Stopp der Beitrittsverhandlungen: Türkei-Bericht sorgt bereits im Vorfeld für Diskussionen
Zur Veröffentlichung des neuen Türkei-Berichts der EU-Kommission fordern Europaabgeordnete einen Stopp der Beitrittsverhandlungen mit dem Land.
Der CSU-Politiker Markus Ferber warf dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vor, den gescheiterten Putsch „in einer maßlosen Art und Weise für einen kompletten Umbau des Staates“ zu nutzen.
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament, Ska Keller, sagte der Zeitung „Heilbronner Stimme“, die EU und auch die Mitgliedstaaten müssten sich jetzt gegenüber der Türkei deutlich verhalten. „Die Beitrittsverhandlungen sollten ausgesetzt werden, bis sich die Lage verbessert.“ Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok, der Vorsitzender des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten ist, hatte sich dafür bereits vor einigen Tagen ausgesprochen.
Der jährliche Bericht zu den EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wird heute in Brüssel veröffentlicht. Die EU-Kommission wird darin erneut scharfe Kritik an der Menschenrechtssituation und dem Vorgehen der Regierung in Ankara gegen Oppositionelle und Medien üben.
Bereits am Dienstag hatten die EU-Staaten die Festnahme von „Cumhuriyet“-Journalisten und Politikern der Oppositionspartei HDP als „äußerst besorgniserregende Entwicklungen“ bezeichnet. Diese schwächten das Rechtsstaatsprinzip und beeinträchtigten die parlamentarische Demokratie, hieß es in einer Stellungnahme.
Eine Empfehlung der EU-Kommission, die Beitrittsgespräche mit der Türkei zu unterbrechen, wird dennoch nicht erwartet. Ein solcher Schritt könnte aus Brüsseler Sicht die Vereinbarungen zur Flüchtlingskrise gefährden. Sie gelten als ein Grund dafür, dass derzeit deutlich weniger Migranten nach Europa kommen.
Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer (CSU) forderte angesichts der Verhaftungen von Oppositionellen und Journalisten finanzielle Konsequenzen für Ankara. Die Europäische Union müsse prüfen, ob sie weiter in geplanter Höhe der Türkei dafür Geld zahle, demokratische Strukturen zu stärken, sagte Singhammer der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Die Summen für die sogenannte Heranführungshilfe an die EU beliefen sich für die Türkei von 2007 bis 2016 auf insgesamt rund 6,7 Milliarden Euro, davon mehr als 1,35 Milliarden Euro aus Deutschland.
Vor zunehmenden Spannungen zwischen Türken und Kurden nach der Verhaftungswelle in Deutschland warnt das Bundesinnenministerium. Eine Sprecherin sagte der Online-Ausgabe der „Mitteldeutschen Zeitung“, dass bereits infolge des Putschversuches ein außergewöhnlich hohes Emotionalisierungs- und Mobilisierungspotential bei türkischen und kurdischen Personen insgesamt in Deutschland festgestellt worden sei. Das weitere Verhalten dieser Gruppen in Deutschland – zum Beispiel nationalistisch gesinnte Türken versus PKK-nahe Kurden und linksgerichtete Türken – sei abhängig von der Lageentwicklung in der Türkei.
Die EU-Kommission bewertet in ihren Bericht neben den Entwicklungen in der Türkei auch die Lage in den Balkanländern Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien. (dpa)
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