Trudeau-Nachfolger: Mark Carney soll Kanada führen

Der ehemalige Zentralbankchef Mark Carney soll Kanada als Nachfolger von Premierminister Justin Trudeau durch wirtschaftlich turbulente Wochen und in voraussichtliche Neuwahlen führen.
Der 59 Jahre alte Ökonom setzte sich bei der Wahl zum Vorsitzenden der Liberalen Partei sehr klar mit 85,9 Prozent der abgegebenen Stimmen durch. Seine größte Konkurrentin, die frühere Finanzministerin Chrystia Freeland, kam auf ein Ergebnis von acht Prozent.
Erste Rede: Neue Beziehungen zur USA aufbauen
In seiner ersten Rede als Parteichef kündigte Carney mit Blick auf die Beziehungen mit den USA an, „neue Handelsbeziehungen mit zuverlässigen Handelspartnern aufbauen“ zu wollen. Die Vergeltungszölle gegen die USA werde er aufrechterhalten, „bis die Amerikaner uns Respekt erweisen“.
„Die Amerikaner wollen unsere Ressourcen, unser Wasser, unser Land“, sagte Carney bei seiner Siegesrede. Er verwies darauf, dass Trump „kanadische Arbeiter, Familien und Unternehmen“ angreife. „Wir können nicht zulassen, dass er Erfolg hat.“ Um dies zu verhindern, müsse Kanada „eine neue Wirtschaft aufbauen und neue Handelsbeziehungen schaffen“.
Mit der Führung der Partei übernimmt der ehemalige Chef der britischen und kanadischen Zentralbanken zumindest vorläufig auch das Amt des Ministerpräsidenten von Trudeau. In wenigen Wochen dürfte es dann Neuwahlen im zweitgrößten Flächenland der Welt geben.
An der Abstimmung hatten knapp 152.000 der etwa 400.000 Mitglieder der Liberalen Partei, die Kanada seit dem Zweiten Weltkrieg mehr als 50 Jahre lang regiert hat, teilgenommen.
Krisenerfahrener Bankmanager
Carney war mit einer wirtschaftsorientierten, zentristischen Agenda ins Rennen um den Parteivorsitz gegangen. Einer Umfrage des Senders „CTV News“ zufolge glauben 40 Prozent der Kanadier, dass Carney der beste Politiker für Verhandlungen mit Trump wäre – deutlich mehr als die 26 Prozent Zuspruch für den Vorsitzenden der Konservativen und seinen größten innenpolitischen Gegenspieler, Pierre Poilievre.
Carney wird auch deshalb als kompetent gesehen, weil er reichlich Erfahrung im nationalen und internationalen Krisenmanagement hat: Während der Finanzkrise leitete der in der Provinz Alberta im Westen Kanadas groß gewordene Hundefreund ab 2008 die Zentralbank seines Heimatlandes.
Die verhältnismäßig gute Erholung Kanadas in den Folgejahren wird auch Carney zugeschrieben. Während des Brexits war er Zentralbankchef in Großbritannien, bis zum Januar dieses Jahres dann UN-Sondergesandter für Klimafinanzierung.

Der ehemalige Chef der Zentralbanken von Kanada und Großbritannien gilt als erfahrener Krisenmanager. Foto: Chris J Ratcliffe/PA Wire/dpa
Der Liberale verspricht eine grundlegende Reform der Wirtschaft mit Steuererleichterungen für die Mittelschicht und den Abbau bürokratischer Hürden sowie einer stärkeren Förderung von Innovation und Investitionen.
Carney plädiert dabei für eine engere Zusammenarbeit mit Europa und Asien, um die Handelsabhängigkeit von den USA zu verringern.
Wie es nun weitergeht
Als nächstes muss Premierminister Trudeau mit Carney ein Datum für die Übergabe der Regierungsgeschäfte festlegen und formell zurücktreten. Dies dürfte in den kommenden Tagen passieren. Der neue Premier wird möglicherweise das Kabinett anpassen wollen, wobei bestehende Minister angesichts der bald erwarteten Neuwahl auch im Amt bleiben könnten.
Das Parlament in Ottawa tagt wieder am 24. März. Für diesen Tag plant die Opposition ein Misstrauensvotum, was Neuwahlen in den kommenden Monaten auslösen dürfte.
Carney könnte auch bereits vor diesem Termin seine Minderheitsregierung für gescheitert erklären und Neuwahlen ausrufen. Taktisch sehen Beobachter dies als möglicherweise klugen und proaktiven Zug, weil die Liberalen in den Umfragen zuletzt deutlich zulegten.
Monatelang hatte ein Machtwechsel hin zu den Konservativen unter Poilievre als sehr wahrscheinlich gegolten. Die Rücktrittsankündigung Trudeaus und die außerordentliche Bedrohungslage durch Trump änderte die Stimmung im Land. In Wahlumfragen erlebte die Liberale Partei einen starken Aufschwung und hat den Abstand zu den Konservativen deutlich verkürzt.
Die Wahl Carneys markiert auch das Ende der Ära von Trudeau, der nach mehr als neun Jahren als Premierminister abtritt. Trudeau war nach einer Reihe von Reformen und der Modernisierung Kanadas in den vergangenen Jahren unter anderem wegen steigender Preise, wenig Wohnraum und nicht gehaltener Wahlversprechen immer unbeliebter geworden. (dpa/red)
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