Tod von Nawalny: Proteste vor russischer Botschaft in Berlin
Nach dem Tod des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny haben am Sonntag mehrere hundert Menschen in Berlin gegen Russlands Staatschef Wladimir Putin protestiert.
Vor der russischen Botschaft versammelten sich nach Polizeiangaben in der Spitze 450 Menschen. Ebenso viele waren auch angemeldet gewesen. Sie zogen mit Schildern mit Aufschriften wie „Stop Putin“ durch die angrenzenden Straßen des Botschaftsgebäudes.
Auf dem Mittelstreifen vor dem Gebäude wurden zudem zahlreiche Blumensträuße, Grablichter und Bilder von Nawalny niedergelegt. Zu der Demonstration hatte unter anderem die Protestgruppe Pussy Riot aufgerufen.
Gedenken in verschiedenen Ländern
In Russland warnten russische Anwälte die Menschen, nicht an Massenversammlungen teilzunehmen, berichtet das „Wall Street Journal“. Das Medium erklärt auch: „Der Tod von Alexei Navalny beseitigt die letzte Oppositionsfigur in Russland mit genug politischem Gewicht.“ Ehemalige US-Beamte und Kreml-Beobachter seien sich nicht einig, wann der Druck auf Putins Gegner täglich wurde, und wie viele Todesfälle nicht normal waren.
Bereits am Freitag kurz nach Bekanntgabe des Todes von Nawalny hatten vor der russischen Botschaft in Berlin Menschen demonstriert.
Gedenkkundgebungen gab es zudem in Warschau, Amsterdam und London. In russischen Städten kamen ebenfalls Menschen trotz Warnungen der Behörden zusammen. Dabei kam es zu Festnahmen.
Der Tod des 47-Jährigen löste weltweit Bestürzung aus. Neben den USA wies auch die EU Moskau eine direkte Verantwortung für den Tod Nawalnys zu. Der Kreml wies die Anschuldigungen zurück.
Der prominente Kreml-Kritiker, der als wichtigster innenpolitischer Widersacher Putins galt, war nach Angaben der Gefängnisbehörden am Freitag in einer Strafkolonie in der russischen Polarregion gestorben. Die Gründe für seinen Tod würden untersucht.
Die Nachricht vom Tod Nawalnys und die Bestätigung durch sein Team am Samstag haben kritisch eingestellte Russen einen großen Schock versetzt. Zuweilen wirkt es in den sozialen Medien, als sei gerade nicht nur Nawalny gestorben, sondern auch die Zuversicht vieler oppositioneller Russen darauf, dass sich in absehbarer Zeit in ihrem Land irgendetwas zum Besseren ändert.
Zwar war Nawalny bei aller Popularität durchaus auch ein streitbarer Politiker, gleichzeitig auch ein großer Mutmacher – selbst, wenn sie nicht alle seine politischen Ansichten teilten.
Nawalny hinterlässt zwei Kinder
In der Trauer richten sich viele Blicke nun auf Nawalnaja. Die studierte Ökonomin und ihr Mann lernen sich vor rund 25 Jahren bei einem Urlaub in der Türkei kennen. Julia bezeichnet Alexej später als ihre „echte große Liebe“ und „besten Freund“ zugleich.
Wenige Tage vor seinem Tod lässt er am Valentinstag über sein Team auf Instagram ein gemeinsames Foto veröffentlichen. Beiden trennten mittlerweile Tausende Kilometer, schreibt er, doch: „Ich spüre, dass du jede Sekunde bei mir bist und ich liebe dich immer mehr.“ Nawalny hinterlässt auch zwei Kinder: Die 23 Jahre alte Darja, die in den USA studiert, und Sohn Sachar, 15 Jahre alt.
Bis zu Alexejs Inhaftierung treten die Nawalnys oft als Team auf. Julia und die Kinder sind an der Seite des Politikers, als er im Jahr 2020 nur knapp einen Giftanschlag überlebt, für den er Putin persönlich beschuldigt und von dem er sich nach wochenlangem Koma in Deutschland erholt. Anfang 2021 fliegt Julia Nawalnaja mit ihrem Mann gemeinsam zurück nach Moskau, wo er noch am Flughafen festgenommen wird.
Später geht sie mit Tausenden anderen Russen auf die Straße, um – vergeblich – für seine Freilassung aus dem Straflager zu demonstrieren. Tochter Darja tritt ebenfalls immer wieder öffentlich auf, nimmt stellvertretend für ihren Vater internationale Auszeichnungen entgegen und schreibt 2022 einen Gastbeitrag für das renommierte „Time Magazine“. Zusammen nehmen beide Frauen zudem im vergangenen Jahr in Los Angeles den Oscar entgegen, mit dem der Dokumentarfilm „Nawalny“ ausgezeichnet wurde.
Julia und Darja als neue Leitsterne
Manche setzen nun auf Julia und Darja als neue Leitsterne der russischen Opposition. „Es gibt nichts Stärkeres in der Welt als Mutter und Tochter, die wegen des Todes von Mann und Vater gegen das System kämpfen“, schreibt zum Beispiel die bekannte Frauenrechtlerin Aljona Popowa auf Instagram.
Die Politologin Tatjana Stanowaja prognostiziert, der russische Machtapparat werde den Tod Nawalnys weiter so gut es gehe „ignorieren und vertuschen“ und jegliche Sympathiebekundungen für den Oppositionellen unterdrücken. Die Lage sei für den Kreml nämlich durchaus riskant, führt sie aus: „Die Behörden müssen Anstrengungen unternehmen, damit sich der heutige Schock (…) nicht zu einer politischen Bewegung entwickelt“, schreibt sie.
„Bisher haben Putin- und Kriegsgegner pragmatisch still gesessen und die Sinnlosigkeit von Protesten verstanden. Jetzt könnten Emotionen eine Rolle spielen.“ Mit Blick auf Nawalnaja ist sich Stanowaja sicher: „Julia Nawalnaja wird eine politische Figur werden, ob sie das will oder nicht. Ihren Worten kommen jetzt besondere Bedeutung und Gewicht innerhalb der oppositionellen Umgebung zu (…). Diese Ressource muss sie verwalten.“
Treffen mit geflohener Oppositionsführerin
Ob Nawalnaja in Zukunft wirklich verstärkt als Politikerin in Erscheinung treten wird, bleibt abzuwarten. Einen ersten Hinweis darauf, dass sie das selbst vorhaben könnte, gab es am Freitagabend: Wenige Stunden nach der Nachricht über den Tod ihres Mannes trifft sie sich mit der belarussischen und ins Exil geflohenen Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja.
Worum es dabei geht, ist nicht bekannt. Tichanowskaja veröffentlicht später auf Telegram lediglich zwei Fotos und ein Video ohne Ton. Die heute 41 Jahre alte Belarussin trat im Sommer 2020 in ihrer Heimat bei der Präsidentenwahl gegen den autoritären Langzeit-Machthaber Alexander Lukaschenko an – anstelle ihres bis heute inhaftierten Mannes Sergej. Nun gilt sie als Führerin der belarussischen Opposition. (afp/dpa/red)
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