„Tag der Störung“: Massenproteste für Geisel-Deal in Israel
Mit einem „Tag der Störung“ haben Tausende Israelis in Tel Aviv und anderen Städten des Landes für einen Geisel-Deal demonstriert. Dabei legten sie zeitweise auch den Verkehr lahm. Mit dem Protest neun Monate nach Kriegsbeginn wollen sie den Druck auf die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verstärken, um auf dem Verhandlungswege die Freilassung von rund 120 Geiseln in der Gewalt der islamistischen Hamas zu erreichen.
Am 7. Oktober hatten Terroristen der Hamas sowie anderer palästinensischer Gruppierungen Israel überfallen und 1200 Menschen getötet. Zudem wurden rund 250 weitere Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.
Das beispiellose Massaker war Auslöser des Gaza-Krieges. Rund 120 Geiseln befinden sich nach israelischen Schätzungen immer noch in der Gewalt ihrer Entführer – unter ihnen sind auch Kinder, Frauen sowie ältere Menschen. Viele von ihnen dürften nicht mehr am Leben sein.
Proteststart zur Uhrzeit des Hamas-Massakers
Die Proteste begannen um 6:29 Uhr (Ortszeit), jener Uhrzeit, zu der der Überfall der Hamas begonnen hatte. Protestteilnehmer in Tel Aviv trugen etwa Schilder mit der Aufschrift „Wir sind alle Geiseln“. Die Polizei nahm nach eigenen Angaben fünf Demonstranten fest, die eine Straßenkreuzung im Norden der Metropole blockierten.
In Jerusalem setzten sich Protestteilnehmer auf die Schienen der Straßenbahn, die durch das Stadtzentrum fährt. Nahe der Grenze zum Gazastreifen ließen Aktivisten schwarze und gelbe Luftballons steigen – die Farbe Gelb symbolisiert für sie das Schicksal der Geiseln. Die Blockaden störten auch den Berufsverkehr. In Israel beginnt am Sonntag die Arbeitswoche.
Mögliche Fortschritte bei Verhandlungen
Bereits am Samstagabend hatten in Israel Zehntausende demonstriert. In Tel Aviv wurde auf einer Großleinwand ein Video mit einer ehemaligen Geisel eingespielt. Der 22-jährige Almog Meir Jan, den das israelische Militär vor einem Monat befreit hatte, sagte darin: „Wir brauchen einen Deal, damit alle Mütter ihre Kinder und Ehemänner umarmen können, so wie ich jetzt meine Mutter jeden Morgen umarme.“
Befeuert hatten die Proteste Berichte, wonach es nach langem Stillstand Fortschritte bei den von Katar, Ägypten und den USA vermittelten Verhandlungen geben soll.
Ägypten werde schon in diesen Tagen mit allen Seiten intensive Beratungen führen, berichtete der staatsnahe Fernsehsender Al-Kahira unter Berufung auf hohe ägyptische Regierungsbeamte. Eine Delegation hoher US-Beamter traf am Sonntagnachmittag in Kairo ein.
Die seit Monaten andauernden Verhandlungen waren zuletzt ins Stocken geraten. Die Hamas forderte bislang die sofortige Beendigung des Krieges seitens Israels im Gegenzug für eine Geiselfreilassung. Israel will sich hingegen die Option für die Fortsetzung des Krieges offenhalten, um die Hamas als militärische Formation und Regierungsmacht im Gazastreifen zu zerschlagen.
Hamals lockerte ihre Vorstellungen wohl etwas
Medienberichten zufolge soll die Hamas inzwischen ihre strikten Forderungen etwas gelockert haben. Der Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad, David Barnea, hatte am Freitag wieder mit der Regierung in Katar verhandelt, die in direktem Kontakt mit der Hamas steht.
Nach Angaben eines ranghohen Vertreters der Hamas sei diese bereit, ohne eine „vollständige und dauerhafte Waffenruhe“ über die Freilassung von Geiseln und ein Ende des Krieges im Gazastreifen zu verhandeln.
Der ranghohe Vertreter sagte der Nachrichtenagentur AFP am Sonntag, die Forderung der Hamas, dass Israel „einer vollständigen und dauerhaften Waffenruhe“ zustimmen müsse, um Gespräche über einen Austausch von Geiseln gegen Häftlinge zu beginnen, sei „überholt“. Die Vermittler hätten zugesagt, „dass die Waffenruhe für die Dauer der Verhandlungen in Kraft bleibt“.
Israelische Medien berichteten danach unter Berufung auf Delegationskreise von einem gewissen Optimismus. Andere Beobachter verwiesen darauf, dass die Hamas einzelne Änderungen im Text des Vertragsabkommens vorgeschlagen habe, aber in der Sache weiterhin wenig Bewegung zeige. (dpa/red)
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