Syrische Flüchtlinge sollen zurückkehren: Übergangsregierung verspricht Schutz

Nach dem Sturz des Assad-Regimes verspricht die neue Übergangsregierung in Syrien Stabilität und Rechte für alle religiösen Gruppen. Übergangspremier Mohammad al-Baschir ruft Geflüchtete zur Rückkehr auf und betont die Bedeutung eines inklusiven Verfassungsprozesses. Gleichzeitig äußern internationale Akteure ihre Erwartungen.
Auch nach dem Sturz Assads in Syrien bleiben Gebiete umkämpft.
Auch nach dem Sturz Assads in Syrien bleiben Gebiete umkämpft.Foto: Sally Hayden/SOPA Images via ZUMA Press Wire/dpa
Von 12. Dezember 2024

In Syrien hat Übergangspremier Mohammad al-Baschir am Mittwoch, 11.12., angekündigt, die Rebellenallianz unter Führung von Hayat Tahrir Al-Sham (HTS) werde die Rechte aller religiösen Gruppen im Land „garantieren“. Zugleich rief er vor dem Assad-Regime geflüchtete Syrer zur Rückkehr auf.

Al-Baschir versuchte in seinem ersten Interview nach der Ernennung zum Übergangspremier Befürchtungen zu zerstreuen, die neue Regierung könnte Minderheiten unterdrücken. Er betonte gegenüber dem in Katar ansässigen Sender „Al-Dschasira“:

„Gerade, weil wir islamisch sind, werden wir die Rechte aller Menschen und aller religiösen Gruppen in Syrien garantieren.“

Verfassung in Syrien weist schon jetzt islamische Elemente auf

Gegenüber dem italienischen „Corriere della Sera“ äußerte er auf die Frage, ob die neue syrische Verfassung eine islamische sein werde, man werde „all diese Details während des Verfassungsprozesses klären“.

Syrien war zwar unter der Herrschaft der Baath-Partei und des Assad-Clans ein säkularer Staat. Allerdings wurden auf Druck streng-muslimischer Kräfte im Land einige Artikel in die Verfassung eingefügt, die Muslimen Vorrechte sicherten. So hieß es, dass der Präsident des Landes des Islam angehören sollte. Außerdem wurde die Scharia als eine „Hauptquelle der Gesetzgebung“ bezeichnet.

In der Jurisprudenz bestand ein gleichberechtigtes Nebeneinander von säkularen und religiösen Gerichten, wobei nur der Bereich des Straf- und Zivilrechts ein Vorrecht des Staates war. Religiöse Gerichte waren für Personenrecht, Familienrecht und religiöse Angelegenheiten zuständig. Allerdings garantiert die Verfassung auch die Freiheit der Religionsausübung.

Emirate wollen die Übergangsregierung beraten

Der Assad-Clan gehörte der religiösen Sondergruppe der Alawiten an. Langzeitherrscher Hafiz al-Assad nahm jedoch schon in den 1970er Jahren demonstrativ an islamischen Zeremonien teil. Damit wollte er deutlich machen, dass auch die im 9. Jahrhundert aus dem schiitischen Islam abgespaltene, esoterisch orientierte Gemeinschaft diese Qualifikation erfülle.

Im syrischen Bürgerkrieg kam es zu mehreren Massakern dschihadistischer Gruppen an Alawiten. Radikale sunnitische Rechtsgelehrte in deren Reihen präsentierten Gutachten, die den „häretischen“ Charakter alawitischer Lehren nachweisen sollten. Auch Schiiten erkennen die Gemeinschaft nicht als islamisch an. Dennoch wurde der Iran für Assad zu einem der wichtigsten Verbündeten.

Die Amtszeit al-Baschirs ist bis 1. März befristet. Offenbar will HTS bis dahin einen Verfassungsentwurf erarbeiten. Nun sei „die Zeit für die Menschen angebrochen, um Ruhe und Stabilität zu genießen“, äußerte der Premier. Unterdessen haben, wie „The National“ berichtet, die Vereinigten Arabischen Emirate der Übergangsregierung in Syrien Unterstützung bei der Neukonzeption des Staatswesens angeboten.

Al-Dscholani: „Assad soll alle Standorte von Foltergefängnissen in Syrien nennen“

HTS-Anführer Abu Mohammad al-Dscholani hatte zuvor gegenüber „Sky News“ erklärt, das Land sei „erschöpft“ vom Krieg und werde deshalb nicht wieder in einen hineinschlittern. Es werde eine nationale Versöhnung und einen geordneten Machttransfer geben. Allerdings stellte al-Dscholani auch für Folter und Kriegsverbrechen Verantwortlichen Strafverfolgung in Aussicht.

Russlands Präsident Wladimir Putin forderte er dazu auf, auf den früheren Machthaber Baschar al-Assad einzuwirken. Der gestürzte Präsident, der in Moskau Asyl genießt, solle alle Standorte von Geheimgefängnissen und Folterzentren bekannt geben. Unterdessen haben die Rebellen die am Sonntag verhängte Ausgangssperre in der Hauptstadt Damaskus aufgehoben. In einem Statement hieß es:

„Die Militärverwaltung hat die Ausgangssperre in der Stadt aufgehoben. Wir fordern unsere Bürger dazu auf, zu ihren Arbeitsplätzen und Einrichtungen zurückzukehren und mit uns ein neues Syrien zu bauen.“

Erstmals seit dem Sturz des Assad-Regimes hat sich auch der Iran zu den Ereignissen in Syrien geäußert. Zuletzt war Assad weitgehend ein Herrscher von Teherans Gnaden. Dass Israel in den vergangenen Wochen gezielt proiranische Milizen im Libanon und in Syrien unter Beschuss genommen hatte, trug indirekt zum Machtverlust der Führung in Damaskus bei.

Iran: Assad hat „den Feind vernachlässigt“

Das Oberhaupt des iranischen Regimes, der geistliche Führer Ali Khamenei, äußerte in Staatsmedien:

„Es gibt keinen Zweifel, dass die Ereignisse in Syrien in den Kommandoräumen der USA und Israels ausgeheckt wurden. Wir haben Beweise dafür.“

Es habe jedoch auch „ein Nachbarland Syriens eine Rolle gespielt“, fügte Khamenei hinzu, womit er offenbar die Türkei meinte. Khamenei warf Assad vor, dieser habe „den Feind vernachlässigt“. Iranische Geheimdienste hätten die syrische Regierung während der vergangenen drei Monate wiederholt vor Gefahren für deren Stabilität gewarnt. Dennoch werde die „Achse des Widerstands“ gestärkt aus den Ereignissen hervorgehen.

Auch US-Außenminister Anthony Blinken ist auf dem Weg in die Region. Am Freitag wollen türkische und amerikanische Diplomaten gemeinsam die Lage in Syrien erörtern. Blinken wird dabei auch seinen türkischen Amtskollegen Hakan Fidan treffen. Der US-Außenminister hatte geäußert, der Übergangsprozess solle eine „glaubwürdige, inklusive und nicht-sektiererische Regierung“ sein, die „internationale Standards von Transparenz und Rechenschaftspflicht“ einhalte.

SDF kündigen Räumung von Manbidsch an – HTS nimmt Deir ez-Zor ein

Im Norden des Landes haben pro türkische Kräfte und die kurdisch dominierten „Syrischen Demokratischen Kräfte“ (SDF) ein Waffenstillstandsabkommen abgeschlossen. Dieses soll den SDF die Räumung der Stadt Manbidsch ermöglichen. Zuvor hatten bereits Rebellen die Provinzhauptstadt Deir ez-Zor eingenommen.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat den Machtwechsel in Syrien als einen „Sieg der Menschlichkeit, des Mitgefühls, der Solidarität und der Großzügigkeit“ bezeichnet. Man werde den syrischen Geflüchteten nun eine „Rückkehr in Würde“ ermöglichen. Erdoğan kritisierte die Opposition in seinem Land scharf. Diese habe eine erzwungene Rückführung der Geflüchteten nach Syrien gefordert und sie damit „in den Tod schicken“ wollen.



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