Trumps Gaza-Plan löst in arabischer Welt Schockwelle aus – nur Bluff oder Wirklichkeit?

Der Vorschlag von Präsident Trump, dass die USA den Gazastreifen übernehmen sollten, löste weltweite Reaktionen aus. Die arabische Welt, die lange teilnahmslos zusah, zeigt sich jetzt öffentlich schockiert. Hat Tumps Plan eine Chance oder ist er nur eine Maximaldrohung, um arabische Staaten zu zwingen, für Gaza endlich eine eigene Lösung zu finden?
Die Menschen im zerstörten Gazastreifen sind weiter auf humanitäre Hilfe angewiesen. (Archivbild)
Der zerstörte Gazastreifen sind weiter auf humanitäre Hilfe angewiesen.Foto: Abed Rahim Khatib/dpa
Von 6. Februar 2025

Der amerikanische Präsident Donald Trump hatte am 4. Februar nach einem Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu in Washington angekündigt, die USA sollten Gaza übernehmen und es in eine „Riviera des Nahen Ostens“ transformieren. Zuvor müssten jedoch die dort lebenden Palästinenser (und Hamas-Terroristen) in Nachbarländer umgesiedelt werden.

Aufgrund der transatlantischen Zeitverschiebung dauerte es einige Stunden, bis am 5. Februar Reaktionen auf diesen für alle Welt überraschenden Vorschlag erfolgten. Die Nachrichtenagentur Reuters verbreitete, „dieser schockierende Vorstoß“ sei „von internationalen Mächten wie Russland, China und Deutschland zurechtgewiesen worden“. Diese drei „Mächte“ kritisierten, dass Trumps Vorschlag „neues Leid und neuen Hass“ bringen würde. Das sagen die wesentlichen arabischen Akteure und Staatsvertreter zu Trumps Vorschlag:

Hamas: „Öl ins Feuer“

Die in erster Linie betroffene Hamas nannte in einer ersten Reaktion Trumps Idee „ein Rezept, um Chaos zu erzeugen“ und behauptete, die Menschen in Gaza würden ihre Vertreibung nicht zulassen, wie der reichweitenstarke katarische TV-Sender „Al Jazeera“ berichtete.

Der Hamas-Vertreter Sami Abu Zuhri bezeichnete Trumps Umsiedlungsplan gegenüber „Al Jazeera2″ als „Aufruf zur ethnischen Säuberung“. Trumps Äußerungen seien „absurd“ und würden „die Region in Aufruhr versetzen“, sagte Abu Zuhri. Ein weiterer Hamas-Vertreter, Izzat el-Reshiq, gab sich überzeugt, der Vorschlag „wird nur Öl ins Feuer gießen“.

Abbas: Gründung eines palästinensischen Staates

Präsident Mahmoud Abbas von der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) im Westjordanland wurde von zahlreichen arabischen Medien mit den Worten zitiert: „Wir werden keine Verletzung der Rechte unseres Volkes zulassen, für deren Verwirklichung wir jahrzehntelang gekämpft und große Opfer gebracht haben.“

Und er wiederholte die seit Jahrzehnten vertretene palästinensische Position: „Frieden und Stabilität werden in der Region ohne die Gründung eines palästinensischen Staates mit Jerusalem als Hauptstadt in den Grenzen von 1967 auf der Grundlage der Zwei-Staaten-Lösung nicht erreicht werden.“ Er fügte nicht hinzu, dass dieser Einstellung bislang kein Erfolg beschieden war.

Jordanien: König Abdullah reist nach Washington

Jordaniens König Abdullah II. empfing unmittelbar nach Bekanntwerden von Trumps Plan für Gaza den PA-Präsidenten Mahmoud Abbas in Amman und bekräftigte laut der saudischen Tageszeitung „Arab News“ die Unterstützung seines Königreichs für die Palästinenser.

Abdullah II. unterstrich in einer Mitteilung der jordanischen Presseagentur „Petra“ zudem das „legitime Recht der Palästinenser“, einen eigenen Staat auf der Grundlage der Grenzen von vor 1967 zu gründen, zu denen das Westjordanland, der Gazastreifen und Ostjerusalem zählten.

Jordanien hat in den vergangenen 70 Jahren zahlreiche palästinensische Flüchtlinge aufgenommen. Inzwischen besteht mindestens die Hälfte der jordanischen Bevölkerung aus Palästinensern. Dies führt in der jordanischen Stammesgesellschaft häufig zu Konflikten. Im Jahr 1970 lösten in Jordanien 100.000 bewaffnete Palästinenser am 16. September einen als „Schwarzer September“ bezeichneten Bürgerkrieg aus, mit Attentatsversuch auf den König und dem Versuch, das Königreich Jordanien gewaltsam zu übernehmen. Dieser Versuch scheiterte, gilt aber dem Königshaus seither als Warnung. Dies ist der Hintergrund für die seit Jahren praktizierte Weigerung Jordaniens, keine weiteren Palästinenser aufzunehmen.

„Arab News“ kündigte an, dass König Abdullah II. am 11. Februar auf Einladung Trumps nach Washington reisen werde. Dort dürfte er Trump seine Sorgen mitteilen, warum sich zumindest Jordanien nicht an einer Umsiedlungsaktion für Palästinenser aus Gaza beteiligen kann.

Ägypten: Kein Interesse an Hamas-Kämpfern

Der ägyptische Außenminister Badr Abdelatty forderte am 5. Februar die PA in Ramallah auf, den Gazastreifen zu übernehmen und zu regieren. Bei einem Treffen mit dem PA-Premierminister in Kairo bekräftigte der ägyptische Außenminister, sein Land sei bestrebt, dass die PA ihre Aufgaben im Westjordanland auf den Gazastreifen „als Teil der besetzten palästinensischen Gebiete“ ausweite, hieß es laut „Middle East Eye“ in einer Erklärung des ägyptischen Außenministeriums.

Ägypten wehrt sich ebenso wie Jordanien, weitere palästinensische Flüchtlinge aufzunehmen. Auf der Sinai-Halbinsel gibt es bereits große Flüchtlingslager, die vom ägyptischen Militär bewacht werden. Der ägyptische Staatschef Abd al-Fattah as-Sisi hat Sorge, dass sich Palästinenser den seit Jahren aus den Wüsten des Sinai heraus operierenden islamistischen Terrorgruppen anschließen könnten.

Immerhin waren schon einmal im Jahr 2011 Hamas-Kämpfer aus dem Gazastreifen in den Sinai eingedrungen und hatten dort eine Terrorzelle namens IS-Sinai gegründet. Bis heute gibt es auf dem Sinai jihadistische Gruppen. Insofern hat as-Sisi kein Interesse daran, freiwillig Hamas-Kämpfer aus Gaza aufzunehmen.

Saudi-Arabien: „Nicht verhandelbar“

Das saudi-arabische Außenministerium verbreitete am 5. Februar auf X seinen seit Jahren bekannten Standpunkt, dass die Haltung des Königreichs zur Gründung eines palästinensischen Staates „fest und unerschütterlich“ sei. Die offizielle Erklärung des Königshauses machte deutlich, dass Saudi-Arabien ohne die Gründung eines Palästinenser-Staates „keine diplomatischen Beziehungen zu Israel aufnehmen“ werde.

Außerdem werde jeglicher Versuch, „das palästinensische Volk aus seinem Land zu vertreiben“, abgelehnt. Diese Position sei für Saudi-Arabien „nicht verhandelbar“, heißt es in der Erklärung.

Iran vertritt gegenüber USA eigene Interessen

Gegenüber Reuters äußerte sich ein nicht namentlich genannter „hoher Beamter“ aus Teheran. Dessen Stellungnahme gegenüber der Nachrichtenagentur wurde in zahlreichen arabischen Medien weiterverbreitet. Gegenüber dem Trump-Vorschlag für Gaza zeigte er sich verhalten und stellte zunächst eigene Interessen in den Vordergrund.

Der Iran sei bereit, der Trump-Diplomatie „eine weitere Chance“ zu geben. Der Iran sei zudem zur Beilegung der Streitigkeiten zwischen beiden Staaten bereit. Der Offizielle gab weiterhin an, Teheran sei zwar mit „jeder Vertreibung von Gaza-Bürgern nicht einverstanden“ und habe dies „über verschiedene Kanäle kommuniziert“. Jedoch seien die Gespräche zwischen dem Iran und den USA „eine separate Angelegenheit“.

Zu lange gewartet: Arabische Hilflosigkeit

Keiner der Kritiker des Trump-Plans, egal in welchem Land, konnte bisher einen Lösungsvorschlag unterbreiten, der irgendetwas erreicht hätte. Vor allem die arabischen Staaten hielten sich seit Jahrzehnten vollkommen bedeckt mit einer eigenen Gaza-Friedensinitiative oder mit einem Lösungsvorschlag für einen Palästinenser-Staat, der hätte realistisch umgesetzt werden können. Kein arabischer Staat hat je versucht, Druck gleichermaßen auf Palästinenser und Israelis auszuüben.

Die einseitige Solidarität mit den palästinensischen „Brüdern“ ist in allen 22 arabischen Staaten Staatsräson, wie jetzt wieder aus den zahlreichen Solidaritätsbekundungen hervorging. Alte Standpunkte, keine neuen Lösungsvorschläge.

Deshalb ist die öffentlich geäußerte Empörung in weiten Teilen der arabischen Welt über Trumps Vorschlag auch ein stückweit als Hilflosigkeit zu werten. Der Vorschlag an sich, alle Palästinenser aus dem Gazastreifen in arabische Nachbarländer umzusiedeln, ist nicht neu. Er wurde schon vor Jahren in Israel von sogenannten „Rechtsaußen-Israelis“ geäußert, galt aber selbst dort als unrealistisch.

Dass nun ein amerikanischer Präsident diese Idee als Möglichkeit für eine dauerhafte Friedenslösung aufgreift und vor allem, dass er den Eindruck erweckt, er meine es ernst damit, das ist der eigentliche Auslöser für die in der Presse als „Schockwelle“ bezeichnete Überraschung – vor allem für die arabische Region. 

Ist Trumps Plan ernst zu nehmen?

Dennoch bleibt zunächst noch unklar, ob Trump seinen umstrittenen Vorschlag wirklich durchsetzen will oder ob er lediglich eine extreme Position als Verhandlungsstrategie einnimmt, um die zaudernden Akteure vor Ort zum Handeln zu zwingen.

Einige langjährige Nahostexperten halten die Übernahme des Gazastreifens durch die USA für „weltfremd“. Dem ist entgegenzuhalten, dass alle scheinbar „realistischen“ Vorschläge seit 1967 dazu geführt haben, dass die Hamas am 7. Oktober 2023 den schlimmsten Terroranschlag auf Israel in dessen Geschichte ausüben konnte. Zudem ist die Zivilbevölkerung Gazas aufgrund der korrupten und brutalen Herrschaft der Hamas bettelarm geblieben. Damit dies nicht weiterhin so bleibt, bedarf es tatsächlich völlig neuer Wege, die nicht von Bedenkenträgern nassforsch abgetan werden sollten.

Trump hat am 5. Februar angekündigt, er plane, Gaza, Israel und Saudi-Arabien zu besuchen, ließ aber offen, wann er reisen werde. Ein „Blick ins Gelände“, wie Militärs das nennen, führt stets zu Erkenntnissen, die sich mit Schreibtischwissen allein nicht gewinnen lassen.

Über den Autor:

Tom Goeller ist Journalist, Amerikanist und Politologe. Als Korrespondent hat er in Washington, D.C., und in Berlin gearbeitet, unter anderem für die amerikanische Hauptstadtzeitung „The Washington Times“. Seit April 2024 schreibt er unter anderem für die Epoch Times.

 

 



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