Erneute Bürgermeisterwahl in Istanbul – Testfall für die Demokratie in der Türkei

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Der Oppositionskandidat Ekrem Imamoglu gewann die erste Bürgermeisterwahl, die später annulliert wurde.Foto: Chris McGrath/Getty Images
Epoch Times20. Juni 2019

Knapp drei Monate nach der Kommunalwahl am Bosporus sind die Istanbuler am Sonntag erneut an die Urnen gerufen, um ihren Bürgermeister zu wählen.

Die erste Wahl am 31. März war auf Druck der Partei von Präsident Recep Tayyip Erdogan annulliert worden, nachdem die Opposition sie knapp gewonnen hatte.

Ihr Kandidat Ekrem Imamoglu tritt nun erneut gegen Binali Yildirim von der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) an. Für die Türkei ist die Abstimmung von größter Bedeutung.

Längst geht es bei der Wahl nicht mehr allein darum, wer die 16-Millionen-Metropole in den kommenden Jahren regiert. Sondern auch um die Frage, ob es in der Türkei unter Erdogan noch einen geordneten Machtwechsel durch demokratische Wahlen geben kann.

Alle Augen sind daher nun darauf gerichtet, ob der Wahlgang am Sonntag frei und fair verläuft. Und vor allem, ob beide Seiten dieses Mal das Ergebnis des Urnengangs anerkennen.

Bei der Wahl am 31. März hatte Imamoglu eine hauchdünne Mehrheit errungen. Zwei Wochen später wurde der Kandidat der Republikanischen Volkspartei (CHP) offiziell in sein Amt eingeführt, doch klagte die AKP weiter über angeblichen „Diebstahl an den Urnen“.

Unter Verweis auf Verstöße bei der Ernennung einiger Wahllokalleiter annullierte die Wahlkommission Anfang Mai schließlich die Wahl und ordnete eine Wiederholung an.

Die Entscheidung stieß bei der Opposition auf scharfe Kritik, doch stürzte sich ihr Kandidat umgehend erneut in den Wahlkampf.

Der 49-jährige Bezirksbürgermeister aus dem Istanbuler Stadtteil Beylikdüzü war vor seinem Wahlsieg Ende März praktisch unbekannt.

Imamoglu überzeugt durch Optimusmus

Doch mit seinem besonnenen Auftreten und seiner optimistischen Botschaft avancierte Imamoglu binnen weniger Monate zum Star der Opposition und zum Hoffnungsträger für viele Türken.

Die Wahl steht dieses Mal ganz im Zeichen der Wirtschaftskrise, die den Bürgern zunehmend zusetzt. Anders als im März dreht sich die Debatte vor allem um soziale Themen.

Nachdem Imamoglu den Kampf gegen die Armut und die Arbeitslosigkeit ins Zentrum seiner Kampagne gerückt hatte, zog auch sein Rivale Yildirim nach. Auf Plakaten versprechen nun beide Kandidaten mehr Unterstützung für Familien, Studenten und Bedürftige.

Der 63-jährige Yildirim hebt seine Erfahrung als Verkehrsminister und Ministerpräsident hervor und verweist darauf, was seine Partei alles für die Stadt geleistet habe.

„System der Verschwendung“

Imamoglu dagegen verspricht, das „System der Verschwendung“ zu beenden, dass die AKP in Istanbul errichtet habe. Die Stadtverwaltung hängte daher kurz vor der Wahl überall Plakate auf, auf denen sie erklärt, warum ihre Dienstleistungen keine Verschwendung seien.

Präsident Erdogan, der im März die Wahl zur Frage des „nationalen Überlebens“ erklärt hatte, hielt sich dieses Mal aus dem Wahlkampf weitgehend heraus.

Hatte der AKP-Vorsitzende die erste Wahl durch seine Dauerpräsenz zu einer Art Referendum über sich selbst gemacht, verzichtete er dieses Mal auf Wahlkampfauftritte in Istanbul. Statt auf medienwirksame Großkundgebungen setzte die AKP auf kleinere Treffen in den Stadtvierteln.

Schlüsselrolle spielen die kurdischen Wähler

Viel hängt nun von der Wahlbeteiligung ab. Die Wahl fällt mitten in die Ferienzeit. Besonders die CHP fürchtet, dass viele ihrer Wähler am Strand sein werden.

Mehrere Fluggesellschaften haben den Istanbulern kostenlose Umbuchungen angeboten. Einige von der CHP regierte Küstenorte wie Datca haben die Istanbuler in humorvollen Anzeigen zudem aufgerufen, am Sonntag zuhause zu bleiben, weil ein „Schneesturm“ erwartet werde.

Eine Schlüsselrolle bei der Wahl spielen die kurdischen Wähler. Als Zugeständnis an die Kurden erlaubte die Regierung dem inhaftierten Gründer der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Abdullah Öcalan, vor Kurzem erstmals seit 2011, seine Anwälte zu sehen.

Die prokurdische HDP verzichtet erneut darauf, einen eigenen Kandidaten aufzustellen. Ihr inhaftierter Ex-Vorsitzende Selahattin Demirtas rief in einer Botschaft dazu auf, Imamoglu zu wählen. (afp)



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