Top-General: „Vielleicht wird einmal die Frage gestellt, wer diesen Krieg nicht verhindern wollte“

In einem Interview mit der Zeitschrift „EMMA" hat sich der frühere Top-General Harald Kujat dazu geäußert, warum der Ukraine-Krieg schon im März 2022 hätte beendet werden können. Dass es nicht so gekommen ist, liegt seiner Ansicht nach auch an westlichen Interessen – und an den deutschen Medien.
Titelbild
Der ehemalige NATO-General Harald Kujat bei einem Auftritt im September 2004 in Vilnius.Foto: PETRAS MALUKAS/AFP/Getty Images
Von 9. März 2023

Der Ukraine-Krieg könnte längst beendet sein. Das sagt zumindest der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, in einem Interview mit der feministischen Zeitschrift „EMMA“. Der General a. D. war von 2002 bis 2005 Vorsitzender des NATO-Militärausschusses. „Vielleicht wird einmal die Frage gestellt, wer diesen Krieg nicht verhindern wollte“, so Kujat.

Wirtschafts- und Informationskrieg

In dem Interview äußerte der vormals ranghöchste deutsche Soldat, dass der Ukraine-Krieg nicht nur eine militärische Auseinandersetzung, sondern auch ein „Wirtschafts- und Informationskrieg“ sei.

In diesem Informationskrieg könne man „zu einem Kriegsteilnehmer werden, wenn man sich Informationen und Argumente zu eigen macht, die man weder verifizieren noch aufgrund eigener Kompetenz beurteilen kann“, sagte der General im Hinblick auf die mediale Berichterstattung in Deutschland.

Kujat findet es weiter problematisch, dass in den Medien immer wieder „Experten“ zu Wort kämen, die über „keine sicherheitspolitischen und strategischen Kenntnisse und Erfahrungen verfügen“. Diese würden dann Meinungen äußern, die sie aus Veröffentlichungen anderer „Experten“ mit vergleichbarer „Sachkenntnis“ bezögen.

Der ehemalige Generalinspekteur vermutet, dass damit politischer Druck auf die Bundesregierung aufgebaut werden soll. „Die Debatte über die Lieferung bestimmter Waffensysteme zeigt überdeutlich die Absicht vieler Medien, selbst Politik zu machen“, so Kujat, der mehrere Jahre lang das Amt des Vorsitzenden des NATO-Russland-Rats und des Generalstabschefs der NATO-Ukraine-Kommission bekleidet hatte.

Es zeuge von einem Mangel an Verantwortungsbewusstsein, wenn man die Gefahren für Deutschland durch die mögliche Ausweitung und Eskalation des Krieges so wenig berücksichtige.

Verhandlungsfrieden wird immer schwieriger

Auf die Frage, wie Kujat die momentane Entwicklung in der Ukraine einschätze, sagte der General, dass es immer schwieriger werde, einen Verhandlungsfrieden zu erzielen, je länger der Krieg dauere. Die Annexion von vier ukrainischen Gebieten im September sei nur noch schwer rückgängig zu machen.

„Deshalb fand ich es so bedauerlich, dass die Verhandlungen, die im März in Istanbul geführt wurden, nach großen Fortschritten und einem durchaus positiven Ergebnis für die Ukraine abgebrochen wurden“, betonte Kujat im „EMMA“-Interview.

Russland habe sich in den Istanbul-Verhandlungen offensichtlich bereit erklärt, seine Streitkräfte auf den Stand vom 23. Februar zurückzuziehen, also auf den Tag vor dem Beginn des Angriffs auf die Ukraine. Genau das also, was heute immer wieder als Voraussetzung für Verhandlungen verlangt wird.

Der ranghohe Soldat berichtete weiter, dass sich die Ukraine damals verpflichtet habe, im Gegenzug auf eine NATO-Mitgliedschaft zu verzichten und keine Stationierung ausländischer Truppen oder militärischer Einrichtungen zuzulassen. Dafür sollte sie Sicherheitsgarantien von Staaten ihrer Wahl erhalten. Die Zukunft der besetzten Gebiete sollte innerhalb von 15 Jahren diplomatisch gelöst werden – unter ausdrücklichem Verzicht auf militärische Gewalt.

Nach Angaben von Kujat soll nach „zuverlässigen Informationen“ der damalige britische Premierminister Boris Johnson am 9. April in Kiew interveniert haben und eine Unterzeichnung eines solchen Vertrages verhindert haben. Seine Begründung sei damals gewesen, dass der Westen für ein Kriegsende nicht bereit sei.

Vor einigen Wochen hatte schon der damalige israelische Premierminister Naftali Bennett in einem Interview darüber gesprochen, dass der Frieden zwischen Russland und der Ukraine im März in Istanbul in greifbarer Nähe gewesen sei.

Kritik an deutschen Medien

Auf die Frage der „EMMA“, warum die deutschen Medien damals zwar über die Verhandlungen in Istanbul berichtet hatten, niemals aber über die Gründe des Scheiterns, entgegnete Kujat:

Es ist bekannt, dass die wesentlichen Inhalte des Vertragsentwurfs auf einem Vorschlag der ukrainischen Regierung vom 29. März beruhen. Darüber berichten inzwischen auch viele US-amerikanische Medien. Ich habe jedoch erfahren müssen, dass deutsche Medien selbst dann nicht bereit sind, das Thema aufzugreifen, wenn sie Zugang zu den Quellen haben.“

General a.D. Kujat sieht den Konflikt zwischen der Ukraine und Russland auch weitreichender als ein Konflikt zwischen zwei Staaten. Zwar kämpfe die Ukraine im Moment für ihre Freiheit und Souveränität, die beiden Hauptakteure in diesem Krieg seien aber Russland und die USA.

Die Ukraine kämpfe somit auch für die geopolitischen Interessen der USA. Deren erklärtes Ziel sei es, so Kujat, Russland politisch, wirtschaftlich und militärisch so weit zu schwächen, dass sie sich dem geopolitischen Rivalen zuwenden könnten, der als einziger in der Lage sei, die US-Vormachtstellung als Weltmacht zu gefährden: China.

Russland hingegen wolle verhindern, dass der geopolitische Rivale USA eine strategische Überlegenheit gewinne, die Russlands Sicherheit gefährde.

Gegenwärtiges Patt guter Zeitpunkt für Verhandlungen

Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr hält gerade jetzt den Zeitpunkt für gekommen, die abgebrochenen Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine wieder aufzunehmen: „Beide Kriegsparteien befinden sich gegenwärtig wieder in einer Pattsituation, die durch die Einschränkungen aufgrund der Jahreszeit verstärkt wird“, so Kujat.

Waffenlieferungen an die Ukraine würden nur das Gegenteil bewirken, nämlich „dass der Krieg sinnlos verlängert wird, mit noch mehr Toten auf beiden Seiten und der Fortsetzung der Zerstörung des Landes“. Deutschland laufe Gefahr, noch tiefer in diesen Krieg hineingezogen zu werden.

Der General habe im Hinblick auf Russland immer wieder die Erfahrung gemacht, dass man es mit einem harten Verhandlungspartner zu tun habe. „Aber wenn man zu einem gemeinsamen Ergebnis kommt, dann steht das und gilt auch.“

Putin immer wieder verhandlungsbereit

Kujat betonte, dass der russische Präsident immer wieder Verhandlungen angeboten habe: „Putin hat am 30. September, als er zwei weitere Regionen zu russischem Territorium erklärte, ausdrücklich wieder Verhandlungen angeboten. Er hat das zwischenzeitlich mehrfach getan“.

Jetzt sei es allerdings so, dass der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu Verhandlungen zwar nicht an Bedingungen geknüpft habe, aber Putin sozusagen die Latte höher gelegt habe. Der bringe nämlich immer wieder zum Ausdruck, dass er zu Verhandlungen bereit sei – doch das setze voraus, dass die andere Seite die Gebiete, die Russland annektiert habe, anerkennen würde.

Daran sehe man, dass sich die Positionen beider Seiten immer mehr verhärteten, je länger der Krieg dauere. „Denn Selenskyj sagte, er verhandle erst, wenn sich die Russen vollständig aus der Ukraine zurückgezogen hätten. Damit wird eine Lösung immer schwieriger, aber sie ist noch nicht ausgeschlossen“, so der General.

Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr hatte der NATO in der Vergangenheit schon mehrmals Versagen im Umgang mit Russland vorgeworfen. So sagte er laut „Welt“ anlässlich der Krim-Krise im Jahr 2014, dass das Bündnis „überhaupt keinen Beitrag zur Deeskalation“ geleistet habe.

„Die Nato hätte von Anfang an mit Russland verhandeln müssen, denn sie hat eine strategische Partnerschaft mit Russland“, so Kujat damals. Nach dem Grundlagenvertrag hätte der NATO-Russland-Rat einberufen werden müssen. Das sei nicht geschehen. „Es wird nun endlich Zeit, dass man sich zusammensetzt“, forderte General a.D. Kujat schon damals.



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