Ukraine, Green Deal und Rüstung: Krisen in Deutschland und Frankreich legen EU lahm

Nicht nur der Wahlsieg von Donald Trump in den USA engt den Spielraum der EU deutlich ein. Auch die Krisen in den „Schrittmacher-Ländern“ Deutschland und Frankreich bremsen Brüssels Ambitionen aus. Dazu kommt ein schleichender Abschied von den Maastricht-Regeln.
Titelbild
Italiens Premierministerin Giorgia Meloni und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.Foto: LUDOVIC MARIN/AFP via Getty Images
Von 5. Dezember 2024

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An großen Ambitionen fehlt es der Europäischen Union nicht – vom „Green Deal“ über die gemeinsame Hochrüstung bis hin zur „sauberen Technologien“. Auch die Wettbewerbsfähigkeit will man dabei nicht außer Acht lassen. Immerhin hat Ex-EZB-Chef Mario Draghi der EU diesbezüglich ein wenig schmeichelhaftes Zeugnis ausgestellt. Das Problem dabei: Bis dato baute Brüssel auf Deutschland und Frankreich als treibende Kräfte der europäischen Entwicklung. Diese werden allerdings nun zeitgleich von innenpolitischen Krisen heimgesucht.

Zwei Regierungen innerhalb eines Monats zerbrochen

Innerhalb von nicht einmal einem Monat sind in beiden Ländern Regierungen gescheitert. In Deutschland trat Bundeskanzler Olaf Scholz am 6.11. die Flucht nach vorn an, indem er Bundesfinanzminister Christian Lindner entließ und die Vertrauensfrage ankündigte.
Bis voraussichtlich 23. Februar wird sich das Land im Wahlkampfmodus befinden. Weitere Monate wird es bis zur Bildung einer Regierung dauern – und mit einem Haushalt dürfte kaum vor Sommer zu rechnen sein.

Am Mittwoch, 4.12., sprach die Nationalversammlung in Paris Premierminister Michel Barnier in einem Schulterschluss von links und rechts das Misstrauen aus. Zwar wird der bis 2027 gewählte Präsident Emmanuel Macron schon zeitnah neue Kandidaten vorschlagen. An dem Umstand, dass er keine eigene Parlamentsmehrheit mehr hat, ändert dies jedoch wenig. Erst recht nicht daran, dass es weiterhin keinen Haushalt für 2025 gibt.

EU könnte bald vor vollendeten Tatsachen stehen

Der britische „Telegraph“ sieht Europa davor, wieder einmal zum Zaungast der Geschichte zu werden. Mit dem Sieg von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen und weiteren russischen Geländegewinnen steigt der Druck auf die Ukraine, Friedensgespräche aufzunehmen.

Dass ein Abkommen zu den Bedingungen Kiews zustande kommen wird, wie es in Europa immer noch als Konsens gilt, ist unwahrscheinlich. Mittlerweile spricht sogar Präsident Wolodymyr Selenskyj von einem „temporären“ Verzicht auf Territorien unter russischer Kontrolle. Ein Waffenstillstand nach dem Muster Koreas oder Zyperns scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein.

Für ein Europa, dessen Führungspersonen „Russland besiegen“ wollten, würde das nicht nur einen Gesichtsverlust bedeuten. Es ist außerdem nicht davon auszugehen, dass die USA allzu große Ambitionen zeigen werden, sich am Wiederaufbau in der Ukraine zu beteiligen. Die damit verbundenen Kosten werden vor allem von der EU zu schultern sein – die zudem der Ukraine im Wort steht, wenn es um einen Beitritt zur Staatengemeinschaft geht. Der „Telegraph“ wittert erhebliche Zielkonflikte:

Es wird äußerst schwierig sein, die riesigen Summen für die Ukraine aufzubringen, die europäische Verteidigungsindustrie hochzufahren und eine gemeinsame Verteidigungs- und Außenpolitik zu entwickeln.“

Polen und Italien als mögliche Führungsmächte?

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen muss bis auf Weiteres nicht nur auf Deutschland und Frankreich als Schrittmacher der Staatengemeinschaft verzichten. Es zeichnet sich auch niemand ab, der deren Funktion übernehmen könnte. Eine intakte Gesprächsbasis mit Donald Trump hätten zumindest Polens Ministerpräsident Donald Tusk und Italiens Premierministerin Giorgia Meloni.

Deren Wort könnte immerhin Gewicht haben, wenn es darum geht, eine allzu harsche Zollpolitik Trumps gegenüber der EU abzuwenden. Allerdings ist Polen innenpolitisch tief gespalten und steht vor einem aggressiven Präsidentschaftswahlkampf. Und Meloni ist in Teilen der Linken nach wie vor ein Feindbild, worunter ihre EU-weite Konsensfähigkeit leidet.

Unterdessen drohen innerhalb der EU schon bald neue Unstimmigkeiten, da Brüssel erst jüngst die Haushaltspolitik mehrerer Länder beanstandet hat. Diesmal betrifft es vor allem Länder, die bis dato eher als Paradebeispiele für eine vorsichtige Finanzpolitik gegolten hatten. Wie „Euronews“ berichtet, hat die EU-Kommission in der Vorwoche die Niederlande, Österreich und Deutschland für deren Budgetpläne kritisiert.

Sogar notorische Sparerländer werden von der EU gemaßregelt

Demgegenüber segnete Brüssel jene von Italien, Griechenland und auch Frankreich ab – zu einem Zeitpunkt, da sich bereits das Misstrauensvotum gegen Premier Barnier andeutete. Das mit mehr als drei Billionen Euro verschuldete Frankreich hatte allerdings bereits zuvor sieben statt vier Jahre eingeräumt bekommen, um das Drei-Prozent-Ziel zu erreichen.

Österreichs Budgetdefizit wird, so schätzt Wirtschaftlichkeitskommissar Valdis Dombrovskis, in den kommenden Jahren die Maastricht-Kriterien nicht erfüllen. Diese sehen ein maximales Defizit in Höhe von drei Prozent und eine maximale Schuldenquote von 60 Prozent des BIP vor.

Der politische Trend geht allerdings gerade in Deutschland und Frankreich weg von der Sparsamkeit. Deutschlands entlassener Bundesfinanzminister Christian Lindner steht mit seinem Beharren auf der Schuldenbremse zunehmend allein. Jüngst äußerte der Favorit auf den künftigen Kanzlerposten, Friedrich Merz, nicht nur unverhohlene Sympathien für eine schwarz-grüne Koalition.

Merz will bei Schuldenbremse „niemals nie sagen“

Auch bezüglich der Schuldenbremse erklärte der CDU-Chef in der Sendung „Maischberger“:

Ich habe mir angewöhnt, in der Politik niemals nie zu sagen.“

Merz will nur noch eine Lockerung der Schuldenbremse für „konsumtive“ Aufgaben ausschließen. In Frankreich fordert das Linksbündnis nun, mit der Regierungsbildung beauftragt zu werden. Auch dort ist Ausgabendisziplin kein vorrangiges Thema. Gegenüber „Euronews“ erklärte die sozialdemokratische EU-Abgeordnete Claire Fita:

„Die Notwendigkeit besteht darin, Fähigkeiten, Arbeitsplätze und die Entwicklungen zu schützen, die wir auf dem europäischen Kontinent schaffen müssen.“

Sparmaßnahmen anzustreben, wie dies der abgewählte Premier Barnier im Sinn hatte, sei „ein Fehler“.



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