Südkorea entschädigt Opfer der COVID-Impfpolitik – auch ohne Obduktion

Nachdem die südkoreanische Bevölkerung der COVID-Impfung einst hohes Vertrauen entgegengebracht hatte, stellt sich die Regierung nun ihrer Verantwortung gegenüber Impfgeschädigten.
Anders als in Deutschland gibt es in Südkorea Sterbegeld, wenn sich jemand gegen COVID-19 impfen lässt und daran stirbt. Foto: Chung Sung-Jun/Getty Images
Anders als in Deutschland gibt es in Südkorea Regelungen zum Sterbegeld, wenn sich jemand gegen COVID-19 impfen lässt und daran stirbt.Foto: Chung Sung-Jun/Getty Images
Von 16. September 2023

Ab September haben Familien in Südkorea einen Anspruch auf bis zu 30 Millionen Won (rund 21.000 Euro) Sterbegeld, wenn ein Angehöriger innerhalb von 90 Tagen nach der COVID-Impfung gestorben ist. Das gilt auch dann, wenn die Todesursache nicht durch Obduktion nachgewiesen wurde, berichtet „The Korea Herald“.

Sofern Familien keine Obduktion durchführen lassen, können sie bis zu 20 Millionen Won (etwa 14.000 Euro) erhalten. Nach Angaben der koreanischen Behörde für Seuchenbekämpfung und -prävention gelten diese Regelungen rückwirkend.

„Korea konnte im Vergleich zum Rest der Welt eine höhere Impfquote erreichen, weil die Menschen dem Staat vertraut haben und sich impfen ließen“, sagte der Abgeordnete Park Dae-chul von der regierenden konservativen People Power Party. „Es liegt in der Verantwortung des Staates, den blinden Fleck zu beseitigen und denjenigen zu helfen, die der Impfpolitik zum Opfer gefallen sind.“

Seit Juli 2022 waren Hinterbliebenen bis zu zehn Millionen (etwa 7.000 Euro) Won gezahlt worden, wenn der Tod innerhalb von 42 Tagen nach der COVID-Impfung eingetreten und keine andere Todesursache erkennbar war. Mit dieser Regelung setzte der im Mai 2022 in sein Amt eingeführte Präsident Yoon Suk-yeol sein Wahlkampfversprechen um.

Später waren zunehmend Forderungen laut geworden, den Kreis der Anspruchsberechtigten zu erweitern – sowohl für Entschädigungen aufgrund einer anerkannten Haftung als auch durch Kondolenzgelder, die nicht unbedingt mit der Anerkennung einer Haftung verbunden sind. Dazu trug auch ein Urteil im Sommer 2023 bei.

Gerichtsurteil mit weitreichenden Folgen

Im Juli war das Verwaltungsgericht Seoul zu dem Schluss gekommen, dass die Behörde für Seuchenbekämpfung und -prävention, einer Behörde vergleichbar mit dem Robert Koch-Institut in Deutschland, der Familie eines Mannes keine Entschädigungszahlungen verweigern dürfe. Der 34-Jährige war im Oktober 2021 sechs Tage nach einer COVID-Impfung an einer Gehirnverletzung verstorben.

Laut Gerichtsurteil konnte eine Kausalität zwischen Impfung und Tod nicht ausgeschlossen werden. Das Gericht ließ in sein Urteil auch den Umstand einfließen, dass für den COVID-Impfstoff lediglich eine Notzulassung vorlag.

Jee Young-mee, Direktor der Behörde, kündigte Berufung gegen das Urteil an. Dafür erntete er viel Kritik. Abgeordnete befürchteten, eine Berufung könne das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Regierung untergraben. Denn das Vertrauen in die Impfstoffe war hoch.

Eine gute Strategie verhilft zu hoher Impfquote

Bis Ende August 2022 hatte das Land laut einer von der Regierung finanzierten Studie eine hohe Durchimpfungsrate erreicht. 94,8 Prozent der Bevölkerung in der Altersgruppe über 12 Jahre hatten bereits eine zweite Dosis erhalten, 71,3 Prozent sogar schon eine dritte Dosis. Wie auch in Deutschland waren Vakzine von Pfizer/BioNTech, AstraZeneca, Moderna und Janssen im Einsatz. Bis zum 11. Juli 2023 erreichte man in Deutschland eine weitaus niedrigere Impfquote von 77,9 Prozent und diese gilt nur für eine Erstimpfung.

Wie aus der Studie aus März 2023 hervorgeht, war die hohe Impfquote einer „gut konzipierten und durchdachten“ Kommunikationsstrategie im Rahmen der Impfkampagnen in den sozialen Medien zu verdanken, wodurch die Akzeptanz von Impfstoffen erheblich erhöht wurde.

Sobald die koreanische Gesundheitsbehörde Zögern oder Widerstand wahrnahm, reagierte sie mit Informationen, um das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Impfstoffe zu stärken. Insbesondere hob sie ausdrücklich die Notwendigkeit der Impfungen hervor und betonte den Wert sowie die Vorteile der COVID-Impfungen – wie hohe Wirksamkeit, Schutz vor einem schweren Krankheitsverlauf, vor Krankenhausaufenthalt und dem Tod.

Außerdem zählte die COVID-Impfung als sozial. Mit ihr war der Wiedereintritt ins Leben und die Aufnahme sozialer Kontakte verbunden – „ohne Sorge vor einer Infektion“, heißt es in der Studie. Für Geimpfte gab es zudem vielfältige Anreize wie die Befreiung von Quarantäneregelungen, bezahlte Impfurlaube, freier Zugang zu Parks, kostenlose Unterkunft in privaten Einrichtungen und kostenlose Mahlzeiten in bestimmten Restaurants im ganzen Land.

Seit Februar 2021 haben sich in Südkorea rund 45 von 52 Millionen Menschen mindestens einmal gegen COVID-19 impfen lassen. Im Jahr 2023 hat die Regierung den Etat für Entschädigung und finanzielle Unterstützung von Impfgeschädigten auf 62,5 Milliarden Won gesetzt, umgerechnet rund 44 Millionen Euro.



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