Erst Waffenhandel nun Rüstungsstopp: Bundesregierung erteilt „keine neuen Genehmigungen“ an Türkei
Die Bundesregierung stoppt Waffenexporte an die Türkei. „Vor dem Hintergrund der türkischen Militäroffensive in Nordost-Syrien wird die Bundesregierung keine neuen Genehmigungen für alle Rüstungsgüter, die durch die Türkei in Syrien eingesetzt werden könnten, erteilen“, sagte Außenminister Heiko Maas (SPD) der „Bild am Sonntag“.
Die Bundesregierung hat laut Maas bereits seit 2016 eine sehr restriktive Linie für Rüstungsexporte nach Ankara umgesetzt, insbesondere nach der türkischen Miilitäroffensive auf die nordsyrische Region Afrin.
Ein Rüstungsexportstopp wurde bislang aber nicht verhängt.
In den ersten vier Monaten dieses Jahres hat Ankara Kriegswaffen für 184,1 Millionen Euro aus Deutschland erhalten. Damit steht das NATO-Partnerland wie schon im Vorjahr auf Platz 1 der Rangliste der wichtigsten Empfängerländer.
Niederlande stoppt Waffenexporte
Die Niederlande frieren nach dem Beginn der türkischen Offensive in Nordsyrien alle Waffenexporte an Ankara ein. „Die Niederlande haben beschlossen, alle Anträge für Ausfuhrgenehmigungen von militärischer Ausrüstung in die Türkei auszusetzen“, hieß es in einer Erklärung des niederländischen Außenministeriums am Freitag, die der Nachrichtenagentur AFP vorliegt.
Die Türkei hatte am Mittwoch eine lange angedrohte Militäroffensive gegen die syrische Kurdenmiliz (YPG) begonnen, die besonders in Europa auf breite Kritik stößt. „Wir fordern die anderen EU-Mitgliedstaaten auf, dasselbe zu tun“, sagte der stellvertretende niederländische Ministerpräsident Hugo de Jonge auf einer Pressekonferenz in Den Haag.
Vor den Niederlanden hatten bereits der Nato-Staat Norwegen und das EU-Mitglied Finnland angekündigt, ihre Waffenexporte auszusetzen. Viele Staaten fürchten, dass die Offensive den Kampf der YPG gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) schwächt und den tausenden Dschihadisten in kurdischer Haft eine Chance zur Flucht gibt.
Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnte bei einem Besuch in Istanbul die Türkei davor, den Kampf gegen die IS-Miliz zu gefährden, und rief Ankara zur „Zurückhaltung“ auf.
EU droht mit Sanktionen
Wegen der türkischen Militäroffensive in Nordsyrien hat Frankreich der Türkei mit EU-Sanktionen gedroht. Bei dem EU-Gipfel kommende Woche solle über Strafmaßnahmen gegen Ankara beraten werden, sagte die Europa-Staatssekretärin Amélie de Montchalin am Freitag. Die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) leisteten derweil erbitterten Widerstand gegen den Vorstoß der türkischen Armee.
Die Offensive der Türkei zusammen mit verbündeten syrischen Milizen gegen die syrischen Kurden stößt besonders in Europa auf breite Kritik. Nach dem EU-Mitglied Finnland setzte auch der Nato-Staat Norwegen alle Waffenexporte in die Türkei aus. Strafmaßnahmen lägen natürlich „auf dem Tisch“, sagte nun die französische Staatssekretärin de Montchalin. Sie erwarte, dass die EU-Staaten auf ihrem nächsten Gipfel darüber beraten.
EU-Länder appellieren an Türkei
Die fünf EU-Mitglieder im UN-Sicherheitsrat hatten Ankara zuvor zum Stopp der Offensive aufgerufen. Sie glaubten nicht, dass der Einsatz „die Sicherheitsbedenken der Türkei lösen wird“, erklärten Frankreich, Deutschland, Belgien, Großbritannien und Polen. Allerdings gelang es ihnen bei einer Sondersitzung des Sicherheitsrats nicht, die Zustimmung aller Mitglieder zu gewinnen.
Die EU-Staaten fürchten, dass die Offensive den Kampf der YPG gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) schwächt und den tausenden Dschihadisten in kurdischer Haft eine Chance zur Flucht gibt. Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnte bei einem Besuch in Istanbul die Türkei davor, den Kampf gegen die IS-Miliz zu gefährden, und rief Ankara zur „Zurückhaltung“ auf.
Der russische Präsident Wladimir Putin äußerte Zweifel, dass die Türkei die gefangenen IS-Kämpfer kontrollieren könne. „Dies ist eine echte Bedrohung für uns“, sagte er. Russland hat Verständnis für die Sicherheitsbedenken der Türkei geäußert und angeboten, zwischen den Regierungen in Ankara und Damaskus einerseits und Damaskus und den Kurden andererseits zu vermitteln.
US-Präsident Donald Trump bot seinerseits an, einen „Deal“ zwischen der Türkei und der kurdischen YPG zu vermitteln. Ein Vertreter des US-Außenministeriums sagte, Trump habe den Diplomaten den Auftrag gegeben, die Möglichkeit einer Waffenruhe auszuloten.
EU-Ratspräsident Donald Tusk warf dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan derweil einen Erpressungsversuch vor, nachdem dieser den Europäern wegen ihrer Kritik an der Offensive mit einer Öffnung der Grenzen für Flüchtlinge gedroht hatte. Die EU werde „niemals akzeptieren, dass Flüchtlinge zu Waffen gemacht und benutzt werden, um uns zu erpressen“, sagte Tusk in Nikosia.
Widerstand an der Grenze
Die YPG und ihre arabischen Verbündeten leisteten unterdessen an der Grenze weiter erbitterten Widerstand. Sie würden Tunnel, Gräben und Wälle nutzen, um den Vormarsch der türkischen Armee aufzuhalten, erklärte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Es gebe heftige Kämpfe an mehreren Fronten, vor allem in den syrischen Grenzstädten Tal Abjad und Ras al-Ain.
Fast alle Einwohner seien aus den beiden Städten geflohen, teilte ein Pressezentrum der kurdischen Autonomiebehörde mit. Mehrere arabische Stämme hätten sich hinter der Front der türkischen Armee angeschlossen und attackierten nun die YPG. Die Gegend zwischen Ras al-Ain und Tal Abjad wird zwar von der kurdischen YPG-Miliz kontrolliert, ist aber mehrheitlich arabisch besiedelt.
Nach Angaben der Beobachtungsstelle wurden seit Mittwoch 41 kurdische Kämpfer und 17 Zivilisten bei der türkischen Offensive getötet. Am Freitag seien vier Zivilisten während der Flucht aus Tal Abjad bei einem Luftangriff in ihrem Auto getötet worden, erklärte die Beobachtungsstelle. Drei weitere seien rund um die Stadt von türkischen Scharfschützen erschossen worden.
Der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar betonte, die Armee übe größte Vorsicht, um zivile Opfer zu vermeiden. Auf türkischer Seite gab es nach Angaben der örtlichen Behörden bisher sieben zivile Todesopfer und dutzende Verletzte durch Beschuss der YPG. Auch ein türkischer Soldat wurde bei den Kämpfen getötet, während zwei türkische Reporter nahe der Grenze verletzt wurden. (afp/dts/sua)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion