Timors Öl: Segen oder Fluch?

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Osttimors Premier- und Verteidigungsminister, Xanana Gusmao.Foto: Bay Ismoyo/AFP/Getty Images
Von 25. September 2011

Öl hat für verschiedene Gesellschaften unterschiedliche Bedeutung. Für entwickelte Länder wie die Vereinigten Staaten, Japan und Westeuropa ist Öl wie eine süchtigmachende Droge und die Menschen wollen immer mehr davon. Es ermöglicht ihnen, überall hinzukommen. Es hilft ihnen beim Kochen, Heizen oder Kühlen. Ohne Öl können Menschen dieser Gesellschaften ihren Lebensstil nicht beibehalten. Deshalb führen viele Länder Krieg, um ihren Zugang zum Öl sicherzustellen.

Für Entwicklungsländer, die stark abhängig sind vom Öl- und Gasexport, hat Öl jedoch eine andere Bedeutung. Wird auf ihrem Territorium Öl entdeckt, erwarten sie, dass die Ölexperten ihnen helfen, die einheimische Wirtschaft anzukurbeln. Sie sollen helfen, Jobs zu schaffen, Arbeitskräfte aufzustocken, die nicht auf Öl basierende Wirtschaft zu entwickeln, Infrastruktur zu schaffen und soziale Dienste aufzubauen. Aber dazu kam es in kaum einem Fall.

Die meisten Länder auf der Südhalbkugel, die vom Öl abhängig sind, haben erfahren müssen, dass das Öl zusammen mit Katastrophen, Bürgerkrieg, Interventionen aus dem Ausland, Menschenrechtsverletzungen, autoritären Regimen, Umweltverschmutzung, Korruption, sozialer Ungleichheit und endemischer Armut kommt. Tschad, Nigeria, Angola, Ecuador und Irak sind nur ein paar der Länder, die diese schwierige Lektion lernen mussten.

Peter Maas drückte das in seinem Buch „Öl: Das blutige Geschäft“ (Originaltitel: Crude World) auf elegante Weise aus: „Eine der Ironien ölreicher Staaten ist, sie sind nicht reich, ihr Öl führt eher zu Konflikten als zu Wohlstand.“ Christian Aid kommt in seinem Report „Fuelling Poverty: Oil War and Corruption“ zu dem Schluss: auf globaler Ebene ist die Ölwirtschaft für arme Menschen, die keinen Zugang zu Elektrizität und Autos haben und deren Brennstoff nicht aus Öl, sondern Holz besteht, irrelevant.

Wie Nnimmo Bassey, ein nigerianischer Poet und derzeit Präsident von Friends of the Earth International, einst schrieb: „Wir dachten, es wäre Öl, aber es war Blut.“

Timors Öl

Noch komplexer ist die Situation in Ländern mit ehemaligen Konflikten wie Osttimor. Indonesien, das Osttimor über Jahrzehnte illegal besetzt hielt, unterzeichnete die meisten der Ölabkommen mit Konzernen wie ConocoPhilips und Woodside. Als Osttimor 2002 unabhängig wurde, konnte es über seine Ressourcen nicht frei entscheiden. Ein Großteil der Erträge, die eigentlich Osttimor gehören sollten, flossen nach Australien und Indonesien.

Osttimors Wirtschaftssektoren außerhalb der Ölindustrie sind arm geblieben und stabile öffentliche Institutionen sind nicht vorhanden. Die vorhandenen sind weiterhin zerbrechlich und die Rechtsprechung ist schwach. Das bedeutet, dass die hohen Offiziellen und die Ölkonzerne aufgrund der schwachen Aufsichtsmechanismen sehr korruptionsanfällig sind.

Die hohe Abhängigkeit vom Öl hat Osttimor zu einer Rohstoffökonomie werden lassen, in der der Staat sein Einkommen nicht aus Steuern, sondern aus der Ölförderung bezieht. Das wiederum unterminiert die Beziehung des Staates zum Bürger und die Bürger sind weniger bereit, die staatlichen Behörden zur Verantwortung zu ziehen.

Nachdem das indonesische Militär das Land zerstört hatte, wurden die Timoresen im Chaos zurückgelassen. Ungefähr 80 Prozent der Infrastruktur war zerstört, der Behördenapparat war am Kollabieren, 50 Prozent der Bevölkerung waren Analphabeten und weitere soziale und ökonomische Probleme breiteten sich aus. Milliarden von Dollar, gespendet von der internationalen Gemeinschaft in Form von Entwicklungshilfe, brachten die Wirtschaft des Landes nicht in Fahrt.

Unter diesen Umständen dürfte Osttimor anfangs als gesegnet angesehen worden sein, als es ein kleines Ölvorkommen entdeckt hatte. Weise eingesetzt könnte diese kleine Reserve Osttimors Wirtschaft ankurbeln. Solch eine Quelle könnte auch den Nicht-Öl-Sektoren helfen, zuallererst der Landwirtschaft und ebenso in sozialen Bereichen wie Erziehung und Gesundheitswesen.

Osttimors Premierminister Xanana Gusmão fasste diese Aussichten 2009 in einer Rede zusammen. Erfolgt der Umgang Osttimors mit seinem Öl in kluger und transparenter Weise „wird uns das erlauben, als souveräner Staat unsere eigenen Ressourcen zur Verbesserung der Infrastruktur zu benutzen, in Gesundheit und Erziehung zu investieren und unsere Wirtschaft wachsen zu lassen, sodass wir unser Land aufbauen und unseren Kindern eine glückliche Zukunft schenken können“.

Diese Aussichten sind nicht an den Haaren herbeigeholt, betrachtet man Osttimors kleine Population. Trotzdem liegen diese Träume immer noch in weiter Zukunft. Osttimor folgt offensichtlich gewohnten Mustern, in denen Öl für die wirtschaftliche Entwicklung keine Bedeutung hat. Anstatt ein Segen zu sein, hat es sich eher als ein Fluch entpuppt.

Erfolge des Ölfonds

Osttimors Regierung hat öfters versucht, sicherzustellen, dass das Land nicht denselben Mustern folgt, die andere Entwicklungsländer gegangen sind. 2005 stimmte die Regierung einstimmig für die Errichtung eines Ölfonds-Gesetzes. Dieses Gesetz, das dem norwegischen Pensionsfonds-Modell angeglichen wurde, ist der Eckstein beim Management der Ölerträge.

Osttimors Ölfonds baut auf Prinzipien wie Generationengerechtigkeit, Transparenz und Rechenschaftspflicht auf und soll der Regierung zu wirtschaftspolitischer Stabilität verhelfen. Um Generationengerechtigkeit zu garantieren, setzte der Fonds für die Regierung Richtlinien fest. Sie soll nicht alle Einnahmen sofort ausgeben oder wenn die Ölpreise hoch sind.

Transparenz soll sichergestellt werden durch Quartalsberichte, Jahresberichte und Bilanzprüfungen. Und nicht zuletzt sind in dem Gesetz Rollen und Verantwortlichkeiten für die öffentlichen Institutionen wie Parlament, Regierung, Zentralbank und Bürgerverbände festgeschrieben. Der frühere Premierminister Mari Alkatiri bekräftigte: „Gutes Management der Ölerträge, nachhaltiges Wirtschaftswachstum, Linderung der Armut und eine stabile politische Zukunft sind die wichtigsten Teile dieses Gesetzes.“
Das Parlament stimmte dem Gesetz 2005 einstimmig zu. Es wurde für eines der besten Gesetze zum Ölmanagement in der Welt gehalten. Insgesamt hat der Ölfonds eine solide Grundlage für eine stabile Finanzpolitik geschaffen. Ende Juni 2011 war der Fonds auf 8,3 Milliarden Dollar angestiegen, 7,1 Milliarden davon befinden sich in der US-Notenbank. Der Rest wurde in internationalen Aktien und Anleihen anderer Regierungen angelegt.

Der Fonds hat ebenso die Wirtschaft als Ganzes stabilisiert. Wie der Internationale Währungsfonds (IWF) in seinem Bericht von 2010 darlegt: „Durch höhere ölfinanzierte öffentliche Ausgaben und eine Erholung der Landwirtschaft nach der Trockenheit 2007 betrug das durchschnittliche Wachstum ohne den Ölsektor elf Prozent von 2007 bis 2009. Eine neuere Untersuchung durch die Weltbank zeigt einen Rückgang der Armutsrate von 50 Prozent im Jahr 2007 auf 41 Prozent in 2009.“

Versäumnisse des Fonds

Trotz dieser Erfolge hat sich der Ölfonds als nicht effizient erwiesen. Osttimors gegenwärtiger Entwicklungsstand zeigt Merkmale des Ressourcenfluchs, die sogar Nuno Rodriquez, Mitglied im beratenden Ausschuss des Ölfonds, in einem Interview mit dem Autor erwähnt.

Erstens gibt es keine Anzeichen, dass Osttimors Abhängigkeit von den Öleinnahmen nachlässt, zumindest nicht für die nahe Zukunft. Von 2005 bis 2011 kamen über 90 Prozent der Regierungseinnahmen vom Öl. Nicht auf dem Öl basierende Einnahmen beliefen sich demnach auf weniger als zehn Prozent, fielen 2007 sogar auf drei Prozent.

Jedes Jahr seit 2005 machten Transfers aus dem Ölfonds über 90 Prozent des jährlichen Haushaltes der Regierung aus. Die Zahl wird sich weiter erhöhen, wenn die Regierung den Haushalt erhöht.

Zweitens sind seit der Unabhängigkeit Osttimors Investitionen in den produktiven Sektor sehr gering. Neben Milliarden Dollar an Entwicklungshilfe und den gewaltigen Ausgaben der Regierung über die letzten Jahre war die reale Auswirkung auf die einheimische Wirtschaft sehr gering. Das Land importiert immer noch alles.

Laut Bericht von Osttimors Bank- und Zahlungsbehörde vom Dezember 2010 hat Osttimors Handelsdefizit für Waren und Dienstleistungen 881,2 Millionen Dollar erreicht – ein Zuwachs von 261,1 Millionen 2008 und 297 Millionen 2009. Osttimors Finanzminister gab kürzlich an, dass 70 Prozent der Regierungsausgaben das Land verlassen.

Aufgrund dieser Daten warnte die Bank- und Zahlungsbehörde: „Schaffen es die Politiker nicht, rigoros durchzugreifen, um das Haushaltsdefizit zu verringern und produktiver zu investieren, wird die Fehlmenge bis 2030 weiterhin zunehmen.

Das Land könnte fortfahren, die meisten seiner Fondsquellen und deren Anteil am Bruttosozialprodukt alljährlich ins Ausland zu transferieren.“ Diese Daten deuten darauf hin, dass die enormen Ausgaben aus den Ölerträgen nicht zu einer Entwicklung eines Nichtölsektors geführt haben, sogar nicht einmal zur Ersetzung importierter Waren.

Drittens, Arbeitslosigkeit, eines der größten Probleme, vor denen Länder nach Konflikten oftmals stehen, ist eine Zeitbombe. Sie kann zu neuen Konflikten oder Bürgerunruhen führen. Die Ölindustrie schafft traditionellerweise wenig neue Arbeitsplätze, weil es sich dabei um eine Hightech-Industrie handelt und dementsprechend geschultes Personal erfordert. Sehr wenig Timoresen sind für diese Arbeit qualifiziert.

Soziale Zerrüttung

Die dunkle Seite des Wirtschaftswachstums in Verbindung mit dem Ölexport ist soziale Ungleichheit. Am aktivsten ist die Wirtschaft derzeit in der Landeshauptstadt Dili, während die ländlichen Gebiete kaum über Infrastruktur verfügen. In den vergangenen vier Jahren hat die Regierung über zwei Milliarden Dollar in die dortige Infrastruktur investiert. Aber wegen schlechter Planung und Ausführung sowie mangelnder Übersicht und Qualitätskontrolle blieb die Kluft zwischen den Timoresen in der Stadt und auf dem Land bestehen.

Viele Menschen haben den Agrarsektor verlassen und versuchen, Jobs in Dili zu bekommen. Von den massiven Regierungsausgaben profitiert nur eine kleine Elite in Dili, meistens jene, die Verträge mit der Regierung haben. Das hat jedoch negative Einflüsse auf den Großteil der Menschen, die außerhalb Dilis leben. Für jene, die keine Vorteile haben oder nur einen geringen Lohn beziehen, sind die steigenden Preise, vor allem für Lebensmittel, kaum bezahlbar. Das bedeutet, die große Mehrheit profitiert nicht vom Wirtschaftswachstum.

Der Fall Osttimor beweist wieder einmal, wie die Abhängigkeit vom Öl eher zum Fluch als zum Segen gereicht hat. Das Ölfonds-Modell, an und für sich eine gute Idee, kann die Komplexität nicht lösen, vor der Länder nach Konflikten wie Osttimor stehen. „Der Ölfonds ist nur ein Mechanismus zum Erreichen einer Good Governance“, sagt José Teixeira, ein Mitglied des Parlaments von der Oppositionspartei. „Aber um den Ressourcenfluch zu vermeiden, braucht es auch politisches Engagement von allen Parteien.“

Dieser Artikel ist eine Zusammenfassung des Guteriano Neves 2010 Forschungsprojekts der University of Hawaii in Manoa. Foreign Policy in Focus, www.fpif.org.

Originalartikel in Englisch: Timor’s Oil: Blessing or Curse?

 



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