TICKER | Throm: Auf Abschiebungen nach Syrien vorbereiten

International wächst die Besorgnis, wie es nun in Syrien weiter geht. Russland will seine Militärbasen vorerst behalten und mit der künftigen Führung deren Verbleib besprechen. Auch die US-Soldaten bleiben vorerst im Land.
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Der internationale Flughafen von Damaskus (Syrien) ist derzeit geschlossen.Foto: Aref Tammawi/AFP via Getty Images
Von 9. Dezember 2024

Der Sturz Assads wurde international vielerorts begrüßt. Zugleich gibt es erhebliche Sorgen über mögliches Chaos in Syrien und eine Ausweitung des Konfliktes. Vieles hängt davon ab, ob sich die verschiedenen Rebellengruppen auf eine Verteilung der Macht einigen können – oder ob ein Machtvakuum zu neuer Gewalt führt und Syrien mit seinen ethnischen und religiösen Minderheiten im Chaos versinkt.

Die neuen Machthaber in Damaskus sind bis vor Kurzem aus westlicher Sicht Terroristen gewesen. Auf ihren Anführer al-Dscholani sei von den USA nach wie vor ein Kopfgeld von 10 Millionen Dollar ausgesetzt. Die Ereignisse vom 8. Dezember sind in diesem TICKER zu finden.

 

17:50 Uhr

Throm: Auf Abschiebungen nach Syrien vorbereiten

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU), sagte: „Ich erwarte vom Bamf, dass es den Status der Syrer zügig widerruft, wenn der Bürgerkrieg vorbei ist.“ Viele Syrer dürften zudem bald freiwillig zurückkehren wollen. Das müsse aktiv unterstützt werden, etwa durch Reisebeihilfen und Flüge. Deutschland müsse sich aber auch auf Abschiebungen nach Syrien vorbereiten, denn Flüchtlingsschutz sei grundsätzlich ein Aufenthalt auf Zeit.

AfD-Chefin Alice Weidel sagte dem „Stern“, es stehe außer Frage, dass „bei vielen Personen aus Syrien der Fluchtgrund entfallen“ sei – vor allem bei jenen, die angegeben hätten, von der ehemaligen Regierung verfolgt worden zu sein. „Selbstverständlich müssen diese Personen auch zeitnah in ihr Heimatland zurückkehren“, sagte Weidel. Der AfD-Innenpolitiker Martin Hess forderte klare Signale von Deutschland, dass die Zeit des Asyls für die Mehrheit der syrischen Zuwanderer vorüber sei.

Bei Grünen und Linken stießen solche Forderungen auf Ablehnung. „Nur 24 Stunden nach dem Ende der Assad-Herrschaft schon über Rückführungen zu sprechen, ist rein innenpolitisch motiviert“, kritisierte Grünen-Innenpolitiker Julian Pahlke. Damit werde der gesellschaftliche Zusammenhalt zerstört.

Jette Nietzard, Co-Vorsitzende der Grünen Jugend, sagte: „Syrien wurde von einem Diktator befreit“, ob das zu einem freien und demokratischen Staat führen werde, sei aber fraglich. In der aktuellen Lage die Entscheidung über Asylanträge auf Eis zu legen, sei nicht im Interesse der Schutzsuchenden.

Wer jetzt Abschiebungen nach Syrien forderte, dem gehe es nicht um Frieden und Gerechtigkeit für die Menschen in Syrien, sondern um den „rechten Fiebertraum, Hunderttausende zu deportieren“, empörte sich Clara Bünger, Bundestagsabgeordnete der Linken. BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht sagte dem „Stern“, diejenigen, die in Deutschland „die Machtübernahme durch Islamisten bejubeln“, sollten möglichst schnell nach Syrien zurückkehren.

17:29 Uhr

OPCW mahnt Syrien zur Sicherung seiner Chemiewaffen

Die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) hat die syrischen Behörden nach dem Sturz von Machthaber Baschar al-Assad aufgefordert, die Chemiewaffen in dem Land abzusichern. Die OPCW habe Syrien auf die „höchstrangige Bedeutung der Gewährleistung der Sicherheit und Sicherung aller Materialien und Einrichtungen im Zusammenhang mit chemischen Waffen“ hingewiesen, erklärte die vor elf Jahren mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Organisation am Montag.

Syrien hatte 2013 zugestimmt, der OPCW  beizutreten, nachdem ein Chemiewaffenangriff nahe Damaskus mehr als 1400 Menschen getötet hatte. Die syrische Regierung gab damals ihre deklarierten Chemiewaffenvorräte zur Vernichtung frei. Die OPCW hat seither jedoch immer befürchtet, dass die Angaben unvollständig waren und es noch immer solche Waffen im Land gibt.

Zuvor hatte Israel nach eigenen Angaben am Montag Chemiewaffenlager in Syrien unter Beschuss genommen. „Wir haben strategische Waffensysteme angegriffen, darunter Reste von Chemiewaffen oder Langstreckenlenkwaffen und -raketen, damit sie nicht in die Hände von Extremisten fallen“, sagte der israelische Außenminister Gideon Saar.

Der OPCW gehören 193 Mitgliedstaaten an. Die in den Niederlanden ansässige Organisation hat den Auftrag, die Umsetzung der internationalen Chemiewaffenkonvention von 1997 zu überwachen. Die Konvention hat ein weltweites Verbot von Chemiewaffen und die Vernichtung von Beständen dieser Waffen zum Ziel.

15:52 Uhr

NATO macht Russland und Iran für Assads Vergehen mitverantwortlich

NATO-Generalsekretär Mark Rutte hat Russland und den Iran für die Vergehen des gestürzten syrischen Machthabers Baschar al-Assad mitverantwortlich gemacht.

Moskau und Teheran seien als Hauptunterstützer des Assad-Regimes „mitverantwortlich für die Verbrechen, die gegen das syrische Volk begangen wurden“, erklärte Rutte am Montag in Brüssel. Zudem hätten sie sich als unzuverlässig erwiesen und den syrischen Machthaber fallen gelassen, als Assad für sie nicht mehr „nützlich“ gewesen sei.

Rutte rief zugleich die Rebellenführer der islamistischen Gruppe Hajat Tahrir al Scham (HTS) auf, die Rechtsstaatlichkeit in Syrien aufrechtzuerhalten, die Zivilbevölkerung zu schützen und religiöse Minderheiten zu respektieren. Die NATO werde das Verhalten der Verantwortlichen genau beobachten, betonte er.

Ein brennendes Fahrzeug – nachdem regierungsfeindliche Kräfte am 8. Dezember 2024 in Damaskus Sicherheitseinrichtungen der Regierung geplündert haben. Foto: Rami al Sayed/AFP via Getty Images

 

15:40 Uhr

Deutschland setzt Entscheidungen über Asylanträge aus

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) setzte am Montag seine Entscheidungen über Asylanträge von Syrern vorerst aus. Eine politische Grundsatzentscheidung ist damit nicht verbunden: Der Entscheidungsstopp gelte, „bis die Lage klarer ist“, erklärte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Das Bundesamt müsse „seine Entscheidungspraxis an die neue Lage anpassen“.

Wenige Stunden nach dem Umsturz weht über der syrischen Botschaft in Berlin die Flagge der Islamisten. Vielleicht auch, weil daheim im Außenministerium erst einmal keiner mehr ansprechbar ist, der sagt, wie es weitergehen soll. Die Bundesregierung pflege Beziehungen zu Staaten und nicht zu Regierungen, heißt es vom Auswärtigen Amt. Daher bleibe die Botschaft geöffnet.

Die Lage sei aktuell noch sehr unübersichtlich, sagt Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). „Deshalb sind konkrete Rückkehrmöglichkeiten im Moment noch nicht vorhersehbar, und es wäre unseriös, in einer so volatilen Lage darüber zu spekulieren.“

Terrorgefahr durch HTS

„Die HTS hat sich in den vergangenen Monaten und Jahren bemüht, sich von ihren dschihadistischen Ursprüngen zu distanzieren“, sagt ein Sprecher des Auswärtigen Amts. Doch letztlich müsse man die Gruppe, die sicherlich auch in Zukunft eine Rolle in Syrien spielen werde, an ihren Taten messen. Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums weist darauf hin, dass die islamistische Gruppierung ihre Aktivitäten auf Syrien beschränkt.

Eine potenzielle Gefahr geht von den ehemaligen Personen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) aus, die sich in von Kurden bewachten Gefängnissen und Flüchtlingslagern aufhalten. „Im Gefängnis sitzen rund 10.000 frühere IS-Kämpfer, darunter knapp 2.000 Ausländer“, sagt Davrisch. Auch von den radikalisierten Frauen und Kindern der einstigen IS-Gewaltherrscher gehe im Falle einer Befreiung große Gefahr aus.

 

15:39 Uhr

Syrische Zentralbank: Vermögen sind sicher

Die syrische Zentralbank versichert den Bankkunden im Land, dass ihr Vermögen „in Sicherheit“ sei. „Wir versichern unseren Mitbürgern, die Kunden einer der in Betrieb befindlichen Banken sind, dass ihre Einlagen und Guthaben bei diesen Banken sicher sind, keinerlei Schaden erlitten haben und auch in Zukunft keinen Schaden erleiden werden“.

So hieß es in einer am Montag  auf der offiziellen Facebook-Seite der Zentralbank veröffentlichten Erklärung.

 

15:25 Uhr

Österreich stoppt ebenfalls Bearbeitung von Asylanträgen

Österreich hat nach eigenen Angaben die Bearbeitung aller von Syrern gestellten Asylanträge gestoppt. Bundeskanzler Karl Nehammer habe das Innenministerium angewiesen, alle laufenden syrischen Asylanträge auszusetzen und alle Aslygewährungen zu prüfen, teilte das Ministerium am Montag mit.

Innenminister Gerhard Karner erklärte, er habe das Ministerium beauftragt, „ein geordnetes Rückführungs- und Abschiebeprogramm nach Syrien vorzubereiten“.

Nach Angaben des Innenministeriums in Wien werden auch Familienzusammenführungen zunächst ausgesetzt. Die politische Lage in Syrien habe sich in den vergangenen Tagen „grundlegend und vor allem rasant verändert“, hieß es. Eine Neubewertung der Situation sei „wesentlich“.

Derzeit leben rund 100.000 Syrer in Österreich. Seit 2015 haben etwa 87.000 von ihnen einen positiven Asylbescheid erhalten. Von der Ankündigung des Innenministeriums sind rund 7300 Asylanträge betroffen.

 

15:22 Uhr

Türkischer Drohnenangriff

Bei einem türkischen Drohnenangriff im Norden Syriens sind nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte elf Zivilisten getötet worden, darunter sechs Kinder.

Der Angriff habe sich gegen ein Haus in einem von kurdischen Kämpfern kontrollierten Gebiet bei Ain Issa nördlich der Großstadt Rakka gerichtet, erklärte die Beobachtungsstelle am Montag. Alle getöteten Zivilisten gehörten demnach derselben Familie an. Die Daten können nicht unabhängig überprüft werden.

Von der Türkei unterstützte Milizen hatten vor einer Woche nahe Manbidsch bereits die von kurdischen Kräften kontrollierte Stadt Tal Rifaat sowie einige umliegende Dörfer unter ihre Kontrolle gebracht.

Ankara unterstützt seit Jahren pro-türkische Milizen im Norden Syriens, die mit dortigen kurdischen Verbänden verfeindet sind. Auch unternahm die türkische Armee während des syrischen Bürgerkriegs mehrere Bodenoffensiven gegen SDF-Kämpfer im Norden des Nachbarlands, die sie als Ableger der in der Türkei und mehreren westlichen Staaten verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) betrachtet.

Am Sonntag hatte der türkische Außenminister Hakan Fidan erklärt, sein Land sei bereit, „Verantwortung“ für die Gewährleistung von „Einheit, Integrität und Sicherheit“ in Syrien zu übernehmen.

 

14:38 Uhr

Suche nach unterirdischen Zellen im berüchtigten Gefängnis

Rettungskräfte durchsuchten das berüchtigte Saidnaja-Gefängnis nahe der Hauptstadt Damaskus nach unterirdischen Zellen. Die Hilfsorganisation Weißhelme entsandte am Montag Teams, um nach dort möglicherweise noch eingeschlossenen Gefangenen zu suchen.

In dem Gefängnis rund 30 Kilometer vor der Hauptstadt seien Sucheinheiten gemeinsam mit Spezialisten für das Einreißen von Mauern und das Öffnen von Eisentüren im Einsatz, hieß es in einer Erklärung der Weißhelme. Zudem seien Hundestaffeln und medizinische Helfer vor Ort.

Die 65-jährige Aida Taha sagte, sie sei auf der Suche nach ihrem 2012 verhafteten Bruder „wie eine Verrückte“ durch die Straßen gezogen und zum Saidnaja-Gefängnis gelaufen – in der Hoffnung, ihn dort zu finden. „Das Gefängnis hat drei oder vier unterirdische Stockwerke“, sagte sie. Bisher ließen sich die Türen nicht öffnen, weil die passenden Zugangscodes fehlten.

In Onlinemedien teilten Syrer Fotos von angeblich aus den Verliesen befreiten Gefangenen, um Familien auf diese Weise bei ihrer Suche nach ihren teilweise jahrelang vermissten Angehörigen zu unterstützen. Fadwa Mahmud schrieb dort an ihren vermissten Mann und Sohn: „Wo seid ihr, Maher und Abdel Asis? (…) Bitte kommt zurück, lasst meine Freude vollkommen sein.“

 

14:35 Uhr

Verantwortliche zur Rechenschaft ziehen

UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk rief am Montag dazu auf, Verantwortliche für während der Assad-Herrschaft begangene Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen. Dies müsse ein „Schlüsselelement“ eines politischen Übergangs in Syrien sein, sagte er. Sämtliche Beweise für Verbrechen während dieser Zeit müssten sorgfältig gesichert werden.

 

13:51 Uhr

Chemiewaffenlager beschossen

Israel hat nach eigenen Angaben Chemiewaffenlager in Syrien beschossen. „Wir haben strategische Waffensysteme angegriffen, darunter Reste von Chemiewaffen oder Langstreckenlenkwaffen und -raketen, damit sie nicht in die Hände von Extremisten fallen“, sagte der israelische Außenminister Gideon Saar am Montag.

 

13:40 Uhr

EU hat derzeit keine Kontakte zu HTS

„Die Europäische Union arbeitet derzeit nicht mit der HTS oder ihren Anführern zusammen“, sagte ein Sprecher der EU-Kommission am Montag.

Die HTS und ihr Anführer Abu Mohammed al-Dscholani stehen nach Angaben der Kommission auf einer Sanktionsliste, mit der die EU gegen islamistische Organisationen orgeht.

Ihre Vermögen in den EU-Ländern sind eingefroren. „Wenn die HTS mehr Verantwortung übernimmt, werden wir nicht nur ihre Worte, sondern auch ihre Taten beurteilen müssen“, sagte der Kommissionssprecher weiter.

Die 27 EU-Länder forderten am Montag einen „geordneten, friedlichen und umfassenden Übergang“ in Damaskus. Die Syrer müssten die Möglichkeit bekommen, „ihr Land wiederaufzubauen und Gerechtigkeit wiederherzustellen“, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. „Wir fordern alle Akteure auf, weitere Gewalt zu vermeiden.“

Am 9. Dezember 2024: Eine Wache vor der syrischen Zentralbank in Damaskus. Foto: Louai Beshara/AFP via Getty Images

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte EU-Hilfen für den Wiederaufbau in Syrien an die Unabhängigkeit des Landes und den Schutz von Minderheiten geknüpft.

„Wir fordern insbesondere den Schutz der Angehörigen aller Minderheiten, einschließlich der Christen und anderer nicht der Mehrheit angehörender Konfessionen“, erklärten auch die 27 Mitgliedstaaten. Sie forderten zudem „alle Parteien auf, das reiche kulturelle Erbe Syriens und die religiösen Denkmäler zu schützen“.

 

11:50 Uhr

Putin traf die Entscheidung, Assad aufzunehmen

Russland hat Assad und seiner Familie Asyl gewährt. Staatschef Wladimir Putin hat selbst die Entscheidung getroffen, die Familie in Russland aufzunehmen, sagte Peskow. Ein offizielles Treffen mit dem entmachteten Politiker sei bisher nicht geplant.

Russland will seine Militärbasen in Syrien vorerst behalten und mit der künftigen Führung deren Verbleib besprechen.

„Wir sehen eine Periode der Transformation, der extremen Instabilität, also wird es natürlich Zeit brauchen, und dann wird es ein ernsthaftes Gespräch mit denen brauchen, die an die Macht kommen“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der russischen Nachrichtenagentur „Interfax“ zufolge.

Russland unterhält in Syrien unter anderem eine Luftwaffen- und eine Marinebasis. Es sei nun wichtig, die Frage der Sicherheit des russischen Militärs in Syrien zu klären, sagte Peskow. Die russischen Soldaten ergriffen selbst alle Vorsichtsmaßnahmen. Ein Abzug ist demnach derzeit nicht geplant.

Peskow räumte ein, dass die Ereignisse auch Russland erstaunt hätten. Syrien galt stets als wichtigster Verbündeter des Landes im Nahen Osten.

Natürlich sei es wichtig, den Dialog mit allen Ländern der Region aufrechtzuerhalten, sagte Peskow. „Wir sind fest entschlossen, dies zu tun.“ Auch mit der Türkei stehe Russland zu Syrien im Dialog.

 

11:36 Uhr

Kommt ein Aufnahmestopp?

In Deutschland hat eine Debatte über die mögliche Rückkehr von Flüchtlingen und einen Aufnahmestopp begonnen. Hierzulande leben fast eine Million Syrer.

Nach Daten des Statistischen Bundesamtes befanden sich Ende vergangenen Jahres 972.460 Menschen mit syrischer Staatsbürgerschaft in Deutschland. 711.650 von ihnen wurden als Schutzsuchende ausgewiesen.

Bei der Zahl der Asylanträge waren Menschen aus Syrien in diesem Jahr weiter die stärkste Gruppe. Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge stellten von Januar bis November 74.971 Syrer einen Asylantrag. Bei den Entscheidungen bekamen mehr als 83 Prozent einen Schutzstatus zugesprochen.

In den allermeisten Fällen wurde aber kein Asyl gewährt, sondern ein sogenannter subsidärer Schutzstatus (68.945 Fälle). Dieser kann gewährt werden, wenn weder Asyl- und Flüchtlingsschutz greifen. Hierbei muss den Betroffenen ein ernsthafter Schaden entweder von staatlichen oder nichtstaatlichen Akteuren drohen. Dazu gehört etwa ein drohendes Todesurteil, Folter oder unmenschliche Behandlung oder eine sonstige ernsthafte Bedrohung von Leib und Leben durch willkürliche Gewalt wegen eines Konflikts.

 

11:20 Uhr

USA hoffen auf Rückkehr eines vermissten Reporters

Vor zwölf Jahren wurde der US-Journalist Austin Tice in der Nähe von Damaskus verschleppt. Die Familie hofft, der Machtwechsel in Syrien könne zu seiner Freilassung beitragen.

„Wir glauben, dass er am Leben ist“, sagte Präsident Joe Biden am Sonntag (Ortszeit) vor Reportern in Washington. Er glaube, Tice in die USA zurückholen zu können. „Assad sollte zur Verantwortung gezogen werden“, ergänzte Biden.

Tice war als freier Journalist in Syrien unterwegs, als ihn Unbekannte im August 2012 an einem Checkpoint in einem Vorort der Hauptstadt Damaskus verschleppten.

Wenige Wochen später tauchte nach Angaben seiner Familie ein Video auf, das Austin mit einer Gruppe Bewaffneter zeigte. 2022 teilte die US-Regierung mit, sie wisse mit Sicherheit, „dass er vom syrischen Regime festgehalten worden ist“. Die syrische Regierung wies das damals zurück.

Tices Familie hatte am Freitag auf einer Pressekonferenz erklärt, sie wisse aus guter Quelle, dass der heute 43-Jährige am Leben sei. Die jetzige Situation könne dazu beitragen, dass sein Bruder freikomme, sagte Tices Schwester der „Washington Post“. „Im Chaos gibt es auch Möglichkeiten. Für viele von uns ist das genau das, worauf wir uns nun konzentrieren“, fügte sie hinzu. Der aus Houston stammende Journalist hatte für mehrere Medien berichtet, darunter die „Washington Post“ und Zeitungen der McClatchy-Gruppe.

Auch die USA unterhalten mehrere Militärbasen in Syrien. Die größte befindet sich im Al-Omar-Ölfeld, eine weitere ist At-Tanf nahe der syrisch-irakischen Grenze. Einen jüngst errichteten Stützpunkt gibt es westlich der Stadt Tabqa und einen südlich der Stadt Raqqa. Insgesamt gibt es viele US-Stützpunkte hauptsächlich im Osten und Nordosten des Landes.

 

10:20 Uhr

Einwohner feiern in Damaskus

Nach dem Ende einer von den Islamisten der Gruppe Hajat Tahrir al-Scham (HTS) verhängten Ausgangssperre (8.12. 16:00 bis 9.12. 5:00 Uhr) versammelten sich erneut einige der Rebellen auf dem zentralen Umayyaden-Platz, wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP beobachteten. Später kamen Bewohner der Hauptstadt dazu.

Eine große Fahne der syrischen Opposition auf dem Umayyad-Platz in Damaskus am 9. Dezember 2024. Auf den Hauptplatz der Stadt wird der Sturz von Baschar al-Assad gefeiert. Foto: Omar Hat Kadour/AFP via Getty Images

„Das ist unglaublich, wir hätten nie gedacht, dass dieser Albtraum aufhören könnte, wir werden wiedergeboren“, sagte die 49-jährige Rim Ramadan. Über 50 Jahre lang habe sich die syrische Bevölkerung nicht getraut, zu sagen, was sie denke, sagte die Angestellte des Finanzministeriums. Selbst zu Hause habe sie Angst gehabt, fügte Ramadin hinzu. „Wir hatten das Gefühl, dass die Wände Ohren haben.“

Vom Umayyaden-Platz aus war zu sehen, wie noch Rauch aus den Gebäuden des syrischen Geheimdienstes aufstieg, die am Sonntag nach dem Einmarsch der islamistischen Kämpfer in Damaskus in Brand gesteckt worden waren.

Bereits am Tag der Eroberung der Hauptstadt hatten viele Menschen in Syrien auf den Straßen gefeiert. Plünderer und Schaulustige drangen zugleich in Assads Residenz ein. Auch die Empfangshalle des Präsidentenpalastes wurde in Brand gesetzt.

 

7:53 Uhr

Debatte über Abschiebungen

Die Lage in Syrien habe sich durch den Sturz von Machthaber Baschar al-Assad „grundlegend geändert“, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU), dem „Handelsblatt“.

Das gelte für diejenigen Flüchtlinge in Deutschland, die vor allem vor Assad geflüchtet seien. „Hier gilt es zu prüfen, ob der Schutzstatus nicht entfällt.“ Auch müsse freiwilliges Rückkehren unterstützt werden, so Throm. „Allen muss klar sein: Flucht ist ein Aufenthalt auf Zeit.“

CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter rät, abzuwarten, wie moderat die islamistischen Gruppen, die den Umsturz herbeigeführt haben, wirklich seien, ob sie ein stabiles Syrien schaffen und untereinander geschlossen agierten.

„In der Tat wäre dies dann die Zeit für einen Neuanfang in der Region und auch in Bezug auf die Fluchtbewegungen eine komplett veränderte Lage für Europa“, sagte Kiesewetter dem „Handelsblatt“. Es bestehe aber auch „die Gefahr, dass ein Kalifat entsteht oder sich Terrorstrukturen ausbreiten“.

SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese warnte vor verfrühten Forderungen nach Abschiebungen. „Vieles ist noch unklar und unübersichtlich“, sagte Wiese der Zeitung. „Viele, die jetzt vorschnell Prognosen und Ratschläge abgeben, haben vor zwei oder drei Wochen noch keine solche Entwicklung prognostiziert, wie wir sie jetzt mit dem Sturz von Assad sehen.“

Rauchschwaden an einer Sicherheitseinrichtung der Regierung in Damaskus, nachdem regierungsfeindliche Rebellen diese am 8. Dezember 2024 geplündert haben. Foto: Rami al Sayed/AFP via Getty Images

 

7:21 Uhr

Iran wurde nicht um Hilfe gebeten

Baschar al-Assad hat angesichts der Offensive von Islamisten in den vergangenen Tagen nach Angaben des Iran seinen Verbündeten nicht um Hilfe gebeten. „Wir wurden niemals um Hilfe gebeten“, sagte der iranische Außenminister Abbas Araghtschi am Sonntag im staatlichen Fernsehen. Es wäre Aufgabe der syrischen Armee gewesen, die Offensive der Islamisten abzuwehren.

Die Führung im Iran gilt neben Russland als engster Verbündeter Assads. Teheran unterstützte Assad jahrelang im syrischen Bürgerkrieg unter anderem mit Militärberatern.

Zudem konnte der syrische Machthaber auf Kämpfer der ebenfalls vom Iran unterstützten libanesischen Hisbollah-Miliz zählen. Dass Israel erfolgreich gegen die Hisbollah vorging ist einer der Gründe für den Sturz von Assad.

Nach der Eroberung von Damaskus war auch die iranische Botschaft in der syrischen Hauptstadt gestürmt und geplündert worden.

 

6:06 Uhr

UN-Dringlichkeitssitzung angesetzt

Der UN-Sicherheitsrat hält nach Angaben aus Diplomatenkreisen am Montag 15:00 Uhr (21:00 Uhr MEZ) eine Dringlichkeitssitzung zu Syrien ab. Russland hatte zuvor eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats zur Lage in Syrien beantragt.

Die islamistische Gruppierung Hajat Tahrir al-Scham (HTS) und ihre Verbündeten hatten am 27. November in Syrien eine Offensive gestartet. Am Sonntag gaben sie die Einnahme der Hauptstadt Damaskus bekannt, der langjährige Machthaber Assad flüchtete außer Landes. Nach Angaben russischer Staatsmedien floh er nach Moskau.

Die islamistische HTS ist aus der Al-Nusra-Front hervorgegangen, dem syrischen Ableger des Terrornetzwerkes Al-Kaida. Nach eigenen Angaben hat sie seit 2016 keine Verbindungen mehr zu Al-Kaida.

US-Präsident Joe Biden bezeichnete den Sturz von Assad als eine „historische Gelegenheit“ für die Menschen in Syrien und einem „fundamentalen Akt der Gerechtigkeit“. Assad müsse für seine Taten „zur Rechenschaft gezogen“ werden. Zugleich warnte Biden, einige der Gruppen, die zum Sturz Assads beigetragen haben, wiesen eine „schlimme Bilanz des Terrors“ auf.

Ein Brand in einem Sicherheitsgebäude, in dem die Abteilung für Verhöre des syrischen Militärgeheimdienstes untergebracht war (8. Dezember 2024 in Damaskus, Syrien). Foto: Ali Haj Suleiman/Getty Images

UN-Generalsekretär António Guterres begrüßte den Sturz von Assad. „Nach 14 Jahren brutalen Krieges und dem Sturz des diktatorischen Regimes kann das syrische Volk heute eine historische Chance ergreifen, um eine stabile und friedliche Zukunft aufzubauen“, erklärte er in New York.

Auch die Bundesregierung begrüßte den Sturz Assads, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach von einer „guten Nachricht“. Der syrische Langzeit-Herrscher habe „zigtausende Leben auf dem Gewissen“ und „Millionen Menschen in die Flucht getrieben“, unter anderem nach Deutschland, sagte Scholz. Die Hoffnungen vieler Menschen auf einen Neuanfang in Syrien seien aber mit „Sorgen“ gemischt, warnte er.

Derweil führten US-Streitkräfte am Sonntag dutzende Angriffe auf Stellungen der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien aus. Ziel der Angriffe war es nach Angaben des US-Zentralkommandos (Centcom), zu verhindern, dass der IS den Vorteil der aktuellen Umsturz-Situation in Syrien ausnutzt.

 

5:45 Uhr

Israel griff Waffenlager des Regimes und von pro-iranischen Kräften an

Israel reagierte auf die Entwicklung im Nachbarland, indem es Truppen in die entmilitarisierte Pufferzone zu Syrien auf den Golanhöhen entsandte, in der UN-Blauhelme stationiert sind.

Bei einem Besuch vor Ort sagte Regierungschef Benjamin Netanjahu, er habe die Armee angewiesen, in die Pufferzone einzurücken und die Kontrolle über dieses Gebiet sowie „angrenzende strategische Positionen“ zu übernehmen. Israel werde es „keiner feindlichen Kraft erlauben, sich an unserer Grenze festzusetzen“.

Israel hat Aktivisten zufolge zudem nach dem Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad mehrere Waffenlager im Osten Syriens angegriffen. Die israelische Luftwaffe habe Angriffe „auf Waffendepots und Stellungen des gestürzten Regimes“ und von pro-iranischen Gruppierungen in der Provinz Deir Essor ausgeführt, sagte der Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Er berichtete von „verstärkten israelischen Angriffen“ auf solche Ziele seit dem Sturz Assads. Die Angaben der umstrittenen Beobachtungsstelle sind nicht überprüfbar.

Auf dem Luftwaffenstützpunkt Mezzeh am 8. Dezember 2024 in Damaskus, Syrien. Foto: Ali Haj Suleiman/Getty Images

Der Iran betonte, der Sturz Assads werde den Widerstand gegen Israel nicht stoppen. „Der Machtwechsel in Syrien könnte den weiteren Kurs der Widerstandsfront gegen das zionistische Regime (Israel) kurzfristig beeinträchtigen, aber definitiv nicht aufhalten“, sagte Außenminister Abbas Araghtschi. Der Widerstand gegen Israel sei „eine ideologische Mission und kein klassischer Krieg“ und gehe daher weiter, sagte er dem Staatssender Irib.

 

5:30 Uhr

HTS-Chef in Damaskus eingetroffen

HTS-Chef Abu Mohammed al-Dscholani traf am Sonntag in Damaskus ein und wurde gefeiert, er besuchte die berühmte Umayyaden-Moschee, wo ihm die Menge zujubelte. Al-Dscholani sprach laut einer von der HTS verbreitenden Aufnahme von einem „historischen Sieg“ für die Region und einem Triumph „für die gesamte islamische Gemeinschaft“. Syrien sei „gereinigt“ worden.

Seine Miliz verhängte eine Ausgangssperre in Damaskus, die zunächst bis Montagfrüh gelten sollte. Der unter Assad amtierende Regierungschef Mohammed al-Dschalali erklärte auf Facebook, er sei bereit zur Kooperation mit „jeder Führung, die das syrische Volk bestimmt“.

Der Anführer der islamistischen Gruppe Hayat Tahrir al-Sham (HTS), Abu Mohammed al-Jolani, am 8. Dezember 2024 in der Umayyad-Moschee, dem Wahrzeichen der Hauptstadt. Jolani, der jetzt unter seinem richtigen Namen Ahmed al-Sharaa auftritt, sprach, während die Menge „Allahu akbar“ skandierte. Foto: Abdulaziz Ketaz/AFP via Getty Images

 

5:10 Uhr

Flüchtlinge in Deutschland

Anton Hofreiter (Grüne) warnt davor, härter gegen syrische Flüchtlinge in Deutschland vorzugehen. „Es ist vollkommen unklar, wie es jetzt in Syrien weitergeht“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Überlegungen, nach dem Sturz von Assad unsere Migrationspolitik zu verändern und härter gegen syrische Geflüchtete vorzugehen, sind völlig fehl am Platz.“

Der demokratische Prozess müsse nun mit aller Kraft vorangebracht werden, fuhr Hofreiter fort. Zuallererst müssten dabei die Rechte von Minderheiten in Syrien sichergestellt sein.

Unionsfraktionsvize Andrea Lindholz (CSU) hatte in der „Rheinischen Post“ den Stopp der weiteren Aufnahme syrischer Flüchtlinge gefordert. „Wir haben in den letzten Jahren unsere humanitären Verpflichtungen übererfüllt“, sagte sie. Sollte es irgendwann zu einer Befriedung in Syrien kommen, entfalle für viele Syrer auch „die Schutzbedürftigkeit und damit der Grund für ihr Aufenthaltsrecht in Deutschland“.

Der Migrationsforscher Gerald Knaus sah nach dem Sturz von Assad derweil die Chance auf Entspannung in der Flüchtlingssituation. „Mittelfristig – sollte Stabilität hergestellt werden – könnte das für die gesamte Flüchtlingssituation, auch in Europa, ein historischer Wendepunkt sein“, sagte er dem „stern“ laut Vorabmeldung vom Montag.

„Syrische Flüchtlinge in den Nachbarländern haben sofort die Chance zu sehen, ob es in ihrer Heimat wieder sicher ist. Ist das so, werden auch Asylanträge in Deutschland und anderen europäischen Ländern zurückgehen“, fuhr er fort.

Syrer versammeln sich in Berlin, um den Sturz des Assad-Regimes zu feiern. Foto: Omer Messinger/Getty Images

Seinen Angaben zufolge könnten sich die Entwicklungen in Syrien auch auf die Politik in Deutschland auswirken. „Wenn sich Syrien stabilisiert, könnte das auch unsere Politik dramatisch und positiv verändern“, sagte Knaus. „Sollte sich die Zahl syrischer Asylanträge 2025 schnell verringern, würde extrem gefährlichen Kräften das Wasser abgegraben – der AfD hierzulande, der FPÖ in Österreich.“ Daher müsse das Thema der Stabilisierung Syriens „absoluten Vorrang“ haben, auch was die außenpolitischen Anstrengungen angehe.

 

4:55 Uhr

Biden: US-Soldaten bleiben in Syrien

US-Präsident Joe Biden kündigte an, dass amerikanische Soldaten bis auf Weiteres in Syrien bleiben werden.

Die USA ließen nicht zu, dass die Terrormiliz IS dort das Machtvakuum nutzen könne, um den eigenen Einfluss wieder auszubauen, sagte Biden. Er sieht den Sturz von Assad auch als Folge seiner eigenen Außenpolitik.

„Die wichtigsten Unterstützer von Assad waren der Iran, die Hisbollah und Russland“. Zuletzt sei deren Unterstützung aber zusammengebrochen, „denn alle drei sind heute viel schwächer, als sie es bei meinem Amtsantritt waren“, sagte Biden.

Die US-Regierung werde Syriens Nachbarländer, darunter Jordanien, den Libanon, den Irak und Israel, unterstützen, falls in der Übergangsphase eine Bedrohung von Syrien ausgehen sollte, sagte Biden weiter.

Er werde in den kommenden Tagen mit Staats- und Regierungschefs in der Region sprechen und ranghohe Beamte dorthin entsenden, so der US-Präsident. „Dies ist ein Moment erheblicher Risiken und Unsicherheit“. Es sei aber zugleich für die Syrer die beste Chance seit Generationen, ihre eigene Zukunft zu gestalten.

Mit Material der Agenturen

 



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