Türkei: Erdbeben lässt Nation zusammenrücken – Zahl der Toten steigt auf über 8.500
Nach den beiden schweren Erdbeben der Stärke 7,7 und 7,6, die am Montagmorgen, 6. Februar, Teile der Türkei und Syriens erschüttert hatten, steigt weiter die Zahl der Todesopfer. Mittlerweile ist von mehr als 8.500 Menschen allein in der Türkei die Rede, die die Katastrophe nicht überlebt hätten. Mindestens 3.000 Tote seien auch in Syrien zu beklagen. Erdstöße waren bis nach Israel und in das Gebiet der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) zu verspüren. Allerdings waren die Folgen dort nicht so verheerend wie in den am stärksten betroffenen Ländern.
Insgesamt seien mindestens 13,5 Millionen Menschen davon betroffen. Die Kälte infolge eines Wintereinbruchs mit Schneestürmen im Nahen Osten erschwert die Rettungseinsätze. Vor allem in abgelegenen Regionen sind Zufahrtswege durch Schnee oder Geröll blockiert. Oft fehlen dort auch Strom und Wasser.
Infolge der Erdbebenkatastrophe ist auch ein Feuer im international bedeutenden Containerhafen von İskenderun ausgebrochen. Obwohl Einsatzkräfte bereits über Nacht versucht hatten, den Brand unter Kontrolle zu bekommen, scheint dies noch nicht vollständig gelungen zu sein.
Katastrophenschutzbehörde mobilisiert Zehntausende Einsatzkräfte
Unterdessen rücken Türken im In- und Ausland zusammen, um Hilfe für ihre betroffenen Landsleute zu organisieren. Das türkische Präsidium für Katastrophen- und Notfallmanagement (AFAD) hat Generaldirektor Orhan Tatar zufolge bisher 24.400 Mitarbeiter in die Gebiete geschickt.
Bis dato habe man etwa 300.000 Decken und 41.000 Zelte in die betroffenen Regionen geliefert. Dazu kommen Hilfsgüter, die freiwillige Helfer aus anderen Initiativen zusammengetragen haben. AFAD, der Rote Halbmond und Nichtregierungsorganisationen in vielen Provinzen riefen dazu auf, zusätzlich notwendige Hilfe in den von ihnen angekündigten Zentren in den einzelnen Provinzen zu sammeln.
Wie „Hürriyet Daily News“ berichtet, haben Gemeinden im gesamten Land ihre Einwohner um Sachspenden gebeten. Es gehe vor allem um lebenswichtige Güter wie Winterkleidung, Decken, Küchensets, Heizgeräte und Windeln für die Menschen im Erdbebengebiet. Der Rote Halbmond habe unterdessen von Ankara aus bereits mehrere Lkw mit entsprechenden Gütern auf den Weg gebracht.
Landesweite Hilfsaktionen für Opfer der Erdbeben
In Istanbul ist der Stadtteil Yenikapı einer der Schwerpunkte der Hilfsbemühungen. Dort hat die Stadtverwaltung ein Zentrum eingerichtet. Ankara und Bursa versenden neben Kleidung und Hygieneartikeln auch Wasser, Lebensmittel und Brot in voll beladenen Lkw.
In Edirne und Samsun koordinieren vor allem AFAD, der Rote Halbmond, Gemeinden und Nichtregierungsorganisationen die Hilfe. Neben Sachspenden haben Organisationen auch damit begonnen, Geld zu sammeln. Gemeinden, Gouverneursämter und andere Organisationen schickten Such- und Rettungsteams sowie Fahrzeuge in die Region. Der Rote Halbmond ruft zu Blutspenden auf.
Die nordwestliche Provinz Bursa und die südöstliche Provinz Mardin setzten vor allem Trümmerbeseitigungsgeräte und andere notwendige Fahrzeuge in Bewegung. Das Gouverneursamt der südwestlichen Provinz Muğla entsandte mobile Basisstationen, Abschleppwagen, Krankenwagen und mobile Toilettenfahrzeuge in das Gebiet.
An den Flughäfen drängten sich neben professionellen Teams und medizinischem Personal auch Tausende freiwillige Helfer an den Terminals. Dem Gouverneur von Istanbul, Ali Yerlikaya, zufolge haben allein am Montag insgesamt 6.718 Mitarbeiter und AFAD-Freiwillige in 41 Flugzeugen von Istanbul aus betroffene Regionen angesteuert.
Erdoğan verhängt Ausnahmezustand über zehn Provinzen
Auch die staatliche Fluglinie Turkish Airlines hat nach eigenen Angaben mit 80 Flügen insgesamt 11.780 Freiwillige befördert. Für One-Way-Tickets aus betroffenen Provinzen setzt die Fluggesellschaft vorerst bis 13. Februar den Preis auf umgerechnet fünf Euro herab.
Nach Angaben von AFAD waren die Provinzen Kahramanmaraş, Adana, Adıyaman, Osmaniye, Hatay, Kilis und Malatya im Süden besonders von dem Beben betroffen. Im Südosten traf es Şanlıurfa, Diyarbakır und Gaziantep.
Neben den Fluggesellschaften haben auch viele Straßentransportunternehmen Hilfsgüter und Freiwillige in die Erdbebengebiete gebracht. Aus den Gebieten evakuierte Opfer finden in Sporthallen eine vorübergehende Bleibe. Zahlreiche Beherbergungsbetriebe kündigten an, dass Erdbebenopfer kostenlos in ihren Hotels und Herbergen übernachten können.
Präsident Recep Tayyip Erdoğan verhängte am Dienstag über zehn Provinzen einen dreimonatigen Ausnahmezustand. Dies soll helfen, die erforderlichen Such- und Rettungsmaßnahmen und weitere erforderliche Veranlassung effektiver durchführen zu können. Zudem solle der Schritt Plünderungen oder Bestrebungen entgegenwirken, durch Falschinformationen ein soziales Chaos hervorzurufen.
Armee, Gendarmerie und Küstenwache unterstützen den Rettungseinsatz
Insgesamt seien derzeit 53.317 Such- und Rettungskräfte sowie Hilfskräfte im Erdbebengebiet im Einsatz, betonte der Präsident. Insgesamt hätten 54.000 Zelte, 102.000 Betten und andere Hilfsgüter die betroffenen Gebiete erreicht.
Fast 1.000 Krankenwagen, 241 Notärzteteams und 5.000 medizinische Mitarbeiter sowie zwei Ambulanzflugzeuge seien mittlerweile ebenfalls im Katastrophengebiet verfügbar. Dazu kämen die Einsätze von Armee und Gendarmerie. Erdoğan äußerte dazu:
Neben Tausenden von Mitarbeitern beteiligen sich die türkischen Streitkräfte mit allen ihren Gerätschaften, darunter zehn Schiffen und 54 Frachtflugzeugen, an den Arbeiten. Unsere Gendarmerie ist mit Tausenden von Fachleuten und 26 Frachtflugzeugen im Katastrophengebiet im Einsatz, und unsere Küstenwache mit ihren Schiffen und Booten.“
Die Regierung habe den Institutionen 100 Milliarden Türkische Lira (circa 4,9 Milliarden Euro) für Soforthilfe und Unterstützungsmaßnahmen zur Verfügung gestellt. Erdoğan rief auch Bürger und Unternehmen dazu auf, die AFAD mit Spenden zu unterstützen.
Verheerendes Erdbeben in Kahramanmaraş schon vor 500 Jahren
Unterdessen steigt die Unsicherheit bezüglich möglicher weiterer Erdbeben. Wie der italienische Geophysiker Carlo Doglioni erklärte, sei die Zerstörungskraft des Bebens enorm gewesen, da in nur 30 bis 40 Sekunden eine extrem große Energiemenge freigesetzt wurde.
Die „abnormale“ Intensität sei bedingt durch Energie, die sich in der Region über 500 Jahre hinweg angesammelt habe. Ein Erdbeben dieser Stärke habe sich zuletzt vor 500 Jahren im Bezirk Pazarcık in Kahramanmaraş ereignet. Dort war das Epizentrum des ersten Bebens. Vor einem halben Jahrtausend habe das damalige Beben Historikern zufolge 300.000 Todesopfer gefordert. Die Rede war von einer „Katastrophe kosmischen Ausmaßes“ gewesen.
Süleyman Pampal, ein Experte der Gazi-Universität in Ankara, erklärte, das Bebengebiet sei eine der gefährlichsten Regionen des Landes. Dort überschnitten sich gleich drei tektonische Platten. Eine erste Analyse der Daten des Erdbebens in Kahramanmaraş ergab, dass die Erdbebenbeschleunigung das Zweifache der Erdbeschleunigung betragen habe. Pampal dazu:
Das bedeutet, dass die zerstörerische Wirkung ungewöhnlich groß ist.“
Einige Experten gehen davon aus, dass zwei Erdbeben dieser Stärke weitere Verwerfungen im Untergrund auslösen könnten. Dies könnte zur Folge haben, dass ihre Nachbeben mindestens zwei Jahre andauern könnten.
Internationale Welle der Hilfsbereitschaft
Zusätzlich zu den heimischen Bemühungen haben weltweit 65 Länder Hilfsteams in die Türkei gesandt. Darunter seien unter anderem etwa 3.000 Spezialisten für Suche und Bergung. Neben eng mit der Türkei verbundenen Ländern wie Aserbaidschan oder Albanien haben sich auch 19 EU-Länder bislang am Hilfseinsatz beteiligt.
Hilfsmannschaften kamen zudem aus Ländern wie den USA, Israel, Japan, Australien, Südkorea, Taiwan, Indien, Pakistan, China, Armenien, Usbekistan oder der Russischen Föderation. Auch Auslandstürken haben in ihren Aufenthaltsländern Hilfsprogramme initiiert.
Mehrere gemeinnützige Organisationen von Diakonie und Caritas über den Malteser Hilfsdienst, DITIB oder das DRK haben in Deutschland Spendenaktionen für Betroffene ins Leben gerufen.
Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) hat in diesem Zusammenhang eine Liste von Organisationen erstellt, die es als „besonders förderungswürdig“ einstuft. Auch diese sammeln derzeit für die Opfer der Erdbeben in der Türkei und in Syrien.
(Mit Material der dpa)
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