Trotz U-Haft: İmamoğlu wird Präsidentschaftskandidat – 13,2 Millionen Türken unterstützen symbolisch

Die Oppositionspartei CHP hat den abgesetzten Istanbuler Bürgermeister zu ihrem Präsidentschaftskandidaten gewählt. Am Sonntag stimmten 1,6 Millionen der 1,7 Millionen CHP-Mitglieder für İmamoğlu. Zudem gaben Millionen Türken ihre Stimme symbolisch an sogenannten Solidaritätswahlboxen ab.
Ekrem Imamoglu ist ein Präsidentschaftskandidat in Untersuchungshaft. (Archivbild)
Ekrem Imamoglu ist ein Präsidentschaftskandidat in Untersuchungshaft. (Archivbild)Foto: Oliver Berg/dpa
Epoch Times23. März 2025

Wenige Stunden nach der Inhaftierung und Absetzung des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem İmamoğlu hat seine Partei CHP ihn offiziell zum Präsidentschaftskandidaten nominiert.

In der parteiinternen Abstimmung am Sonntag stimmten 1,6 Millionen der 1,7 Millionen CHP-Mitglieder für İmamoğlu als Präsidentschaftskandidaten, wie Parteichef Özgür Özel am Abend bei einer Kundgebung in Istanbul erklärte.

Özel sprach von einer „historischen Wahl“. Doch wegen der gegen Imamoglu laufenden Ermittlungen, die das Land seit Tagen in Aufruhr versetzen, steht ein großes Fragezeichen hinter der politischen Zukunft des 53-Jährigen.

Özel zufolge gaben über die Parteimitglieder hinaus Millionen Menschen zudem ihre Stimme symbolisch an sogenannten Solidaritätswahlboxen für Imamoglu ab. Diese waren neben den regulären Urnen im ganzen Land aufgestellt worden.

Nach Auszählung von etwas mehr als der Hälfte der Solidaritäts-Urnen käme man bereits auf mehr als 13,2 Millionen symbolische Stimmen für Imamoglu, sagte Özel. Die Türkei hat 85,6 Millionen Einwohner.

U-Haft und Suspendierung

Ein Gericht hatte am Sonntag wegen Korruptionsvorwürfen Untersuchungshaft gegen den am Mittwoch festgenommenen Imamoglu angeordnet. Der 53-Jährige wurde in der Folge in die Haftanstalt Silivri bei Istanbul gebracht.

Außerdem suspendierte das Innenministerium den Oppositionspolitiker am Sonntag von seinem Amt an der Spitze der Bosporus-Metropole. Die von der Staatsanwaltschaft angestrebte Anordnung von U-Haft auch wegen „Terrorismus“-Vorwürfen lehnten die Richter ab. Auch weitere Mitbeschuldigte sitzen nun in Untersuchungshaft, darunter einer seiner engsten Berater.

Vor einem Wahllokal in Ankara am 23. März 2025: Bürger konnten ihre Stimme zur Präsidentschaftsvorwahlen abgeben – mit dabei ist der einzige Kandidat CHP, Ekrem Imamoglu. Die Republikanische Volkspartei (CHP) hatte die Wahl für jedermann, nicht nur für Parteimitglieder, geöffnet. Sie hoffte auf massive Unterstützung. Foto: Adem Altan/AFP via Getty Images

Imamoglu und seine CHP weisen die Vorwürfe als politisch motiviert zurück. Die Festnahme des Politikers hat zu Massenprotesten in weiten Teilen des Landes geführt. Die CHP hatte trotz des Vorgehens der Justiz gegen Imamoglu an den Vorwahlen vom Sonntag festgehalten.

An der Präsidentschaftsvorwahl konnten nicht nur Parteimitglieder teilnehmen, die CHP rief zu einer breiten Beteiligung der Bevölkerung auf. İmamoğlu Frau Dilek Kaya İmamoğlu rief die Bürger im Onlinedienst X zur Teilnahme an der Abstimmung auf, um „Demokratie, Gerechtigkeit und die Zukunft“ zu unterstützen.

İmamoğlu Motto: „Alles wird gut“

Imamoglus Partei CHP sprach von einem „politischen Staatsstreich“ und rief dazu auf, „weiterzukämpfen“.

Der Istanbuler Bürgermeister selbst gab sich nach der Inhaftierung kämpferisch. „Ich stehe aufrecht, ich werde mich niemals beugen, alles wird gut“, erklärte er über seine Anwälte im Onlinedienst X.

Den Slogan „Alles wird gut“ verwendete İmamoğlu bereits im Jahr 2019, nachdem seine Wahl zum Istanbuler Bürgermeister zunächst annulliert wurde. Bei der Wiederholung des Urnengangs siegte er später deutlich. 2024 gewann er die Wahl.

Stundenlange Verhöre

Am Samstagabend wurde der am Mittwoch festgenommene İmamoğlu zu mehrstündigen Verhören durch die Staatsanwaltschaft in den Istanbuler Caglayan-Justizpalast gebracht.

Das erste Verhör dauerte nach übereinstimmenden Medienberichten und laut İmamoğlu Anwälten von etwa 19:30 Uhr Ortszeit (17:30 Uhr MEZ) bis gegen Mitternacht. Das wenig später begonnene zweite Verhör endete demnach am Sonntag gegen 7:30 Uhr am Morgen, kurz darauf erfolgte die Bekanntgabe der U-Haft.

Bei der mehrstündigen Befragung sagte der Oppositionspolitiker laut Istanbuler Stadtverwaltung, die „unmoralischen und unbegründeten Vorwürfe“ zielten darauf ab, sein „Ansehen“ und seine „Glaubwürdigkeit“ zu untergraben.

Das Vorgehen gegen ihn habe nicht nur das internationale Ansehen der Türkei beschädigt, sondern auch das Gerechtigkeitsgefühl der türkischen Öffentlichkeit und das Vertrauen in die Wirtschaft, sagte der 53-Jährige.

CHP-Chef Özgur Özel zufolge konnten er und İmamoğlus Frau den festgenommenen Bürgermeister nach dem Ende seiner Verhöre fünf Minuten lang sehen. Özel zufolge war er „guten Mutes“ und äußerte sich „glücklich“ darüber, dass das Verfahren gegen ihn in der Türkei zu einem „großen Erwachen“ geführt habe.

Auswärtiges Amt mahnt zu Rechtsstaatlichkeit

Die Bundesregierung mahnt die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien an. „Die Inhaftierung des Istanbuler Oberbürgermeisters und profilierten Oppositionspolitikers Ekrem İmamoğlu ist ein schwerer Rückschlag für die Demokratie in der Türkei“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts am Sonntag. Politischer Wettbewerb dürfe nicht mit Gerichten und Gefängnissen geführt werden.

„Wir erwarten, dass die Vorwürfe schnellstmöglich transparent aufgeklärt werden und es ein Verfahren auf Basis rechtsstaatlicher Prinzipien gibt“, so der Sprecher weiter. Gleiches gelte für Vorwürfe gegen bei den Protesten Festgenommene.

„Die Einhaltung rechtsstaatlicher und demokratischer Prinzipien bleibt für unsere Beziehungen mit der Türkei ein zentraler Bestandteil – auf bilateraler Ebene und für die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Türkei.“

Massenproteste und Blendgranaten

Am Samstagabend gingen in Istanbul und anderen türkischen Städten erneut zahlreiche Menschen gegen das juristische Vorgehen zulasten İmamoğlu auf die Straße.

In Istanbul setzte die Polizei bei Zusammenstößen am Rande der Proteste Gummigeschosse, Pfefferspray und Blendgranaten ein, wie AFP-Reporter berichteten. Viele Menschen wurden festgenommen, offizielle Angaben zu den Festnahmen lagen zunächst nicht vor. Allein vor dem Rathaus versammelten sich zehntausende Menschen. CHP-Chef Özel sprach von „mehr als einer halben Million“ Teilnehmern.

Viele Demonstrationsteilnehmer schwenkten Flaggen und Plakate, auf denen gegen Erdoğans Regierungspartei AKP gerichtete Parolen zu lesen waren, darunter „Diktatoren sind Feiglinge“ und „Die AKP wird uns nicht zum Schweigen bringen“.

Auch in der Hauptstadt Ankara und der westtürkischen Stadt Izmir gab es erneut Massenproteste. In Ankara setzte die Polizei Wasserwerfer ein, um die Demonstranten zurückzudrängen. In Izmir, der drittgrößten Stadt der Türkei, stellte sich die Polizei einem Protestmarsch von Studenten zu den örtlichen AKP-Büros in den Weg. (afp/red)



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