Tödlicher Helikopterabsturz im Iran: Unfall oder Sabotage?

Der tödliche Absturz von Irans Präsident Raisi in einem Regierungshubschrauber wird bislang als Unfall gehandelt. Chinas Regime deutet jedoch bereits Verschwörungserzählungen an. Kurzfristig rechnet niemand mit gravierenden Veränderungen im Machtgefüge in Teheran.
Titelbild
Rettungskräfte bergen den Leichnam eines Opfers an der Absturzstelle des Hubschraubers, der Präsident Ebrahim Raisi transportierte.Foto: Azin Haghihi/Moj News Agency/AFP via Getty Images
Von 20. Mai 2024

Seit Montagmorgen, 20.5., ist es auch vonseiten des Regimes in Teheran bestätigt: Der Präsident des Iran, Ebrahim Raisi, ist bei dem Hubschrauberabsturz nahe der Grenze zu Aserbaidschan ums Leben gekommen. Erste Kondolationen kamen von EU-Ratspräsident Charles Michel, aber auch von Russlands Präsident Wladimir Putin oder Chinas Machthaber Xi Jinping. Ihre Anteilnahme gegenüber den Angehörigen der Insassen äußerten unter anderem auch Indiens Premier Narendra Modi und der Präsident der Philippinen, Ferdinand Marcos jr.

In sozialen Medien hingegen gab es auch zahlreiche Äußerungen von Jubel und Schadenfreude. Zahlreiche X-Nutzer verwiesen auf die Tätigkeit Raisis im Dienste der Mullah-Justiz – und die damit verbundenen Todesurteile. Zudem habe Raisi persönlich dafür gesorgt, dass mutmaßliche Folter und Vergewaltigung von Oppositionellen ungeahndet blieben.

Kondolationen an den Iran nach Raisi-Absturz von unterschiedlichster Seite

In seiner Botschaft auf X äußerte Ratspräsident Michel namens der europäischen Staatengemeinschaft:

„Die EU bekundet ihr aufrichtiges Beileid über den Tod von Präsident Raisi und Außenminister Abdollahian sowie anderer Mitglieder ihrer Delegation und Besatzung bei einem Hubschrauberunglück. Unsere Gedanken sind bei den Familien.“

Russlands Präsident Wladimir Putin nannte Raisi einen „wahren Freund Russlands“. Der verstorbene Präsident habe „sich sehr für die Entwicklung der Beziehungen zwischen beiden Ländern eingesetzt“. Er habe ihn mehrfach getroffen, so Putin, und der Kreml werde Raisi „stets ein ehrendes Andenken bewahren“.

Auch Außenminister Sergej Lawrow äußerte, Raisi und der ebenfalls umgekommene Chefdiplomat Hossein Amir-Abdollahian seien „wahre und zuverlässige Freunde Russlands“ gewesen. Man werde sie als „wahre Patrioten der Islamischen Republik in Erinnerung behalten, die die Interessen ihres Staates entschlossen verteidigt und ihr Leben im selbstlosen Dienst für das Vaterland gegeben haben“.

KPC-Medien deuten Sabotage als mögliche Option an

KPC-Machthaber Xi Jinping übermittelte Vizepräsident Mohammad Mokhber, der nun die Amtsgeschäfte übernimmt, eine Kondolenznachricht. Darin sprach er von „wichtigen Beiträgen zur Sicherung der Sicherheit und Stabilität des Iran“, die dieser geleistet habe. Neben „nationaler Entwicklung und Wohlstand“ habe er zudem die „umfassende strategische Partnerschaft zwischen China und dem Iran“ gefestigt und weiterentwickelt.

Raisis Tod sei ein „tiefgreifender Verlust für das iranische Volk“, das chinesische Volk hätte einen „geschätzten Freund“ verloren, äußerte Xi weiter. Chinas Regime und die Bevölkerung „schätzen die traditionelle Freundschaft mit dem Iran sehr hoch“, so der Machthaber. Xi kündigte an, diese auch mit der neuen Führung verstärken zu wollen.

Der Iran geht derzeit von einem Unfall als Absturzursache aus, der durch schlechte Witterungsverhältnisse begünstigt worden sei. Propagandaorgane des KP-Regimes wie „Global Times“ oder „China Daily“ deuten jedoch in Ansätzen auch mögliche Sabotageszenarien an.

„Global Times“ erläuterte, die „schwierige innenpolitische und internationale Lage, in der sich der Iran befindet“, gäben auch Raum für Theorien, wonach „etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen“ sein könnte. „China Daily“ weist zwar auch auf das Alter der Flugzeugflotte im Iran hin – und die Sanktionen, die Sicherheitsupdates erschwerten.

Während Analyst Fan Hongda von der Universität Shanghai davon spricht, dass die Anhaltspunkte für ein Attentat gering seien, hält Wang Lei von der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften ein Attentat zumindest für eine von drei gleichwertigen Erklärungsalternativen. Zumindest sei seiner Einschätzung zufolge „Sabotage nicht auszuschließen“ und es müsse zu einer umfassenden Untersuchung kommen.

Flugzeugabstürze mit Politikern an Bord sorgen regelmäßig für Spekulationen

Trotz erhöhter Sicherheitsvorkehrungen ist es in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach zu spektakulären Todesfällen von Politikern infolge von Flugzeugabstürzen gekommen. In vielen Fällen lösten sie Spekulationen und Ressentiments aus – insbesondere, wenn ein Bezug zu Nachbarstaaten vorhanden war.

Zu den bekanntesten Fällen gehörten der Tod von Pakistans Militärmachthaber Zia ul-Haq beim Absturz einer Lockheed C-130 der pakistanischen Luftwaffe am 17. August 1988. Es gab zwar Hinweise auf ein Fremdverschulden und Gerüchte über eine mögliche Verwicklung des sowjetischen Geheimdienstes KGB, aber keine hinreichend belastbaren Beweise.

Unklar blieben knapp ein halbes Jahr später die Umstände des Absturzes der Rheintalflug-Maschine mit Österreichs Sozialminister Alfred Dallinger an Bord am 23. Februar 1989 über dem Bodensee. Allerdings ging die Öffentlichkeit hier einhellig von einem Unfall aus, da kein ersichtliches Motiv für einen Anschlag erkennbar war.

Für bis heute anhaltende Spekulationen sorgen hingegen zwei tödliche Flugzeugabstürze mit Politikern Ende der 2000er-Jahre. In der türkischen Provinz Kahramanmaraş starb am 25. März 2009 der populäre ultranationalistische BBP-Parteichef Muhsin Yazıcıoğlu, dessen Hubschrauber während eines Schneesturms im Gebirge abstürzte. Türkische Politiker verdächtigten unter anderem einen „tiefen Staat“, den israelischen Geheimdienst oder die Gülen-Bewegung, das rechtzeitige Auffinden Yazıcıoğlus verhindert zu haben.

Raisi war nicht der oberste Entscheidungsträger

In Polen wurde der Absturz der Tupolew Tu-154 der eigenen Luftstreitkräfte im Anflug auf einen Militärflughafen bei Smolensk am 10. April 2010 zu einem traumatischen Ereignis. Unter den 89 Verstorbenen war neben mehreren Regierungsvertretern und ranghohen Persönlichkeiten aus Militär und Kirche auch Staatspräsident Lech Kaczyński. Dessen Partei PiS kultiviert bis heute Verschwörungstheorien über einen von Russland organisierten Anschlag. Einige ihrer Medien behaupteten auch, dass der damalige – und heutige – Premierminister Donald Tusk involviert gewesen wäre.

Was mit Blick auf den nunmehrigen Tod von Präsidenten Raisi das Potenzial hat, Verschwörungsnarrative zu inspirieren, ist nicht nur der Nahostkonflikt. Der Präsident befand sich auf der Rückreise von einem Staatsbesuch im Nachbarstaat Aserbaidschan. Die Beziehungen zwischen beiden Ländern sind historisch in ähnlicher Weise angespannt wie jene zwischen Polen und Russland. Aserbaidschan pflegt auch enge Beziehungen zu Israel.

Weder in Russland noch in China oder im Westen rechnet man mit kurzfristigen tiefgreifenden Änderungen im politischen System des Iran nach dem Tod von Raisi und Außenminister Amir-Abdollahian. Zum einen sei nicht der Präsident, sondern der Oberste Geistliche Führer Ali Khamenei die höchste Instanz im Staate. Zum anderen seien die sogenannten Revolutionsgarden (IRGC) als „Staat im Staate“ noch da, um im Zweifel für klare Verhältnisse zu sorgen.

Machtkämpfe unter Hardlinern werden Zukunft des Iran prägen

Auf X geht der Analyst Hamidreza Azizi davon aus, dass Nachfolger Mokhber bis auf Weiteres unangefochten bleibt – zumal er enge Beziehungen zu den IRGC aufweise. Seine Interimspräsidentschaft vergrößere sogar deren Einfluss innerhalb des Machtapparats.

Allerdings gebe es Machtkämpfe unter den Hardlinern selbst, die sich zuletzt im Rennen um den Posten des Parlamentssprechers angedeutet hätten. Diese würden sich nun auf den Präsidentenposten ausweiten.

Das Regime müsse jedoch seine Legitimität durch eine hohe Wahlbeteiligung steigern. Erst im März waren nur wenige Wahlberechtigte bei Parlamentswahlen zu den Urnen geschritten – in Teheran war die Beteiligung besonders gering. Offiziell gingen 41 Prozent zur Wahl, von denen fünf Prozent ungültig stimmten. Allerdings gehen Beobachter von noch geringeren Zahlen aus.
Außenpolitisch werde der Kurs ebenfalls aufrecht bleiben. Die Machtkämpfe unter den Hardlinern selbst würden sich jedoch intensivieren.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion