Über 400.000 Katalanen protestieren in Barcelona gegen Entmachtung ihres Parlaments
Aus Protest gegen das Vorgehen der spanischen Zentralregierung gegen die Regionalregierung von Katalonien sind in Barcelona hunderttausende Menschen auf die Straße gegangen.
Die katalanische Polizei bezifferte die Zahl der Protestteilnehmer am Samstagabend auf rund 450.000. Sie protestierten gegen die von Madrid eingeleitete Entmachtung der Regionalregierung und forderten die Unabhängigkeit für Katalonien.
Artikel 155 wurde bisher nie angewandt
Drei Wochen nach dem katalanischen Unabhängigkeitsreferendum vom 1. Oktober zog der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy zur Vermeidung der Abspaltung von Katalanien den Verfassungsartikel 155 heran. Dieser erlaubt es Madrid grundsätzlich, aufsässige Regionen unter Direktverwaltung zu stellen. Damit betreten Rajoy und seine Regierung rechtliches Neuland, denn der Artikel wurde seit Inkrafttreten der Verfassung 1978 noch nie angewandt.
Artikel 155 greift nur dann, wenn eine Autonome Gemeinschaft – Katalonien ist eine von 17 Regionen mit diesem Rechtsstatus in Spanien – die ihr von der Verfassung oder anderen Gesetzen auferlegten Verpflichtungen nicht erfüllt „oder so handelt, dass ihr Verhalten einen schweren Verstoß gegen die allgemeinen Interessen Spaniens darstellt“.
Die Zentralregierung kann dann die „erforderlichen Maßnahmen“ zum Schutz der Allgemeinheit ergreifen. Die Maßnahmen hat die Regierung nun bei einer Dringlichkeitssitzung beschlossen, sie müssen aber noch vom Senat gebilligt werden. Die Abstimmung wird vermutlich Ende des Monats stattfinden.
Die spanische Regierung wies vor einigen Tagen darauf hin, dass der Artikel 155 fast wortwörtlich dem Artikel 37 des deutschen Grundgesetzes entspreche. Dieser sieht ebenfalls einen „Bundeszwang“ gegenüber rebellischen Bundesländern vor – wurde allerdings auch noch nie angewendet.
Alle katalanischen Minister sollen ihrer Ämter enthoben werden
Artikel 155 gibt keine Auskunft darüber, welche Maßnahmen im Konfliktfall zwischen Madrid und Barcelona als erforderlich anzusehen sind, um die „allgemeinen Interessen“ Spaniens zu wahren. Rajoy bat nun den Senat, Regierungschef Carles Puigdemont und alle anderen Mitglieder des katalanischen Kabinetts ihrer Ämter zu entheben.
Ihre Aufgaben würden von der Zentralregierung so lange übernommen, „wie diese außergewöhnliche Situation dauert“. Schon vorher stellte das spanische Finanzministerium die Finanzverwaltung in Barcelona unter seine Aufsicht.
Rajoy rief den Senat am Samstag zudem auf, ihm die Kompetenzen für die Auflösung des katalanischen Parlaments zuzubilligen. Die Neuwahl solle dann „in einer Frist von maximal sechs Monaten“ stattfinden.
Puigdemont bezeichnete die von Madrid in die Wege geleiteten Maßnahmen als „schlimmsten Angriff“ auf die Autonomie der Region seit der Zeit der Militärdiktatur von General Francisco Franco (1939 bis 1975). Das Regionalparlament sollte in einer Dringlichkeitssitzung eine Erwiderung an die Regierung in Madrid verabschieden. (AFP)
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