Türkei bedroht Griechenland – Will Erdogan das Osmanische Reich wiederbeleben?
In jüngster Zeit mehren sich die Provokationen der Türkei gegen Griechenland. Verletzungen des griechischen Luftraums, durch die türkische Luftwaffe, ein gerammtes Patrouillenboot, ein durch türkische Kriegsschiffe blockiertes Bohrschiff und zwei verhaftete griechische Grenzsoldaten sind deutliche Zeichen für eine Politik, die den Grenzverlauf im ägäischen Meer revidieren will.
Die Ansicht, dass viele der zu Griechenland gehörenden Inseln zur Türkei gehören würden, beschränkt sich nicht auf die türkische Regierungspartei AKP, sondern ist auch in der kemalistischen Oppositionspartei CHP verbreitet. Diese Ansicht hat ihre historischen Wurzeln in der Zeit des Untergangs des osmanischen Reichs.
Die Türkei als Verbündeter und Wirtschaftspartner der Deutschen im 1. Weltkrieg, musste als Kriegsverlierer starke Gebietsverluste hinnehmen (Vertrag von Sèvres 1920). Nach dem türkisch-griechischen Krieg wurden im Vertrag von Lausanne (1923) der heutige Grenzverlauf und die Zugehörigkeit fast aller Inseln der Ägäis geregelt.
Die Dodekanes-Inselgruppe die in Folge des türkisch-italienischen Krieges zu Italien gehörte, wurde 1946 als Kriegsfolge des 2.Weltkriegs, an Griechenland übergeben.
Historischer Hintergrund
Es herrscht bei vielen Türken auch heute noch die Ansicht, dass die heutige Türkei einen Geburtsfehler hat, den Verlust von Herrschaftsgebieten in Europa und Arabien.
Bei der Staatsgründung der heutigen Türkei 1923, hatte sie viele Gebiete, die durch den Vertrag von Sèvres (1920) verloren gingen zurückerobert oder auf dem Verhandlungsweg zurückerhalten. Im Vergleich zur Rumpftürkei (zwei Provinzen am Schwarzen Meer) die 1920 verblieb, ist das Staatsgebiet der heutigen Türkei mehr als doppelt so groß. Insbesondere am südöstlichen Rand des Landes meint man aber immer noch berechtigte Gebietsansprüche zu haben.
Die Türkei nach dem Vertrag von Sèvres 1920. Diverse Besatzungszonen und Abspaltungen Quelle: Wilimedia unter Creative Commons Lizenz
Auch bei der Zugehörigkeit diverser ägäischer Inseln sind die Verträge an einigen Stellen sehr verschieden auslegbar. Auch Zypern, das seit 1960 eine unabhängige Republik ist, wurde 1974, angeblich zum Schutz der dort lebenden Türken zur Hälfte von der Türkei besetzt, als Reaktion auf den Versuch der griechischen Militärjunta Zypern an Griechenland anzuschließen.
Das osmanische Reich, auch religiös begründet
Die Türken haben als Besatzer und Eroberer einst den griechisch-byzantinischen Herrschaftsbereich übernommen und viele der südosteuropäischen Staaten im Laufe der Jahre zu tributpflichtigen Vasallen gemacht. Der Herrschaftsanspruch der Türken, über diese Länder wurde mit dem Kalifat der Osmanenherrscher, seit dem 16. Jahrhundert, begründet.
Der Kalif hat nach muslimisch-theokratischem Staatsverständnis als „Beherrscher und Beschützer der Gläubigen“ (zumindest der Sunniten) nicht nur das Recht, sondern sogar die religiöse Pflicht gehabt den Islam zu verbreiten und sei es mit Feuer und Schwert. Unterworfene Länder, die es vorzogen christlich zu bleiben, wurden mit einer besonderen Tributpflicht belegt. Auch die Herrschaft über weite Teile Arabiens wurde durch das Kalifat gerechtfertigt.
Südosteuropa; immer mehr Staaten wurden unabhängig, mit aktiver Hilfe westeuropäischer Mächte
Seit der Unabhängigkeit Griechenlands 1830 fühlte man sich insbesondere durch Frankreich, Großbritannien und Russland betrogen und übervorteilt, da sie maßgeblich daran beteiligt waren, dass Griechenland unabhängig und tributfrei wurde. Auch weitere europäische Länder befreiten sich im Laufe des 19. Jahrhunderts von der türkischen Herrschaft und eine der drei Mächte war immer beteiligt. Die Ablösung der ehemaligen arabischen Gebiete, wurde massgeblich durch die Briten unterstützt und beeinflußt.
Erdogan spielt die „osmanische Karte“ aus
Es ist eine tiefsitzende Überzeugung bei vielen Türken, dass die Inseln in unmittelbarer Küstennähe rechtmäßig zur Türkei gehören. Das sehen die Griechen mit Verweis auf ihre Geschichte und historische Rolle in der Ägäis anders. Im Augenblick begnügen sich beide Seiten damit der anderen kleine Nadelstiche zu verpassen und markige Reden zu schwingen, die aber haben es in sich. In einem Artikel der „ekathimerini“ werden beispielhaft Auszüge aus Reden des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und die Erwiderungen des griechischen Verteidigungsministers Panos Kammenos gegenübergestellt.
Erdogan sagte kürzlich: „Wir werden definitiv die große Türkei bauen. Wenn nötig, werden wir unser Leben geben. Wenn nötig, werden wir Leben nehmen.“
„Wir werden die Wunden in unseren Herzen nicht vergessen, die durch die künstlichen Grenzen verursacht wurden, die sie gezogen haben“, so der Staatschef. Und: „Nach Afrin kommt die Auferstehung.“
„Diejenigen, die glauben, dass unsere Ausführungen Bluffs oder leere Rhetorik sind, werden sehen, dass sie einen tödlichen Fehler machen“, sagte Erdogan und fügte hinzu, dass seine Aussagen die „Entschlossenheit der Türkei, der Politik des Staates und der Gefühle des Volkes“ widerspiegeln. „Wir werden Erfolg haben, oder wir werden sterben.“
Nur wenige Stunden später konterte der griechische Verteidigungsminister Kammenos, anlässlich des Unabhängigkeitstages am 25.März: „Wir werden jeden vernichten, der es wagt, unsere nationale Souveränität in Frage zu stellen.“
„Wer an große osmanische Reiche denkt, sollte sich an 1821 erinnern. Wie das griechische Volk dem osmanischen Reich gegenüberstand und es zerstörte“, so Kammenos weiter. Und: „Unsere Streitkräfte sind bereit, sich jeder Herausforderung zu stellen, die die territoriale Integrität des Landes betrifft.“
Wie man sieht, wird das Thema von beiden Seiten nach außen sehr emotional behandelt und beide Seiten rufen als Zeugen die Geschichte an, was eine einvernehmliche Regelung für beide Seiten schwierig macht.
Die Wirtschaft hat es in beiden Ländern schwer und einen außenpolitischen Gesichtsverlust können sich weder die griechische noch die türkische Regierung leisten. Letzten Endes sollte man auch hier einfach mal die Frage stellen, „Wem nutzt es?“
Praktischer Hintergrund
Viele der zu Griechenland gehörenden Inseln liegen nur wenige Kilometer von der türkischen Festlandsküste entfernt. Die Verträge, die die Zugehörigkeit der Inseln regeln, sind an einigen Stellen verschieden interpretierbar. Das hat weitreichende Folgen in Bezug auf das Seerecht und die Ausbeutungsrechte rund um die Inseln. Anzumerken ist auch, dass einige der umstrittenen Inseln, weder von Griechen noch von Türken jemals wirklich genutzt wurden, da sie viel zu klein und karg sind.
Die Karte zeigt sehr deutlich, wie kompliziert die Situation ist. Die Ägäis ist praktisch griechisch und überlappende Territorialansprüche reichen bis in das östliche Mittelmeer.
Die ägäischen Inseln. Die griechisch-türkische Seegrenze ist teilweise markiert. Quelle: Wikimedia, Creative Commons Lizenz
Das blockierte Bohrschiff sollte nach Öl- und Erdgasvorkommen suchen. Im Raum der Ägäis und nahe Zypern werden größere Erdgas- und Erdölvorkommen vermutet. Wenn Griechenland durch die Inseln seine Territorialansprüche, auch auf den umliegenden Meeresgrund, aufrecht erhalten kann, haben die Griechen das Ausbeutungsrecht und die Türken das Nachsehen.
Nun stellt sich die Frage, worum es wirklich geht, nationale Ehre, historische begründbare Ansprüche, Souveränitäts- oder Bohrrechte. Das Thema wird durch die Verquickung von Wirtschaftsinteressen und Nationalstolz auf beiden Seiten nicht einfacher. Wo es hinführt ist kaum vorhersehbar.
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