefunden werden und die finden wir dann auch“.
EU denkt über Wege des Umgangs mit russischen Assets nach
Unmittelbar nach dem Beginn des russischen Angriffs gegen die Ukraine im Februar 2022 entschlossen sich die EU, Kanada, die USA und Japan, russische Vermögenswerte von insgesamt 300 Milliarden US-Dollar einzufrieren. Vor einer Enteignung schreckte man bisher zurück, die Zinserträge wolle man jedoch verwenden, um die Ukraine zu unterstützen.
Der größte Teil der eingefrorenen Vermögenswerte befindet sich in Europa, nur fünf bis sechs Milliarden sind demgegenüber in den USA aufbewahrt. Allein in der Clearingstelle „Euroclear“ in Belgien seien Vermögenswerte im Umfang von 210 Milliarden US-Dollar aufbewahrt.
Im Juli hatte einem Bericht von „Bloomberg“ zufolge die EU ihren Mitgliedstaaten mehrere mögliche Varianten vorgeschlagen, um die Auslandsbestände der Russischen Zentralbank langfristig einzufrieren. Eines der Szenarien beinhaltete ein unbefristetes Einfrieren mit Überprüfung in regulären Intervallen. Ein anderes skizziert eine befristete Maßnahme über 18, 24 oder 36 Monate, die verlängert werden könne.
US-Ministerin Yellen warnte schon 2022 vor fehlender Rechtsgrundlage
Bereits im Jahr 2022 hatte sich US-Finanzministerin Janet Yellen skeptisch bezüglich der einer möglichen Enteignung der Vermögensteile gezeigt und deren Legalität angezweifelt. Kommentatoren wie Nicholas Mulder in der „Financial Times“ warnten den Westen vor Schritten mit potenziell unwillkommenen Folgewirkungen.
In einem im Januar veröffentlichten Beitrag äußert der Historiker von der Cornell University, der Westen sehe im Einfrieren der Vermögenswerte und im Zugriff auf die Zinsen zulässige „Repressalien“ im Kontext mit bewaffneten Auseinandersetzungen. Allerdings spreche dagegen, dass das Vorgehen keine zwingende Wirkung habe, von den falschen Parteien ausgeübt würde und das westliche Narrativ von der „regelbasierten Ordnung“ untergrabe.
Der Effekt einer Konfiszierung von Vermögenswerten sei unterdessen gering. Dies zeige sich daran, dass diese bereits seit zwei Jahren für Russland nicht mehr verfügbar seien. Mit einem Leistungsbilanzüberschuss von 227 Milliarden US-Dollar habe Russland den Verlust bereits im ersten Kriegsjahr fast vollständig egalisiert. Den Krieg werde die Konfiszierung nicht beenden.
Ukraine hatte selbst bereits russische Vermögenswerte eingezogen
Darüber hinaus seien die westlichen Länder nicht befugt, einen solchen Schritt zu setzen. Diese befänden sich nämlich nicht im Krieg mit Russland. Das Recht, öffentliches und sogar privates Eigentum zu beschlagnahmen, käme demnach allein der Ukraine selbst zu. Sie sei es, die sich durch Russland geschädigt sieht. Im Mai 2022 habe Kiew auch davon Gebrauch gemacht und Vermögenswerte von mindestens 880 Millionen US-Dollar konfisziert.
Um ein Recht auf Beschlagnahmung russischen Eigentums zu erlangen, müsse der Westen sich selbst zur Kriegspartei erklären. Maximal osteuropäische Anrainerstaaten könnten sich auf „Spillover-Effekte“ des Krieges berufen, durch die sie Schaden erlitten hätten. Allerdings sei auch dies mit Blick auf die Geschichte gefährlich. In den meisten Fällen, in denen solche Konstellationen aufgetreten seien, sei es früher oder später auch zu einem offenen Krieg mit dem Drittstaat gekommen.
„Grenzen zwischen Krieg und Frieden verwischen“
Der Westen könne nicht auf Dauer erklären, selbst keine Kriegspartei zu sein, aber dennoch Schritte setzen, die eine Kriegspartei auszeichneten, betonte Mulder. Zudem könnte neben dem Vertrauensverlust in die Sicherheit eigenen Vermögens auch ein unerwünschter Präzedenzfall eintreten. So hätten mit der nunmehrigen Argumentation der Befürworter einer Einziehung russischen Vermögens asiatische Staaten in gleicher Weise auf die US-geführte Invasion im Irak reagieren können.
Die Vorgehensweise bezüglich der Verwertung der Erträge wäre demgegenüber weniger riskant, da sie die Substanz der Vermögenswerte nicht angreife. Allerdings bleibe das Risiko dennoch hoch. Man würde möglicherweise nicht involvierte Drittstaaten entfremden und die Grenzen zwischen Krieg und Frieden verwischen.
Was ein Scheitern der Verwertung russischer Zinserträge für den Haushalt 2025 in Deutschland bedeuten könnte, bleibt unklar. Mit Blick auf 2024 hatte sich die Ampel für den Fall einer verschlechterten militärischen Lage Kiews ein Aussetzen der Schuldenbremse vorbehalten.
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