„Strukturiert und dynamisch“: Nigerianische Mafia nutzt Italien als Brückenkopf in Europa
In den vorangegangenen Jahrzehnten ist es den italienischen Sicherheitsbehörden gelungen, das bereits in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückreichende Problem der Mafia in langjährigen Hochburgen wie Sizilien, Kampanien, Kalabrien oder Apulien zunehmend einzuhegen. Dies liegt zum einen an der Verhaftung und Verurteilung einflussreicher Bosse einheimischer Mafiafamilien, zum anderen auch daran, dass sich Strukturen der italienischen Mafia – auch unter dem Eindruck steigenden Verfolgungsdrucks – globalisiert haben.
Für die Bewohner des Landes sollte dies jedoch keine Entwarnung bedeuten. Der Rückzug zuvor etablierter Strukturen des Organisierten Verbrechens hat ein Vakuum geschaffen, in das neue eindringen konnten – und die Migrationsbewegungen der vergangenen Jahre haben in erheblichem Maße dazu beigetragen.
Vor allem der nigerianischen Mafia ist es erfolgreich gelungen, auf italienischem Territorium Fuß zu fassen. Sichtlich ungern wirft die „Washington Post“ die bange Frage auf, ob rechtsgerichtete Gruppen wie Matteo Salvinis Lega oder die „Fratelli d’Italia“ nicht recht behalten hätten mit ihren Warnungen vor den Folgen massenhafter Einwanderung.
Papst: „Die Mafia wurde von den Italienern erfunden“
Die nigerianischen Banden, so schreibt die „Washington Post“, breiten sich schwerpunktmäßig zwischen der norditalienischen Metropole Turin und der früheren Mafiahochburg Palermo im Süden des Landes aus. Ihre Hauptgeschäftsfelder sind der Drogenschmuggel und der Menschenhandel, vor allem zum Zwecke der Prostitution. Die Mitgliederakquise erfolgt vor allem unter Migranten auf der Durchreise oder in staatlichen Asylbewerberzentren.
Eine Migrationswelle historischen Ausmaßes in den letzten fünf Jahren, so heißt es aus den Reihen der Ermittler, hat der nigerianischen Mafia den Aufbau ihrer Strukturen ermöglicht. Die Rechte sieht sich bestätigt, andere warnen davor, deren Treiben zum Anlass für pauschale Anschuldigungen gegen Einwanderer zu nehmen – schließlich träfen auch die kriminellen Aktivitäten der afrikanischen Mafiabanden afrikanische Einwanderercommunitys.
Auch Appelle an das schlechte Gewissen in eigener Sache bleiben nicht aus. So war es Papst Franziskus höchstpersönlich, der seine Kritik an Innenminister Salvinis Politik der geschlossenen Grenzen damit begründete, dass „nicht die Nigerianer es waren, die die Mafia erfunden haben, sondern wir – die Italiener“.
Erste ausländische Mafia auf Stammgebiet italienischer Syndikate
Sicherheitsbehörden erklären, dass es zutreffend sei, nicht mehr nur von einem bloßen Bandenunwesen, sondern einer nigerianischen Mafia zu sprechen. Es gibt einen eigenen verbindlichen Kodex unter deren Angehörigen, der unter anderem das Schweigen beinhaltet, und ausgeklügelte Systeme zur Einschüchterung. Die Kriminellen haben Italien zu ihrer Drehscheibe gemacht, schmuggeln Kokain aus Südamerika, Heroin aus Asien und Zehntausende von Frauen zum Zwecke der Prostitution, vorwiegend aus Afrika.
Obwohl sie international weniger bekannt sei als beispielsweise die japanische, russische oder chinesische, sei Nigerias Mafia die „strukturierteste und dynamischste“ aller ausländischen Mafiaorganisationen, heißt es aus Italiens Nachrichtendiensten. Einige Nigerianer begeben sich bereits mit der Absicht nach Italien, sich dort der Mafia anzuschließen, andere werden nach ihrer Ankunft rekrutiert.
In Palermo haben sich mittlerweile sogar dort lebende Nigerianer zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen, deren Ziel es ist, deutlich zu machen, dass es auch in der nigerianischen Einwanderercommunity Widerstand gegen die Kriminellen gibt.
Italienische Mafia hat sich kaum für Prostitution interessiert
Zwar reichen die ersten Aktivitäten nigerianischer Banden in Europa bis in die frühen 1980er Jahre zurück, dass sie sich nun aber auch auf zuvor mit größtem Eifer von italienischen Mafiafamilien verteidigten Territorien haben, ist ein Novum. Nie zuvor, so heißt es aus den Sicherheitsbehörden, hätte es eine ausländische Mafia gewagt, die Stammgebiete italienischer Mafiafamilien zu betreten.
Der Zustrom hunderttausender Afrikaner, bevor Salvini die Häfen schließen ließ, habe jedoch Spuren hinterlassen. Nicht alle seien in Richtung Deutschland oder andere Teile Europas weitergezogen – viele seien in Italien geblieben. In Sizilien soll ein Klan nach mehreren gewaltsamen Zusammenstößen bis 2013 ein Stillhalteabkommen mit einem heimischen Mafia-Clan geschlossen haben.
Dass dieses hält, habe auch damit zu tun, dass die Prostitution, die zu den Schwerpunkten der nigerianischen Mafia gehört, die italienische kaum interessiert hat. Allein zwischen 2016 und 2018 sollen mehr als 20 000 nigerianische Frauen zu diesem Zweck nach Europa geschafft worden sein – mit der Hilfe von Nigerianern vor Ort.
Falsche Versprechungen und mit Voodoo besiegelte Darlehen
In Nigeria selbst heben deren Geschäftspartner den betroffenen Frauen, denen Arbeit als Kindermädchen oder Frisöse versprochen wird, Darlehen zwischen 20.000 und 30.000 Euro ab. Die Pflicht, diese zurückzuzahlen, wird mittels eines Voodoo-Rituals besiegelt. „Ich glaubte an den Fluch“, erklärte eine 23-jährige Nigerianerin gegenüber der WaPo. „Wenn man die Schulden nicht zurückbezahle, würde man sterben.“
Auf Grund dieser Überzeugung gehen auch kaum betroffene Frauen zur Polizei. Wenn sie es tun, kann es aber für die Polizei eine lohnende Angelegenheit sein. Die Aussage einer Aussteigerin, die später von einer Hilfsorganisation betreut wurde, aus dem Jahr 2017 setzte in Palermo Ermittlungen in Gang, an deren Ende kürzlich die Verhaftung von 14 Mitgliedern des bedeutenden Eiye-Clans stand.
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