Südkorea: Präsident ernennt neuen Verteidigungsminister

Seit der plötzlichen Verhängung des Kriegsrechts steht Südkoreas Präsident auch international in der Kritik. Er zieht erste personelle Konsequenzen. Selbst zurücktreten will er nicht. Auf „Aufruhr“ steht potentiell die Todesstrafe.
Titelbild
Mitglieder der größten Oppositionspartei, der Demokratischen Partei, fordern mit ihren standardisierten Plakaten den Rücktritt: „Yoon Suk Yeol sollte zurücktreten!“. Seoul, 4. Dezember 2024.Foto: Jung Yeon-je/AFP via Getty Images
Epoch Times5. Dezember 2024

Südkoreas politisch angeschlagener Präsident Yoon Suk Yeol hat infolge der von ihm ausgelösten Staatskrise einen neuen Verteidigungsminister ernannt.

Das Rücktrittsangebot von Kim Yong Hyun wurde angenommen, der bisher in Saudi-Arabien stationierte Botschafter Choi Byung Hyuk als Nachfolger installiert, wie die südkoreanische Nachrichtenagentur „Yonhap“ berichtete.

Die erste personelle Neubesetzung seit Verhängung des Ausnahmezustands deutet darauf hin, dass Yoon sein Amt als Staatsoberhaupt nicht abgibt.

Auf „Aufruhr“ steht potentiell die Todesstrafe

Der ehemalige Verteidigungsminister Kim war ein offener Befürworter der inzwischen zurückgenommenen Entscheidung des Präsidenten, das Kriegsrecht auszurufen.

Manche sehen ihn gar als maßgeblichen Strippenzieher hinter dem Beschluss. Kim hatte am Mittwoch öffentlich um Entschuldigung dafür gebeten, Aufruhr verursacht zu haben.

Die südkoreanische Polizei hat verkündet, nach der kurzzeitigen Verhängung von Kriegsrecht durch Präsident Yoon Suk Yeol Ermittlungen wegen mutmaßlichen „Aufruhrs“ gegen den Staatschef eingeleitet zu haben.

Die Untersuchung sei im Gange, sagte der Chef der nationalen Ermittlungsabteilung der Polizei, Woo Kong Suu, am Donnerstag vor Abgeordneten.

Für den Straftatbestand des Aufruhrs gilt die präsidentielle Immunität nicht; er kann mit der Todesstrafe geahndet werden. Zuvor hatte die Opposition wegen der Ausrufung des Kriegsrechts Anzeige gegen Yoon und andere Beteiligte erstattet.

Südkoreanische Marineinfanteristen protestieren am 5. Dezember 2024 in Seoul, Südkorea gegen den Präsidenten. Dieser hatte den Ausnahmezustand verhängt und die Oppositionsparteien beschuldigt, die Regierung zu destabilisieren und mit Nordkorea zu sympathisieren. Foto: Ezra Acayan/Getty Images

Abstimmung zum Amtsenthebungsverfahren ist Samstag, 11 Uhr MEZ

Präsident Yoon hatte wegen eines Haushaltsstreits zwischen der PP und der größten Oppositionspartei DP am Dienstag das Kriegsrecht ausgerufen.

Als Begründung nannte er den Schutz eines „liberalen Südkoreas vor den Bedrohungen durch Nordkoreas kommunistische Truppen“. Yoon hatte das Kriegsrecht wenige Stunden nach seiner Ausrufung bereits wieder aufgehoben.

Es war das erste Mal seit dem Übergang Südkoreas zur Demokratie Ende der 1980er Jahre, dass das Staatsoberhaupt des Landes das Kriegsrecht verhängte. Als Grund wird seine Befürchtung vermutet, dass sich die Opposition zu sehr kommunistischen Wegen nähert.

Die Opposition reichte in der Folge im Parlament einen Antrag auf Amtsenthebung gegen Yoon ein. „Dies ist ein unverzeihliches Verbrechen – eines, das nicht begnadigt werden kann“, sagte der Abgeordnete Kim Seung-won.

Wie die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap später berichtete, ist die Abstimmung im Parlament über den Antrag für Samstag gegen 19 Uhr (Ortszeit, 11:00 Uhr MEZ) geplant.

Kann die Opposition gewinnen?

Die Opposition verfügt im Parlament über eine komfortable Mehrheit, braucht jedoch acht Stimmen von der PP, um auf die nötige Zweidrittelmehrheit zu kommen.

Allerdings kündigte PP-Fraktionschef Choo Kyung Ho bei einem live übertragenen Treffen mit Parteimitgliedern an, dass alle 108 Abgeordneten der PP „geschlossen bleiben“ würden, „um das Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten abzulehnen“.

Unterdessen sagte PP-Chef Han Dong Hoon, er habe Yoon gebeten, die Partei zu verlassen. Seine Partei versuche nicht, „das verfassungswidrige Kriegsrecht des Präsidenten zu verteidigen“, fügte er hinzu.

Yoons Büro verkündete indes, dass sich der Präsident am Donnerstag nicht öffentlich äußern werde. Seit seiner Fernsehansprache am frühen Mittwoch wurde Yoon nicht mehr gesehen.

Sollte das Parlament dem Antrag zustimmen, wird Yoon bis zu einem Urteil des Verfassungsgerichts suspendiert. Sollten die Richter grünes Licht geben, wird Yoon des Amtes enthoben. Dann müssen innerhalb von 60 Tage Neuwahlen stattfinden

Bahnarbeiter wollen streiken – und informieren die Fahrgäste per Anschlagtafeln wie hier in einem Bahnhof in Seoul am 5. Dezember 2024 darüber. Foto: Philip Fong/AFP via Getty Images

Einige Szenen aus Seoul

Nach der Ausrufung des Kriegsrechts durch Yoon war das Parlament in Seoul abgeriegelt worden, mehr als 280 Soldaten drangen in das Gebäude ein, Hubschrauber landeten auf dem Dach.

In der Nacht zu Mittwoch gelangten schließlich dennoch 190 Abgeordnete in das Parlamentsgebäude, nachdem sie zum Teil über Zäune klettern und mit Sicherheitskräften rangeln mussten. Sie votierten einstimmig für die Aufhebung des Kriegsrechts.

Die südkoreanische Verfassung sieht vor, dass das Kriegsrecht zurückgenommen wird, wenn eine Mehrheit im Parlament dies verlangt. Nach dem Votum hob Yoon das Kriegsrecht wieder auf.

Aufnahmen vom Mittwoch zeigten tausende Demonstranten, die nach einer Kundgebung am zentralen Gwanghwamun-Platz in Seoul zum Büro des Präsidenten marschierten. Am Abend löste die Demonstration sich auf.

Bei einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage der Agentur Realmeter zufolge sprachen sich 73,6 Prozent der Befragten zugunsten des Amtsenthebungsverfahrens aus. Für den Tagesverlauf wurden weitere Proteste erwartet.

(dpa/afp/red)



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