Trotz schwerer Niederlage vor Gericht: Britische Regierung hält an Brexit-Zeitplan fest
Die britische Premierministerin Theresa May hält trotz der schweren Niederlage vor Gericht an ihrem Zeitplan für den EU-Ausstieg Großbritanniens fest.
Die von ihr selbst gesetzte Frist für den Start der Austrittsverhandlungen im Frühjahr bleibe „unverändert“, sagte May am Freitag bei Telefonaten unter anderem mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Auch Außenminister Boris Johnson sieht in dem Gerichtsurteil kein Hindernis für den britischen EU-Austritt.
Der High Court in London hatte am Donnerstag entschieden, dass die britische Regierung die Brexit-Verhandlungen nicht im Alleingang starten darf, sondern die Zustimmung des Parlaments einholen muss. May hatte zuvor angekündigt, den Startschuss für den EU-Ausstieg bis spätestens Ende März geben zu wollen. Dies könnte sich durch das Gerichtsurteil nun verzögern. Eine Blockade des gesamten Austrittsprozesses durch die Parlamentarier ist allerdings unwahrscheinlich.
May äußerte sich in den Telefonaten mit Juncker, Merkel, Frankreichs Staatschef François Hollande sowie EU-Ratspräsident Donald Tusk „enttäuscht“ über die Gerichtsentscheidung, wie ihr Büro mitteilte. Sie bekräftigte zudem, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. Für die Verhandlung vor dem Obersten Gerichtshof, dem Supreme Court, habe ihre Regierung „starke rechtliche Argumente“.
Johnson sagte bei einem Besuch in Berlin, das britische Volk habe „entschieden, die EU zu verlassen“ – das werde nun umgesetzt. Das Urteil zum Brexit sei nur „ein Schritt in einem rechtlichen Prozess“, sagte Johnson nach Beratungen mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD).
Steinmeier bekräftigte, dass auch die Bundesregierung das Brexit-Votum der Briten respektiere. Wichtig sei nun, schnell die Voraussetzungen für den Beginn der Austrittsverhandlungen zu schaffen. „Eine Hängepartie bringt keiner Seite etwas.“
Die Briten hatten im Juni mit knapper Mehrheit für den Austritt aus der EU gestimmt. Der High Court entschied jedoch, dass May nicht befugt ist, den Beginn der Brexit-Verhandlungen ohne Parlamentsvotum zu erklären. Sobald Artikel 50 der EU-Verfassung aktiviert ist, hat Großbritannien zwei Jahre Zeit, mit der EU die Trennungsmodalitäten auszuhandeln.
Die EU hatte die britische Regierung von Anfang an dazu gedrängt, den Austrittsprozess rasch zu starten. Die Abgeordneten im Londoner Unterhaus, die sich vor dem Referendum mehrheitlich für einen Verbleib in der EU ausgesprochen hatten, könnten das Verfahren nun zusätzlich in die Länge ziehen: Sie könnten etwa mehr Informationen über die Verhandlungsstrategie der Regierung und ein Bekenntnis zu weiterhin engen Beziehungen zu den EU-Partnern einfordern.
Der ehemalige Vize-Premierminister Nick Clegg von den Liberaldemokraten kündigte bereits an, sich zusammen mit anderen EU-freundlichen Abgeordneten für einen „weichen“ EU-Austritt einzusetzen. Ein „harter“ Brexit würde bedeuten, dass Großbritannien sich vollständig aus dem EU-Binnenmarkt zurückzieht.
Die EU-Kommission erklärte am Freitag lediglich, dass die Briten allein über den Start der Verhandlungen entscheiden müssten. Der Brexit sei momentan „eine britische Angelegenheit“, sagte eine Kommissionssprecherin in Brüssel. „Der Zeitplan liegt in den Händen der britischen Behörden.“
Ein Sprecher der US-Regierung forderte Großbritannien und die EU auf, sich weiter „flexibel“ zu zeigen und bei den Brexit-Verhandlungen „reibungslos, pragmatisch, transparent und produktiv“ zusammenzuarbeiten. (afp)
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