Symbolischer Abschied vom Peronismus: Argentinien schließt staatliche Nachrichtenagentur „Télam“

In Argentinien wird die staatliche Nachrichtenagentur „Télam“ zum nächsten Ziel des radikalen Sparprogramms von Präsident Milei. Mit ihrer Umwandlung vollzieht das Staatsoberhaupt auch einen symbolischen Schritt: Der Gründer der Einrichtung war 1945 Juan Perón persönlich.
Mitglieder von Gewerkschaften singen Parolen gegen die Reformvorhaben der ultraliberalen Regierung von Präsident Milei.
Mitglieder von Gewerkschaften singen Parolen gegen die Reformvorhaben der ultraliberalen Regierung von Präsident Milei.Foto: Cristina Sille/telam/dpa
Von 7. Juli 2024

Mit dem Versprechen, eine radikale Kehrtwende gegenüber der jahrzehntelangen Dominanz des Peronismus in Argentinien einzuleiten, konnte Javier Milei im November 2023 die Präsidentenwechsel für sich entscheiden.

Nun setzt er einen weiteren symbolischen Schritt zur Umsetzung dieses Versprechens. Am Montag, 1. Juli, verkündete er eine radikale Umwandlung der staatlichen Nachrichtenagentur „Télam“. Diese wurde 1945 gegründet – von Juan Perón persönlich.

Der spätere linkspopulistische Präsident war zu jenem Zeitpunkt Arbeitsminister im Kabinett von Edelmiro Julián Farrell.

Künftig soll Werbematerial statt journalistischer Beiträge produziert werden

Milei will „Telenoticiosa Americana“, so der volle Name der Einrichtung, nicht vollständig auflösen. Allerdings soll es einen Personalabbau geben. Von den mehr als 700 Mitarbeitern von „Télam“ soll es für etwa 30 Prozent Auflösungsvereinbarungen geben. Die übrigen sollen mit einer veränderten Aufgabenstellung in der Ersatzorganisation arbeiten.

An die Stelle von „Télam“ wird die „Agentur für Staatswerbung“ (APE) treten. Deren neue Aufgaben werden in Artikel 2 des Dekrets 548/2024 umschrieben, das Milei und Kabinettschef Guillermo Francos unterzeichnet und in der „Offiziellen Gazette“ veröffentlicht hatten.

APE wird demnach als „Werbe- und Propagandaagentur“ arbeiten. Die Agentur soll „nationales und/oder internationales Werbematerial vorbereiten, produzieren, vermarkten und verbreiten – in Argentinien selbst und im Ausland“. APE soll die Hauptdrehscheibe für die Koordinierung und Verwaltung aller staatlichen Werbemaßnahmen der verschiedenen Ministerien und Behörden sein.

„Reporter ohne Grenzen“ sieht Angriff auf den Pluralismus

Zuvor hatte „Télam“ täglich mehr als 500 Beiträge, etwa 200 Fotos und Videos sowie Inhalte für Radio und soziale Medien produziert. Dass nach dem Willen Mileis die Agentur „nicht länger so arbeiten, wie sie ursprünglich gegründet wurde“, sollte, stößt nicht nur bei den meisten betroffenen Mitarbeitern auf Widerwillen.

Unterstützung bekommen sie von der Gewerkschaft SiPreBA Buenos Aires und der internen Mitarbeiter „Somos Télam“. Diese sprechen von einem „Angriff auf die Redefreiheit“ und einem Versuch der Regierung, die „soziale Rolle staatlicher Medien zu zerstören“. Auch die NGO „Reporter ohne Grenzen“ spricht von einem „besorgniserregenden symbolischen Akt“. Mileis „aggressive Haltung gegenüber dem Journalismus“ stehe „dem Pluralismus im Weg“.

Argentiniens Regierung hatte bereits im März den Betrieb von „Télam“ eingestellt. Webseiten gingen offline, Büros wurden abgeriegelt. Milei rechtfertigte das Vorgehen mit „Millionenverlusten“, die im Fall eines Weiterbetriebes zu erwarten wären. Außerdem schließe man mit „Télam“ ein Format, das „in den letzten Jahrzehnten als kirchneristische Propagandaagentur verwendet“ worden sei.

Wechselvolle Geschichte der Nachrichtenagentur

Wie die „Buenos Aires Times“ berichtet, wird der stellvertretende Kabinettschef José Rolandi für APE zuständig sein. In der offiziellen Mitteilung heißt es, die ursprüngliche Tätigkeit als journalistischer Dienstleister und Nachrichtenagentur habe geendet. Die Agentur nehme „stattdessen ihre neuen Funktionen wahr“.

Ursprünglich hatte Perón „Télam“ als gemischte öffentlich-private Initiative gegründet. Präsident Arturo Frondizi privatisierte sie 1959. Sie trug anschließend den Namen „Télam Sociedad Anónima, Periodística, Radiofónica, Cinematográfica, Comercial, Inmobiliaria y Financiera“.

Nach Frondizis Sturz durch die Militärs im Jahr 1962 schloss Kurzzeitpräsident José María Guido die Agentur wegen „Verbreitung falscher Informationen“. Seit 1968, als der Militärmachthaber die Agentur wieder verstaatlicht hatte, war „Télam“ wieder eine staatliche Nachrichtenagentur.

Zähe Bilanz

Im März hatte es einige größere Demonstrationen gegen den Schritt der Regierung Milei gegeben, mittlerweile ist die Beteiligung gesunken.

Gewerkschaftsfunktionärin Maria Mercedes Cabezas wies auf X darauf hin, dass „Télam“ als Nachrichtenagentur 803 Kunden – meist private Medien – in ganz Argentinien hatte. Monatlich hätten etwa 63.000 Nutzer mit der Agentur interagiert, es habe 8,7 Millionen Besucher, mehr als 115 Millionen Impressionen und 2,9 Millionen Klicks gegeben.

Die jährlichen Umsatzerlöse hätten zuletzt bei 1,3 Millionen Pesos gelegen. Allerdings entspräche dies lediglich 1.419 US-Dollar. Der Export von Dienstleistungen ins Ausland habe bei jährlich 117.320 US-Dollar gelegen – was monatlich für den 700-Mitarbeiter-Betrieb 9.785 US-Dollar ausmachen würde.



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