Taiwans Weg zur Demokratie

20. Gedenktag zur Aufhebung des Kriegsrechtes in Taiwan
Von 19. Juli 2007

Taipei – Am vergangenen Mittwoch, dem 11. Juli, hat das Kabinett Taiwans den 15. Juli zum festen Gedenktag für die Aufhebung des Kriegsrechtes in Taiwan erklärt. Er sei aber nur ein Gedenktag, kein Feiertag, sagte Premierminister Zhang Jünxiong. Der Gedenktag soll die Bürger und Politischen Parteien Taiwans daran erinnern, dass Taiwans Demokratisierung nicht einfach gewesen sei, so weiter Premierminister Zhang.

Am Wochenende wurden mehrere Gedenkveranstaltungen abgehalten, wobei unter anderem Lieder gesungen wurden, die während der Zeit des Kriegsrechtes verboten waren. Präsident Chen Shui-bian, der zur Zeit der Kaoshionger Vorfälle als Rechtsanwalt den Verurteilten zur Seite stand und später selbst als politischer Gefangener eingesperrt wurde, nahm an den von seiner Partei organisierten Veranstaltungen teil.

Auch in Straßburg hat eine Gruppe europäischer Parlamentsabgeodneter dem 20. Jahrestag der Aufhebung des Kriegsrechtes in Taiwan gedacht. Präsident Chen Shuibian übermittelte eine Grußbotschaft an die Teilnehmer der Gedenkfeier. Chen sagte, Taiwan werde weiterhin Freiheit, Demokratie, Menschenrechte, Frieden und Gerechtigkeit verfolgen. Dies trotz der Herausforderungen, denen Taiwan seit Ende des Kriegsrechtes vor 20 Jahren gegenübersteht.

Taiwan war einer der gefährlichsten Krisenherde während des Kalten Krieges. Die Kommunisten standen gegen die Nationalen Truppen unter Chiang Kai-shek, der Rückendeckung durch die USA erhielt. Der Kalte Krieg ist längst vorbei, Taiwan hat sich von einer Diktatur zu einer Demokratie gewandelt, der Konflikt zwischen China und Taiwan hat jedoch nichts an Schärfe verloren. Die Kommunisten sehen die „Wiedervereinigung“ weiterhin als oberstes Ziel ihrer Außenpolitik, wobei „nicht friedliche Mittel“ ausdrücklich nicht ausgeschlossen werden.

Ende der Besetzung durch Japan

China versank nach dem Ende der letzten Kaiserdynastie 1911 im Chaos und wurde von verschiedenen Kriegsfürsten und Großgrundbesitzern beherrscht. Die Nationale Kumintang-Partei (KMT) versuchte China militärisch zu vereinen, doch die Invasion durch die Japaner vor und während des 2. Weltkrieges verhinderte dies. Nach dem 2. Weltkrieg stellte die KMT die Regierung für ganz China, und somit auch für Taiwan, das unter dem Mandat der Alliierten stand. Für Taiwan endeten fünfzig Jahre Besetzung durch Japan.

Taiwan ging es unter den Japanern materiell wesentlich besser als China. Junge Taiwaner wurden in die japanische Armee eingezogen. Die kriegsmüde und immer noch gegen die Kommunisten kämpfende KMT betrachtete Taiwan als Kriegsbeute. Die anfängliche Freude der einheimischen Bevölkerung über ihre Befreiung von den Japanern legte sich sehr schnell. 1947 wurde ein Aufstand mit der Forderung nach Autonomie blutig niedergeschlagen. Nach neueren Schätzungen fielen dem Blutbad der KMT 30.000 Menschen zum Opfer.

Versuchte Invasion der Volksbefreiungsarmee und das Kriegsrecht

Nach der Niederlage gegen die Kommunisten 1949 und der Flucht der KMT mit dessen Führer Chiang Kai-shek nach Taiwan verhängte dieser das Kriegsrecht. Die Kommunisten versuchten mehrere Male, Taiwan einzunehmen, und griffen die von der KMT gehaltenen Inseln an, von denen einige auf Sichtweite zum Festland liegen und die Chiang Kai-shek als Sprungbrett für die Rückeroberung Chinas dienen sollten. 1955 wurden die Tachen-Inseln von den Kommunisten eingenommen, Kinmen und die anderen der Chinesischen Küste vorgelagerten Inseln konnten von der KMT gehalten werden. 1958 begann ein erneutes Bombardement, wobei innerhalb von vierundvierzig Tagen beinahe eine halbe Million Bomben auf die nur wenige Quadratkilometer große Insel Kinmen fielen. Die Artilleriegefechte endeten erst durch internationalen Druck auf die Volksrepublik China Ende der Siebziger Jahre.

Chiang Kai-shek plante die Rückeroberung Chinas, doch die USA hielt ihn davon ab. Von den drei Prinzipien „Nationalität“, „Volksrecht“ (Demokratie) und „Volkswohl“, die Dr. Sun Yat-sen, der Gründer der KMT als Leitbild für die KMT hinterließ, und die auch die Hauptbestandteile der Nationalhymne von Taiwan und des Parteiliedes sind, sorgte Chiang Kai-shek nur für das Prinzip „Nationalität“ in Taiwan.

Das Kriegsrecht setzte große Teile der Verfassung außer Kraft. Militärgerichte verurteilten Zivilisten ohne öffentlichen Prozess zu Gefängnisstrafen, oder sie wurden gleich hingerichtet. Zensur beherrschte die Medien. Briefe wurden geöffnet und Telefone abgehört. Aus Angst vor einer Revolte wurde die lokale Sprache, das Taiwanesisch, in den Schulen und Universitäten verboten, da die KMT-Mitglieder vom Festland es nicht beherrschten. Die Gründung von politischen Parteien in Opposition zur KMT war verboten. Chiang Kai-shek herrschte bis zu seinem Tod 1975 mit eiserner Hand über Taiwan. Sein Leichnam ist südlich von Taipei aufgebahrt. Nach seinem letztem Willen soll sein Leichnam auf dem Festland beerdigt werden.

Der Kaoshiong Vorfall

Der Kaoshiong Vorfall, auch „Meilidao-Zwischenfall“ genannt, war die Wende in der Demokratisierung Taiwans. Die größten Persönlichkeiten der heute regierenden „Demokratischen Fortschrittspartei“ (DDP) waren daran beteiligt.

1979 wurde erstmals anlässlich des Internationalen Menschenrechtstages am 10. Dezember eine Kundgebung gewährt, die jedoch von der Militärpolizei aufgelöst wurde und deren Anführer von Militärgerichten wegen Aufwiegelung bis zu 14 Jahren Haftstrafen verurteilt wurden. Die heute prominenteste Verurteilte war die Vizestaatspräsidentin Lü Hsiu-lien (DPP). Sie berichtete über psychische Folter, und dass sie der Androhung der Hinrichtung ausgesetzt war. Sie wurde wegen falscher Anschuldigungen zu zwölf Jahren Haft verurteilt.

Trotz der Repression führte dieser Zwischenfall dazu, dass Bürger im Inland und in taiwanesischen Gemeinden im Ausland politisch hervortraten. Es entstand die heutige DPP, die maßgeblich zur Demokratisierung von Taiwan beitrug.

Ende des Kriegsrechts nach 38 Jahren

Am 28. September 1986 wurde die DPP trotz des noch bestehenden Verbots gegründet. Die KMT-Regierung unter Chiang Ching-kuo, dem Sohn des verstorbenen Chiang Kai-shek, machte keine Anstalten einzugreifen. Er hatte sich schon früher gegen den rechten Flügel der KMT für Reformen eingesetzt. Chiang verkündete am 15. Juli 1987 das Ende des 38 Jahre dauernden Kriegsrechtes. Dies war der erste große Schritt Taiwans in Richtung Demokratisierung. Weitere Reformen folgten, und schließlich waren 1996 die ersten freien Präsidentschaftswahlen möglich.

Geächtete Demokratie – alte Kriegsdrohungen

Heute ist Taiwan trotz der ständigen Kriegsdrohungen aus Peking eine lebendige Demokratie, jedoch auf Druck des kommunistischen China auf der internationalen politischen Bühne geächtet. Da Peking für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen ihr „Ein-China-Prinzip“ als Bedingung voraussetzt, und Taiwan als abtrünnige Provinz deklariert, unterhält kein bedeutendes Land diplomatische Beziehungen zu Taiwan. Aus der historischen Tatsache, dass Taiwan einmal Hoheitsgebiet der Chin-Dynastie war, leiten die die Kommunisten ihre Ansprüche zur „Heimkehr“ Taiwans und dessen Wiedervereinigung mit dem „Vaterland“ her. Bei der Volksrepublik Mongolei wird mit einem anderen Maß gemessen. Die Mongolei stand auch unter der Herrschaft der Chin-Dynastie, doch seit 1949 wird die Mongolei von der Volksrepublik China als eigener Staat anerkannt. Die Volksrepublik China verzichtete auf alle Gebietsansprüche in der ehemaligen Äußeren Mongolei. Auf Taiwan zielen indes über 900 Raketen, und die Volksbefreiungsarmee steht bereit, die Insel für die „Wiedervereinigung“ zu erobern. Im Frühling 2005 wurde ein Gesetz verabschiedet, das eine militärische Intervention gegen Taiwan rechtfertigt. Taiwans jetzige Freiheit ist den USA als Schutzmacht zu verdanken, die in ihrer Verfassung die Verteidigung Taiwans verankert hat.



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