Über-Krieg-reden-ohne-Waffen-zu-haben: Französische Truppen für die Ukraine?
Der französischen Armee „mangelt es an Munition, Kanonen und Panzern“, stellt der französische General a. D. Christophe Gomart fest. Für den ehemaligen Chef des militärischen Nachrichtendienstes war es daher falsch, als der französische Präsident Emmanuel Macron Anfang Mai erneut eine mögliche Entsendung von Truppen zur Unterstützung Kiews erwähnt hat.
Gomart kandidiert an dritter Stelle der Liste der konservativen Partei Les Républicains für die Europawahl dieses Jahr. Er diente im Rang eines Vier-Sterne-Generals (Général de Corps d’Armée) und war unter anderem in Libyen und Mali im Einsatz. Epoch Times sprach mit ihm.
War es richtig, dass Präsident Emmanuel Macron erneut über den Einsatz von französischen Bodentruppen in der Ukraine gesprochen hat?
Es war ein Fehler, dass der Staatschef diese Option erneut ins Spiel gebracht hat. Strategische Zweideutigkeit besteht darin, Optionen offenzulassen. Sie besteht nicht darin, die eigenen Überlegungen zu kommentieren.
Anstatt die europäische Einheit und die Einheit der NATO im Rahmen einer Unterstützung der Ukraine mit Ausrüstung und Material zu wahren, ruft eine solche Ankündigung gegenteilige Reaktionen hervor, die einen gespaltenen Eindruck erwecken könnten.
Dennoch versucht Emmanuel Macron, eine Botschaft an drei Adressaten zu senden. An erster Stelle stehen die Franzosen. Er möchte sie daran erinnern, dass im Osten Europas immer noch Krieg herrscht.
Er möchte auch eine Botschaft an die Europäer senden, indem er ihnen sagt, dass sie sich organisieren müssen – doch sie sind sich dessen bewusst, und einige sind aktuell auf einem besseren Stand als wir.
Und natürlich versucht er, indem er seine Äußerungen über die Entsendung von Truppen aufrechterhält, den Russen zu verdeutlichen, dass es möglich sei, dass wir eines Tages selbst Krieg führen könnten. Ich glaube aber, dass das weder angebracht noch realistisch ist.
Es ist bekannt, dass die ukrainische Armee zurzeit Schwierigkeiten an der Front hat. Die Russen sind auf dem Vormarsch. Würde das Eingreifen der französischen Armee diesen Trend umkehren?
Was den Trend umkehren würde, wäre zunächst eine massive Beschleunigung bei der Lieferung von Ausrüstung, Material und Munition; und damit eine Steigerung der industriellen Produktion. Das bedeutet, dass die Auftragsbücher unserer eigenen Rüstungsindustrie stärker gefüllt werden müssen. Dies ist nach wie vor nicht der Fall.
Um Ihnen auf der menschlichen Ebene zu antworten: Unsere Armee ist eine erfahrene Berufsarmee, die durch ihre Einsätze in verschiedenen Operationsgebieten äußerst kompetent geworden ist.
In der jetzigen Situation mangelt es aber auch ihr an Munition, Kanonen und Panzern. Beispielsweise verfügten wir im Jahr 1991 über etwa 1.300 Panzer. Derzeit sind es nur 220. Es gibt also einen echten Kapazitätsunterschied.
Wir haben also nicht die Mittel, um einen Krieg hoher Intensität zu führen? Das im vergangenen Sommer verabschiedete Militärplanungsgesetz für die Jahre 2024 bis 2030 und die 413,3 Milliarden Euro, die in unsere Armee investiert wurden, reichen nicht aus, um unsere Bestände aufzufüllen?
Wir verfügen de facto nicht über die Mittel, um einen Krieg hoher Intensität zu führen. Und um ganz ehrlich zu sein: Am Ende des Militärplanungsgesetzes, also drei Jahre, nachdem Emmanuel Macron den Élysée-Palast verlassen haben wird, werden wir weniger Leclerc-Panzer – nur 190 Panzer – und weniger Rafale [Mehrzweckkampfflugzeuge] haben.
Aus diesem Grund wollten die Konservativen bei der Beratung des Gesetzestextes die Budgets für Investitionen weiter erhöhen. Derzeit haben wir 220 Leclerc-Panzer.
Und unsere Marine, deren Qualität unbestritten ist, wird leider nicht so stark ausgebaut. Obwohl wir angesichts unserer riesigen ausschließlichen Wirtschaftszone – die zweitgrößte der Welt hinter den USA – viel mehr Fregatten bräuchten.
In einem Monat finden die Wahlen zum EU-Parlament statt. Kann François-Xavier Bellamy, Spitzenkandidat der konservativen Les Républicains, etwas bewegen? Die Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen steht in den Umfragen sehr weit oben.
Ich glaube wirklich, dass unsere Les Républicains wieder nach oben kommen können, indem wir zu den Franzosen gehen und ihnen erklären, dass die Stimmabgabe bei den Europawahlen kein Referendum gegen Emmanuel Macron ist. Sondern es ist eine Abstimmung, um französische Abgeordnete ins Europäische Parlament zu wählen, die Frankreich und seine Interessen verteidigen.
Unsere Liste kann für eine Überraschung sorgen. Sie muss das bleiben, was sie ist, nämlich konservativ. Wir sind die einzigen Konservativen, die im Europäischen Parlament etwas bewegen können, um die Interessen Frankreichs zu verteidigen. Weil wir dort sind, wo die Entscheidungen getroffen werden, und vor allem, indem wir tatsächlich arbeiten. Dies ist bei der Rassemblement National nicht der Fall.
Ich verstehe die Wut und die Franzosen, die geneigt sind, zugunsten der RN zu stimmen. Allerdings hat diese Partei bereits die Wahlen im Jahr 2014 und 2019 gewonnen und es hat sich weder auf europäischer Ebene noch für die Franzosen etwas geändert.
Neben ihr wirbt Reconquête! für Geschlossenheit, schafft aber in Wirklichkeit eine weitere Spaltung der Rechten und schürt gleichzeitig interne Streitigkeiten.
Wir hingegen wollen die konservativen Wähler um diejenigen vereinen, die ihre Stimme am effektivsten vertreten können. Das ist der Grund für meinen Einsatz für François-Xavier Bellamy. [1]
Ist die Tatsache, dass Ursula von der Leyen von der Europäischen Volkspartei (EVP) kommt und von Emmanuel Macron unterstützt wird, für Ihre Liste ein Nachteil?
Die Delegation der Les Républicains in der EVP hat im Jahr 2019 nicht für Ursula von der Leyen gestimmt; sie war ja auch von Emmanuel Macron aufgestellt worden.
Ihre bisherige Amtszeit als Kommissionspräsidentin und ihre Bilanz haben uns dazu bewogen, unsere ablehnende Haltung gegen ihre Wiederernennung auf dem Parteitag der EVP zu erneuern. Wir haben dagegen gestimmt, und viele der anderen Mitglieder sind uns sogar gefolgt.
Wir hoffen, dass sie nicht erneut ernannt wird – in einem solchen Fall werden wir uns gegen sie aussprechen. Durch eine stärkere Präsenz innerhalb der EVP, die auch nach der Wahl die stärkste politische Kraft sein wird und in der die Entscheidung getroffen wird, haben wir die besten Chancen, dass sie nicht erneut ernannt wird.
Wir werden alles dafür tun und dafür kämpfen, eine zweite Amtszeit von Ursula von der Leyen zu verhindern.
Welche großen politischen Maßnahmen werden Sie in der nächsten europäischen Legislaturperiode mit Ihren Parteikollegen der EVP umsetzen?
Wir werden in Kürze unser Programm vorstellen. Innerhalb der EVP und unter der Führung von François-Xavier Bellamy werden wir die Interessen Frankreichs verteidigen. Beginnen werden wir mit der Aufgabe, denjenigen, die in Frankreich produzieren, mehr Freiheit zu geben – und nicht noch mehr Auflagen zu erlassen. Wissen Sie, was man sagt? Die USA erfinden, China produziert, Europa reguliert und Frankreich führt aus – vor allem auch zu viel.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Julian Herrero.
[1] Les Républicains versuchen sich in dieser Wahl zwischen der Partei von Emmanuel Macron (Renaissance) sowie Rassemblement National und Reconquête zu positionieren.
Der Artikel erschien zuerst bei der französischen Epoch Times unter dem Titel „Envoi de troupes en Ukraine: «Le chef de l’État a eu tort d’évoquer une fois de plus cette option», déclare le général Christophe Gomart“. (deutsche Bearbeitung ks)
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