Teilung der Ukraine nach BRD-DDR-Vorbild? NATO diskutiert Friedensmöglichkeit

Ein Teil der Ukraine als NATO-Mitglied und ein Verbleib russisch kontrollierter Gebiete im Einflussbereich des Kremls? Ein solches Szenario, das an die Teilung Deutschlands nach 1945 erinnert, wird derzeit offenbar zwischen NATO-Ländern und Kiew diskutiert.
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Die Front zwischen russischen und ukrainischen Truppen verläuft direkt durch die ostukrainische Stadt Torezk. (Archivbild)Foto: Evgeniy Maloletka/AP/dpa
Von 9. Oktober 2024

Der ukrainische Machthaber Wolodymyr Selenskyj will am kommenden Samstag, 12. Oktober, auf der US-Militärbasis in Ramstein seinen „Siegesplan“ im Krieg gegen Russland vorstellen. Mehr als 50 Unterstützerstaaten der Ukraine sollen seine Ausführungen zuhören.

Unterdessen schwindet auch in deren Reihen die Zuversicht, dass Selenskyj seine Maximalziele wie die Rückeroberung der russisch kontrollierten Gebiete sowie der Krim erreichen wird. Deshalb wird in den Reihen der NATO zunehmend ein anderweitiges Szenario diskutiert. Dieses läuft im Kern auf eine Teilung des Landes nach dem Vorbild von BRD und DDR zwischen 1949 und 1990 hinaus. Der von Kiew kontrollierte Teil der Ukraine soll auch eine Beitrittsoption zur NATO erhalten.

Mögliches künftiges Bündnisgebiet nicht zwingend deckungsgleich mit anerkannten Grenzen

Wie die „Financial Times“ (FT) berichtet, soll ein solches Modell bereits im September in den USA diskutiert worden sein. Damals hatte Selenskyjs Präsidialamtschef Andrij Jermak Washington besucht. Dabei deutete Jermak an, dass ein NATO-Beitritt ein elementarer Teil von Selenskyjs „Siegesplan“ sei.

Allerdings schließt die NATO aus, einen Staat als Mitglied aufzunehmen, der sich in einem Krieg befindet. Lange hatte es deshalb aus den Reihen des Militärbündnisses geheißen, dass eine Mitgliedschaft der Ukraine in absehbarer Zeit unrealistisch sei. Der erst kürzlich aus dem Amt geschiedene NATO-Generalsekretär a. D. Jens Stoltenberg hat diese Einschätzung nun relativiert.

Allerdings würde die Ukraine, die man in die NATO aufnehmen könne, „nicht zwingend die international anerkannte Grenze“ aufweisen, so Stoltenberg zur FT. Derzeit kontrolliert die Russische Föderation knapp 20 Prozent des ukrainischen Territoriums.

Stoltenberg: Nur vollständig von der Ukraine kontrollierte Gebiete können NATO-Mitglied sein

Wo ein Wille sei, sei auch ein Weg hin zu einer NATO-Mitgliedschaft der Ukraine, so Stoltenberg. Allerdings brauche das Bündnis auch eine Sicherheit, nicht über die Beistandsverpflichtung in einen Krieg hineingezogen zu werden:

Wir müssen eine Grenze ziehen, die definiert, wo Artikel 5 zum Tragen kommt. Bis dorthin muss die Ukraine die Kontrolle über alle Territorien haben.“

Artikel 5 bestimmt, dass ein Angriff auf ein Mitglied der Militärallianz als ein Angriff auf alle anzusehen sei – und eine Beistandsverpflichtung auslöst. Diese kann in unterschiedlicher Weise bis hin zum militärischen Beistand ausgeübt werden.

Gegenüber der Zeitung „Kyiv Independent“ hat der niederländische Verteidigungsminister Ruben Brekelmans bestätigt, dass es Gespräche über eine solche NATO-Lösung nach westdeutschem Vorbild gebe. Wie weit diese gediehen seien und wie konkret man dabei geworden sei, führte er nicht weiter aus.

Deutschland oder Japan taugen nicht als Beispiele

Der russische Senator Alexei Puschkow sieht derzeit keine Perspektive für eine solche Lösung. Gegenüber „Eurasia Daily“ äußerte er, die NATO suche nach einer Formel, die eine Aufnahme der Ukraine ohne die von Russland kontrollierten Gebiete ermögliche. Das Beispiel Westdeutschlands oder auch nur der Sicherheitsgarantien der USA für Japan tauge hier nicht als Vorbild:

Keines der genannten Länder war im Moment der Aufnahme in die NATO oder der Erteilung der Sicherheitsgarantien mit einem anderen im Krieg. Die Ukraine ist aber mit Russland im Krieg. Deshalb holt sich die NATO, wenn sie die Ukraine in ihr Bündnis aufnimmt, einen größeren militärischen Konflikt in ihren Operationsbereich.“

Es gebe dafür keinen Präzedenzfall, und es ist unwahrscheinlich, dass ein solcher mit der Ukraine geschaffen werde. Jede Formel für eine NATO-Aufnahme der Ukraine hänge direkt von einem Ende der Feindseligkeiten ab, aber die NATO könne dieses Problem nicht ohne Russland lösen.

Fico: „Mit mir als Premierminister ist NATO-Beitritt der Ukraine nicht machbar“

Russland sei zu Verhandlungen bereit, allerdings nicht über eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine, heißt es weiter. Diesbezüglich seien die Positionen der NATO und des Westens unvereinbar, so Puschkow auf Telegram:

„Der Westen wird entweder eine kriegführende Ukraine und die daraus entstehenden Konsequenzen akzeptieren müssen. Oder er weigert sich, das zu tun, um eine hypothetische Möglichkeit für Verhandlungen zu schaffen, was aber den erklärten Zielen der NATO zuwiderlaufen würde. Die Allianz will keines dieser Szenarien.“

Russland hat die Verhinderung eines NATO-Beitritts der Ukraine als eines seiner Kriegsziele definiert.

Unterdessen hat der slowakische Regierungschef Robert Fico erklärt, er werde jedwede Initiativen hin zu einer NATO-Mitgliedschaft der Ukraine blockieren. Eine solche, so Fico, könne „den Ausbruch des Dritten Weltkriegs bedeuten“. Solange er Premierminister der Slowakischen Republik sei, werde er die Abgeordneten seiner Regierungskoalition „ermutigen, nie einer NATO-Mitgliedschaft der Ukraine zuzustimmen“.

Gegen einen EU-Beitritt habe er nichts einzuwenden, so Fico. Allerdings spricht er sich auch für eine vollständige Wiederherstellung der Beziehungen zu Russland aus.



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