Syrer weisen Schleuservorwurf und Verantwortung für Tod von Flüchtlingen zurück
Skrupellose Schleuser oder zu Unrecht verdächtigte Flüchtlinge: Das Landgericht Köln rollt seit Montag den Fall zweier junger Syrer auf, die laut Staatsanwaltschaft Mitschuld am Tod von mindestens acht Flüchtlingen im Mittelmeer tragen sollen. Die syrischen Brüder im Alter von 18 und 20 Jahren wiesen am ersten Prozesstag die Vorwürfe über ihre Verteidiger zurück und beteuerten ihre Unschuld an der Flüchtlingstragödie.
Laut Anklageschrift sollen die angeklagten Brüder Fouad und Ahmad G. in enger Verbindung zu einer kurdischen Schleusergruppe stehen. Die Schleuser sollen irakischen Flüchtlingen zugesagt haben, sie für 2500 Dollar (gut 2200 Euro) pro Person mit einer Jacht vom türkischen Bodrum auf die griechische Insel Kos zu bringen.
Vor der Abreise in der Nacht vom 16. zum 17. November 2015 stellten die Schleuser den Flüchtlingen aber der Staatsanwaltschaft zufolge nur ein Schlauchboot zur Verfügung. Außerdem verboten sie den Flüchtlingen, Schwimmwesten anzulegen – angeblich, weil deren Signalfarben die Gefahr eines Auffliegens der Fluchtaktion erhöht hätte.
Laut Anklage zwangen die Schleuser – darunter angeblich das syrische Brüderpaar – die Flüchtlinge unter Androhung von Gewalt, das seeuntüchtige Schlauchboot zu besteigen. Das überladene Boot mit 17 Menschen an Bord kenterte dann vor der griechischen Insel Kos, wobei mindestens acht Flüchtlinge ertranken.
Dieses Flüchtlingsdrama sei „für die Angeklagten vorhersehbar“ gewesen, betonte der Anklagevertreter vor der Kölner Strafkammer. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft stützen sich wesentlich auf die Aussage eines Familienvaters aus dem Irak, der auf der Flucht nach Griechenland bei der Tragödie vor Kos seine Ehefrau, seine Tochter und einen seiner beiden Söhne verloren hatte.
Der Mann soll den beiden Angeklagten bereits kurz nach dem Unglück auf Kos vorgeworfen haben, Schleuser und verantwortlich für den Tod seiner Angehörigen zu sein, wie aus einer der Verteidigererklärungen hervorging. Bei anschließenden Nachforschungen der griechischen Behörden sei dieser Verdacht gegen die Brüder jedoch „entkräftet“ worden, betonte einer der Anwälte.
Mit Nachdruck wiesen die Verteidiger den Vorwurf der Beteiligung ihrer Mandanten an der Schleusung in der Tatnacht zurück. Vielmehr seien die angeklagten Brüder in einer der folgenden Nächte selbst als Flüchtlinge unter schwierigsten Bedingungen mit einem Boot nach Kos übergesetzt. Auch dieses Boot sei „völlig überlastet“ gewesen und „beinahe gekentert“, sagte Fouad G.s Anwalt.
Von Griechenland aus machten sich die angeklagten Syrer dann auf den Weg nach Deutschland. Bis zum vergangenen Frühjahr lebten sie in einer Flüchtlingsunterkunft im Kölner Stadtteil Ostheim. Offenbar durch puren Zufall begegneten sie dann in Köln dem irakischen Familienvater, der die Brüder bereits auf Kos beschuldigt hatte und sie nun bei den deutschen Behörden anzeigte.
Im Zuge der folgenden Ermittlungen wurde das Brüderpaar am 24. März festgenommen und saß bis zum 3. Mai in Untersuchungshaft. Seither befinden sich die jungen Syrer wieder auf freiem Fuß. Bei einem Schuldspruch könnte dem Älteren der beiden eine Haftstrafe zwischen drei und 15 Jahren drohen. Der zur Tatzeit 17-jährige zweite Angeklagte müsste mit bis zu zehn Jahren Jugendstrafe rechnen. (afp)
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