Überwachung ausgeweitet: Chinas neuer digitaler Ausweis

Peking hat ein digitales Zertifikat eingeführt, das persönliche Informationen enthält, darunter die biometrischen Daten und die ID-Nummer einer Person.
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Biometrische Daten wie Fingerabdrücke und Gesichtszüge werden zusammengeführt mit weiteren persönlichen Daten.Foto: Ole_CNX/iStock
Von 10. August 2024

Peking hat mit der Einführung eines digitalen Identifizierungssystems für Internetnutzer neue Ängste vor einer verschärften Zensur ausgelöst.

Das kommunistische Regime erklärte, das „freiwillige“ System solle Dienstleistungsprozesse rationalisieren, persönliche Informationen schützen und Betrug reduzieren. Gleichzeitig löscht die chinesische Internetpolizei Kritik, die die Maßnahme als Instrument der Zensur bezeichnet, aus den sozialen Medien.

Die Richtlinie, die im vergangenen Monat vom Ministerium für öffentliche Sicherheit (MPS) und der für die Online-Zensur zuständigen staatlichen Behörde eingeführt wurde, befindet sich noch in der Konsultationsphase. Sie wurde jedoch bereits in einer Reihe von öffentlichen Diensten und Social-Media-Plattformen getestet. Die MPS-App für den digitalen Ausweis ist derzeit in mehreren App-Stores erhältlich, darunter auch im App-Store von Apple.

Inzwischen hat ein Mann aus dem Nordosten Chinas das MPS verklagt, weil es die Richtlinie vor Abschluss der Anhörung eingeführt hat, wie eine Menschenrechtsgruppe berichtet.

Neue digitale ID

Am 26. Juli haben das MPS und die chinesische Cyberspace-Behörde Konsultationen über Pläne zur Einführung von digitalen ID-Nummern und Zertifikaten für Internetnutzer eingeleitet.

Das Konsultationsdokument sieht vor, dass Personen mit einem gültigen Identifikationsausweis eine digitale ID-Nummer und ein digitales Zertifikat beantragen können, das die Nummer und ihre persönlichen Daten enthält. Die Nummer und das Zertifikat können dann zur Überprüfung der Identität bei öffentlichen und privaten Diensten verwendet werden.

Das MPS erklärte, dass die Maßnahme die persönlichen Daten der Internetnutzer besser schützen würde, da Online-Plattformen diese nicht mehr gesondert erfassen müssten. Kritiker argumentieren jedoch, dass es der Kommunistischen Partei Chinas (KPC) dadurch leichter fällt, Dissidenten zu identifizieren, die die Parteilinie im Cyberspace verlassen.

Jeder bekommt eine ID, nicht alle ein Zertifikat

Der in den USA ansässige Telekommunikationsexperte Zhong Shan, der früher unter dem Namen Wang Zu bekannt war, sagte, dass die Maßnahme in Verbindung mit Chinas Sozialkreditsystem dazu beitragen könnte, die Einnahmen der lokalen Behörden aus Geldstrafen zu erhöhen und darüber hinaus zur Kontrolle von Dissidenten genutzt werden könnte.

„Ich denke, jeder wird eine ID-Nummer erhalten, aber nicht unbedingt ein Zertifikat. Diejenigen, die von der politischen Sicherheitspolizei überwacht werden, könnten kein Zertifikat bekommen“, sagte er der chinesischen Ausgabe der Epoch Times.

Auf die Frage, warum ein digitales Zertifikat benötigt wird, wo doch die Internetnutzer seit über zehn Jahren ihren echten Namen und ihre ID-Nummer registrieren müssen, sagte Zhong, dass das neue Zertifikat eine Kombination von Daten enthalten wird, die bisher nicht zusammengeführt wurden, darunter Messaging, die IP- und Router-Gateway-Adressen sowie biometrische Daten wie Fingerabdrücke und Gesichtszüge.

„Was zählt, ist der nächste Schritt. [Peking] kann große Plattformen wie TikTok und WeChat zwingen. […] Man kann nicht ohne Einkaufen und Kommunikation leben, wie kann man dann nicht freiwillig mitmachen?“, sagte er. Das Sozialkreditsystem und die Einführung einer digitalen Währung im September würden ebenfalls Teil des Kontrollsystems der KPC werden.

Zensierte Kritiker

Trotz laufender Anhörungen hat die Internetpolizei Kritik an der Richtlinie auf chinesischen Social-Media-Plattformen gelöscht, darunter einen Beitrag der Rechtsprofessorin Lao Dongyan von der Tsinghua-Universität.

In einem Beitrag auf Weibo, dem chinesischen Äquivalent zu 𝕏, verglich Lao die digitale ID mit einem personalisierten Tracker für jeden Internetnutzer und sagte, dass damit leicht der gesamte Webverlauf eines Nutzers erfasst werden könne. Das digitale Zertifikat, so schrieb sie in dem inzwischen gelöschten Beitrag, „wird den Internetzugang und Online-Dienste in faktische Privilegien verwandeln, die nur mit Erlaubnis genutzt werden können“.

„Sobald bestimmte Behörden einer Person verbieten, ihre Verifizierungsdienste zu nutzen, wird das Recht der Person auf Zugang zum Internet, einschließlich der Freiheit, Meinungen zu äußern und Informationen zu erhalten, eingeschränkt oder entzogen“, fügte sie hinzu.

Lao sagte auch, dass die Richtlinie die Maßnahmen gegen mutmaßliche Kriminelle ausweite und dass Internetnutzer kaum in der Lage seien, eine informierte Zustimmung zu geben, da es an Alternativen und Informationen über die Risiken mangele. Die Juraprofessorin forderte eine Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Richtlinie.

In einem weiteren Beitrag, der inzwischen ebenfalls nicht mehr abrufbar ist, beschwerte sich Lao über Online-Belästigungen, die sie wegen des Artikels erhalten habe und die ihrer Meinung nach von den Behörden organisiert worden seien.

„Kein Staat für seine Bürger“

Huang Yusheng, ein weiterer Professor der Tsinghua-Universität, wurde auf Weibo gesperrt, nachdem er seine Kritik an der Richtlinie veröffentlicht hatte. Huang, der in einem vernichtenden Artikel auf die Maßnahme reagierte, sagte, bürgerliche Freiheiten seien für ein modernes China unerlässlich.

„Jeder Staat, der versucht, seine Bürger von allen Seiten zu überwachen und ihnen keinen Raum für ihre Privatsphäre lässt, zeigt auf die gröbste und eklatanteste Weise, dass er kein Staat für seine Bürger ist“, schrieb er.

Der Philosophieprofessor argumentierte, dass in einem „echten Staat für das Volk“ die Behörden nicht jeden Gedanken und jedes Wort der Bürger analysieren und kontrollieren müssten; die Bürger würden sich mit dem Staat identifizieren, ihm vertrauen und ihn verteidigen. Er fügte hinzu, dass das Geheimrezept für das Vertrauen einer Nation in den Freiheiten seiner Bürger liegen sollte. Huangs Weibo-Account ist seit der Veröffentlichung des Beitrags gesperrt.

Testphase bald abgeschlossen

Während die Einspruchsfrist am 25. August abläuft, ist die MPS-App zur Erstellung digitaler Zertifikate bereits in den App-Stores, unter anderem von Tencent und Apple, verfügbar.

Die Epoch Times hat Apple um eine Stellungnahme gebeten, aber bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch keine Antwort erhalten.

Dutzende öffentlicher Dienste und Social-Media-Plattformen wie Railway 12306 (die einzige offizielle Online-Plattform für den Verkauf von Fahrkarten der chinesischen Eisenbahn), die digitale Einkaufsplattform Taobao und WeChat haben das Zertifikat ebenfalls getestet.

Laut einem Dokument, das auf der Menschenrechtswebsite @weiquanwang veröffentlicht wurde, reichte Fu Wen, ein 49-jähriger Mann aus Shandong, am 2. August Klage gegen das MPS ein, weil es die vorgeschlagene Richtlinie bereits während der Anhörung umgesetzt hatte.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „China’s New Digital ID Sparks More Censorship Fears“. (deutsche Bearbeitung mk)

 



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