Südkoreas Präsident verliert Machtkampf – Amtsenthebung gefordert, Aufruf zum Generalstreik
Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol sieht sich wegen des kurzzeitig von ihm verhängten Kriegsrechts mit Rücktrittsforderungen konfrontiert. Die größte Oppositionspartei warf dem konservativen Staatsoberhaupt Verfassungsbruch vor und forderte Yoon zum sofortigen Amtsverzicht auf.
Yoon hatte am Dienstag überraschend das Kriegsrecht ausgerufen – und wenige Stunden später nach einem Parlamentsvotum angekündigt, es wieder zurückzunehmen. Vor der Ausrufung des Kriegsrechts gab es einen Haushaltsstreit zwischen Yoons Partei PP mit der DP. International hatte der Schritt Besorgnis ausgelöst.
Antrag auf Amtsenthebung
Am Mittwoch (Ortszeit) stellten Vertreter von sechs Oppositionsparteien einen Antrag auf die Amtsenthebung von Präsident Yoon Suk Yeol: „Wir haben einen Amtsenthebungsantrag eingereicht, der dringend vorbereitet werden muss“.
Demnach könnte der Antrag bereits am Freitag zur Abstimmung gestellt werden. Für eine erfolgreiche Amtsenthebung müssten mindestens zwei Drittel der 300 Mitglieder der südkoreanischen Nationalversammlung stimmen – das sind mindestens 200 Stimmen.
Die DP und andere kleine Oppositionsparteien kommen zusammen auf 192 Sitze. Einige Abgeordnete von Yoons Partei müssten also auch zustimmen. Die Abstimmung muss innerhalb von 72 Stunden stattfinden.
Im Erfolgsfall würde das Verfassungsgericht dann entscheiden, ob Yoons Amtsenthebung gerechtfertigt ist. Während das Verfahren läuft, würden die verfassungsmäßigen Befugnisse des Präsidenten ausgesetzt, und Premierminister Han Duck-soo würde als zweithöchster Beamter der Regierung die Aufgaben des Staatsoberhaupts übernehmen.
Aufruf zum „unbefristeten Generalstreik“ bis zum Rücktritt
Der wichtigste Gewerkschaftsverband des Landes rief am Mittwoch zu einem „unbefristeten Generalstreik“ bis zum Rücktritt des Präsidenten auf.
Auch der Chef der Regierungspartei, Han Dong Hoon, übte scharfe Kritik: Er forderte den Präsidenten laut Berichten südkoreanischer Medien auf, sein Verhalten zu erklären und Verteidigungsminister Kim Yong-hyun wegen der „desaströsen Lage“ zu entlassen.
Der in einem Umfragetief steckende Präsident hatte in der Nacht das von ihm überraschend verhängte Kriegsrecht binnen Stunden wieder aufgehoben. Zu dieser Kehrtwende hatten ihn zuvor sämtliche 190 anwesenden Abgeordneten in der Nationalversammlung per Abstimmung aufgerufen.
Zehn ranghohe Berater des Präsidenten wollten daraufhin laut einem Bericht der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap geschlossen zurücktreten – darunter Yoons Stabschef und der nationale Sicherheitsberater.
Internationale Besorgnis
Unklar blieb zunächst, was Yoon zu seinem radikalen Schritt bewog. Die USA als wichtigster Verbündeter und Schutzmacht Südkoreas zeigten sich über die kurzzeitige Verhängung des Kriegsrechts zutiefst besorgt, ebenso wie Deutschland.
Auch Japans Regierungschef Shigeru Ishiba ließ wissen, seine Regierung verfolge die Entwicklung im Nachbarland mit „ernsten Bedenken“. US-Außenminister Antony Blinken begrüßte die spätere Kehrtwende Yoons und mahnte, politische Differenzen müssten „friedlich und im Einklang mit den Prinzipien des Rechtsstaats“ ausgeräumt werden.
In Seoul waren in der Nacht Tausende Demonstranten vor das vom Militär abgesperrte Parlament gezogen, um lautstark gegen Yoons Vorgehen zu protestieren.
Kritik kam auch aus seiner eigenen Regierung: „Die Republik Korea ist eine liberale demokratische Nation, und wir stehen an der Seite des Volkes, um die liberale Demokratie zu verteidigen, und werden uns dieser Erklärung des Kriegsrechts entschieden widersetzen“, erklärte Parteichef Han Dong Hoon.
Präsident beschuldigt die Opposition, mit Nordkorea zu sympathisieren
Es war das erste Mal seit Südkoreas Übergang zur Demokratie Ende der 1980er Jahre, dass der Präsident des Landes das Kriegsrecht verhängte. Zuvor war Südkorea nach Erlangung seiner Unabhängigkeit von Japan im Jahr 1945 überwiegend von Militärdiktaturen regiert worden. Im Frühjahr 1980 verhängte der damalige Militärdiktator Chun Doo Hwan das bislang letzte Mal das Kriegsrecht.
Infolge des nun von Yoon verhängten Ausnahmezustands waren kurzzeitig sämtliche politischen Aktivitäten in Südkorea verboten. Auch die Tätigkeit von Medien und Verlagen schränkte der 63-Jährige damit faktisch ein.
In einer live im Fernsehen ausgestrahlten Rede argumentierte Yoon, das Kriegsrecht ziele auf den „Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung der Freiheit“ ab.
„Gestern Abend um 23 Uhr habe ich den Ausnahmezustand ausgerufen, in der festen Absicht, die Nation vor den staatsfeindlichen Kräften zu schützen“, sagte er. Yoon beschuldigte die Opposition, mit dem kommunistischen Regime in Nordkorea zu sympathisieren.
Da der Korea-Krieg 1953 mit einem Waffenstillstand und nicht mit einem Friedensvertrag endete, befindet sich Südkorea formell bis heute im Kriegszustand mit dem nördlichen Nachbarn. Für die politische Rechte, der Yoon angehört, ist es ein gängiger Vorwurf, das linke Lager als kommunistisch und „pro-nordkoreanisch“ zu diffamieren.
Opposition kündigt „Strafanzeige wegen Aufruhrs“ an
Die größte Oppositionspartei hat nun angekündigt, Präsident Yoon Suk Yeol wegen Aufruhrs verklagen zu wollen. „Wir werden Strafanzeige wegen Aufruhrs erstatten“, erklärte die Demokratische Partei (DP) am Mittwoch.
Diese werde sich gegen Yoon, seine Innen- und Verteidigungsminister sowie Schlüsselpersonen aus Armee und Polizei richten. Die DP drohte auch mit einem Amtsenthebungsverfahren, sollte Yoon nicht unverzüglich zurücktreten.
Auch der Chef von Yoons Regierungspartei, Han Dong Hoon, sprach von einer „tragischen Situation“ und gab an, alle Verantwortlichen müssten „streng zur Rechenschaft gezogen werden“.
Yoon kämpft gegen schlechte Umfragewerte
Yoons Vorgehen dürfte zufolge innenpolitisch motiviert sein. Die Umfragewerte des unpopulären Präsidenten sind seit Monaten miserabel. An Wochenenden gingen zuletzt vermehrt Demonstranten in der Innenstadt von Seoul auf die Straßen, um seine Amtsenthebung zu fordern.
Zudem gibt es seit längerem Korruptionsvorwürfe gegen seine Ehefrau. Gleichzeitig stritten Regierungslager und Opposition über den Staatshaushalt fürs kommende Jahr.
Yoon warf dem von der Opposition dominierten Parlament vor, durch Anträge zur Amtsenthebung von Ministern und weiteren Amtsträgern die Regierungsgeschäfte behindert zu haben. Seit dem Antritt der Regierung im Mai 2022 habe die Nationalversammlung 22 Amtsenthebungsanträge gestellt.
Präsident hat viel Macht
Im südkoreanischen Staatssystem hat der Präsidenten eine starke Rolle. Auch der Ministerpräsident ist ihm deutlich untergeordnet. Die Macht des direkt gewählten Präsidenten ist also vergleichsweise umfassend, allerdings darf er nach einer einmaligen, fünfjährigen Legislaturperiode nicht wiedergewählt werden.
Angesichts des öffentlichen Drucks halten es Experten für unwahrscheinlich, dass Yoon bis zum Ende seiner Legislaturperiode 2027 im Amt bleiben wird.
Trotz der Proteste vor dem Parlament blieb die Lage bis auf ein paar kleinere Rangeleien friedlich. Die deutsche Botschaft in Seoul sah zunächst „keine unmittelbare Gefahr für die persönliche Sicherheit und das Eigentum ausländischer Staatsangehöriger“. (dpa/red)
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