Syrische Regierung verliert Kontrolle über wichtige Stadt Darʿā
Nach der Einnahme der Großstädte Aleppo und Hama durch islamistische Regierungsgegner hat in Syrien Machthaber Baschar al-Assad nach Angaben von Aktivisten auch die Kontrolle über die symbolträchtige Stadt Darʿā im Süden des Landes sowie den größten Teil der gleichnamigen Provinz verloren.
„Lokale Gruppierungen haben die Kontrolle über weitere Gebiete in der Provinz Daraa übernommen, einschließlich der Stadt Darʿā“, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am späten Freitagabend mit.
Die lokalen Gruppierungen würden nun „mehr als 90 Prozent der Provinz kontrollieren, da sich die Regimekräfte sukzessive zurückgezogen“ hätten, teilte die Beobachtungsstelle weiter mit.
Beginn des Bürgerkriegs 2011 in Darʿā
Darʿā galt zu Beginn des syrischen Bürgerkriegs 2011 als Oppositionshochburg. In der gleichnamigen Provinz hatte im Jahr 2011 der Aufstand gegen Präsident Assad begonnen, den dieser blutig niederschlagen ließ – was letztlich in den syrischen Bürgerkrieg mündete. Die Region war seit 2018 aber wieder unter der Kontrolle der Regierung.
In den vergangenen Tagen hatten die islamistischen Kämpfer der Miliz Hajat Tahrir al-Scham (HTS) und ihre Verbündeten bereits die Großstädte Aleppo und Hama im Nordwesten Syriens eingenommen.
Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte waren sie am Freitag nur noch fünf Kilometer von der Stadt Homs entfernt, der nach der Hauptstadt Damaskus und Aleppo drittgrößten Stadt des Landes.
Auf dem Weg Richtung Homs seien die HTS und ihre Verbündeten in die Städte Rastan und Talbisseh eingedrungen, erklärte die Beobachtungsstelle. Es sei eine „völlige Abwesenheit“ von Truppen der Assad-Regierung in diesen beiden Städten festzustellen gewesen.
Unklar, ob Regierungstruppen noch in Homs sind
Nach Angaben der Beobachtungsstelle haben sich die Regierungstruppen auch aus Homs bereits zurückgezogen. Das syrische Verteidigungsministeriums hat dies jedoch dementiert. Die Armee erklärte, sie habe Verstärkung nach Homs geschickt.
Die in Großbritannien ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte bezieht ihre Informationen aus einem Netzwerk verschiedener Quellen in Syrien. Viele Angaben der Beobachtungsstelle lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
Sollten die syrischen Islamisten auch Homs einnehmen, würde dies die Verbindung zwischen Damaskus und der Mittelmeerküste abschneiden. Nach Angaben der Beobachtungsstelle sind schon zehntausende Menschen aus Homs geflohen, hauptsächlich Angehörige der Minderheit der Alawiten, der auch Assad angehört.
Am Freitag zog sich die Armee laut Beobachtungsstelle auch aus der gesamten Provinz Deir Essor im Osten Syriens zurück. Die Regierungstruppen und ihre vom Iran unterstützten Verbündeten hätten sich „vollständig aus den von ihnen kontrollierten Gebieten in der Provinz Deir Essor zurückgezogen“, erklärte der Leiter der Beobachtungsstelle, Rami Abdel Rahman.
Auch Kurdenmilizen rücken vor
In diese Gebiete rücken nun Kämpfer des von Kurdenmilizen angeführten Militärbündnisses Demokratische Kräfte Syriens (SDF) vor. Das Militärbündnis, das bereits einen Großteil Nordostsyriens kontrolliert, bekundete angesichts des Vorrückens der Islamisten zugleich seine Bereitschaft zu Gesprächen.
Der Anführer der islamistischen NTS, Abu Mohammed al-Dscholani, bekräftigte in einem Interview mit dem US-Sender CNN das Ziel seiner Gruppierung, Assad zu stürzen. Es sei das Recht seiner Kämpfer, „alle verfügbaren Mittel einzusetzen, um dieses Ziel zu erreichen“, sagte al-Dscholani.
Im Süden Syriens brachten lokale bewaffnete Gruppen nach Angaben der Beobachtungsstelle unterdessen den Grenzübergang Nassib an der Grenze zu Jordanien unter ihre Kontrolle. Jordanien hat den Grenzübergang nach eigenen Angaben geschlossen.
Intensivsten Kämpfe seit vier Jahren
Nach Jahren verhältnismäßigen Stillstands im syrischen Bürgerkrieg hatten vor einer Woche die HTS und mit ihr verbündete Gruppierungen eine Großoffensive im Nordwesten des Landes gestartet. Es sind die intensivsten Kämpfe in Syrien seit vier Jahren.
Angesichts des Vormarschs der Islamisten wollten sich am Samstag die Außenminister der Türkei, des Iran und Russlands in Katar treffen. Der Iran und Russland sind wichtige Verbündete Assads.
Die Türkei teilt eine lange Landgrenze mit Syrien und hat fast drei Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen. Ankara unterstützt seit Jahren Aufständische im Norden Syriens, hatte sich zuletzt jedoch um eine Annäherung an Damaskus bemüht.
Treffen der Außenminister von Iran, Irak und Syrien
Die Außenminister von Iran, Irak und Syrien trafen sich am Freitag. Der syrische Außenminister Bassam al-Bassagh warf den Feinden seiner Regierung vor, „die politische Landkarte neu zeichnen“ zu wollen.
Zwar sicherte der iranische Außenminister Abbas Araghtschi zu, die verbündete Assad-Regierung mit „jeglicher Unterstützung“ zu versorgen. Die „New York Times“ berichtete jedoch am Freitag unter Berufung unter anderem auf iranische Beamte, dass Teheran begonnen habe, seine militärischen Befehlshaber und Personal aus Syrien abzuziehen.
Indes rief US-Außenminister Antony Blinken bei einem Telefonat mit seinem türkischen Amtskollegen Hakan Fidan zum Schutz von Zivilisten und Minderheiten in Syrien auf. Blinken habe zu einer „politischen Lösung“ des Konflikts aufgerufen, sagte sein Sprecher.
Das US-Außenministerium rief US-Bürger am Freitag dazu auf, „Syrien jetzt zu verlassen, solange es noch kommerzielle Möglichkeiten gibt“. (afp)
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