Streit um Faktenchecker: EU droht Zuckerberg mit Milliardenstrafen – und weist Zensur-Vorwurf zurück
Die am Dienstag, 7. Januar, von Meta-CEO Mark Zuckerberg in Aussicht gestellten Reformen bei Facebook und Instagram haben in der EU-Kommission Besorgnis ausgelöst. Noch sollen die Neuerungen lediglich in den USA Platz greifen. Ein Element des Sechs-Punkte-Plans von Zuckerberg ist jedoch die Zusammenarbeit des Konzerns mit der künftigen Regierung des designierten US-Präsidenten Donald Trump gegen Zensurmaßnahmen auf anderen Kontinenten.
Zuckerberg will Meta-Reformen erst mal nur in den USA einführen
Der Sprecher für Digitales in der EU-Kommission, Thomas Regnier, hat Meta gegenüber „MDR aktuell“ Konsequenzen in Aussicht gestellt, sollte diese die Zusammenarbeit mit „unabhängigen Faktencheckern“ im Gemeinschaftsgebiet beenden. Derzeit kooperiert Facebook mit den Nachrichtenagenturen dpa, AFP, APA und dem nach eigenen Angaben unabhängigen Recherche-Netzwerk „Correctiv“.
Das Gesetz über digitale Dienste (DAS) in der EU verpflichtet Social-Media-Plattformen unter anderem dazu, Maßnahmen gegen „Desinformation oder negative Auswirkungen auf den zivilgesellschaftlichen Diskurs“ zu treffen. Andernfalls, so drohte Regnier, könne man Geldstrafen bis zu sechs Prozent des weltweiten Umsatzes gegen Meta verhängen.
Noch hat Meta keine Angaben gemacht, ob und gegebenenfalls wann die geplanten Reformen auch in der EU Platz greifen sollen. X praktiziert jedoch bereits seit längerer Zeit ein Moderationssystem, das ohne die Faktenprüfer auskommt. Wie zuvor bereits Elon Musk hat nun auch Mark Zuckerberg kritisiert, dass Nutzer diese häufig als politisch voreingenommen wahrnehmen. Deshalb sei ein von den Nutzern selbst gestaltetes Community-Notes-System hilfreicher.
Kritik an restriktivem Umgang der EU mit digitalen Technologien
Zuckerberg hat der EU indirekt vorgeworfen, sich selbst zur digitalen Innovationswüste zu machen. Europa habe „Zensur institutionalisiert“. Darüber hinaus trage die Gesetzgebung dort dazu bei, dass US-Technologieunternehmen Produkte aus dem EU-Raum wegen übertriebener Restriktionen von KI und Datendiensten heraushielten.
Der Meta-Chef betont, dass die USA weltweit die stärksten Bestimmungen zum Schutz der Meinungsfreiheit hätten. Gleichzeitig stellt er die EU in einen Zusammenhang mit „Geheimgerichten“ in Lateinamerika, die Plattformen zur Löschung unliebsamer Inhalte zwingen – und mit China; im Machtbereich der dortigen Kommunistischen Partei ist die Nutzung von Facebook und verwandten Apps gänzlich verboten.
Diesen Zensurambitionen könne man nur in Zusammenarbeit mit der US-Regierung begegnen, äußerte der Meta-CEO. In diesem Zusammenhang ließ er Kritik an der scheidenden Regierung Biden anklingen. Diese sei in den vergangenen Jahren selbst „für mehr Zensur“ eingetreten. Dies habe auch Regierungen anderer Länder ermuntert, gegen die Plattform zu arbeiten. EU-Kommissionssprecherin Paula Pinho hat hingegen am Mittwoch in Brüssel erklärt, die EU weise „jede Behauptung einer Zensur entschieden zurück“.
Zuckerberg will abgestuftes System der Moderation einführen
Ein wesentliches Element der Neuordnung bei Facebook soll ein System der abgestuften Content-Moderation sein. Gravierende Verstöße gegen Regeln und illegale Inhalte sollen weiterhin bereits durch automatisierte Systeme aufgespürt werden. Diese will man jedoch dort entschärfen, wo es um Inhalte geht, die diese Qualifikation nicht erfüllen. Solche sollen weiterhin der Meldung durch Nutzer unterliegen.
Für alle anderen Inhalte solle ein System der sogenannten Community Notes Platz greifen. Diese erlauben es Nutzern, Beiträgen einen Kontext oder Informationen hinzuzufügen, die deren Aussage in einem anderen Licht erscheinen lassen. Sie werden hinzugefügt, wenn ausreichend Nutzer mit unterschiedlichen Positionen sie als relevant einstufen. Auf X findet diese Vorgehensweise bereits seit längerer Zeit Anwendung.
Die Community Notes wollen im Kern durch ein sogenanntes Bridging-System ein ausgewogene Moderation und eine hohe Qualität der Beiträge gewährleisten – und Konsens fördern. Anhand ihres Abstimmungsverhaltens ordnet das System Mitwirkende bestimmten Perspektiven zu. Anmerkungen werden angezeigt, wenn sie im Ton neutral und inhaltlich korrekt sind. Zudem müssen sich ausreichend Personen, die unterschiedlichen Perspektiven zugeordnet wurden, über deren Relevanz einig sein.
Der Algorithmus sei dabei in der Lage, die „Hilfreich“-Komponente von der Polarität bei der Bewertung zu trennen. Dies ermöglicht es, nützliche Informationen unabhängig von den politischen Neigungen zu identifizieren. Bridging kann nicht nur bei Community-Notes, sondern generell bei der Anzeige von Inhalten in der Timeline zum Einsatz kommen.
Wer mehr politische Inhalte sehen will, soll dies tun können
Das Bridging-based Ranking System ist der Gegenentwurf zu herkömmlichen Algorithmen, die das Engagement bezüglich eines Beitrags als wesentliches Qualitätsindiz interpretieren. Diese führen tendenziell dazu, dass vor allem emotionalisierende Beiträge als vermeintlich wertvoll erkannt und mit Priorität angezeigt werden.
Zuckerberg will durch die Neuregelungen Fehler zulasten von Nutzern und zulasten der Redefreiheit minimieren. Auch sollen Themen wie Einwanderung oder Gender nicht mehr besonderen Restriktionen unterliegen, da dies nicht im Einklang mit den Wünschen der Bevölkerung stehe.
In seiner Videobotschaft kündigte Zuckerberg auch an, dass für Besucher, die dies wünschen, auch wieder die vermehrte Anzeige politischer Inhalte möglich sein soll. Diese war zuletzt aufgrund des damit verbundenen Polarisierungspotenzials eingeschränkt und zugunsten „positiveren“ Contents reduziert worden. Besonders stark ist dies auf Plattformen wie „Threads“ zu bemerken, auf denen Nutzer nach politischem Content proaktiv suchen müssen.
Verzicht auf Faktenchecker „Gefahr für die Demokratie“?
Um den Eindruck zu vermeiden, dass Moderationsteams politisch einseitig ausgerichtet, will Zuckerberg deren Sitz auch aus Kalifornien nach Texas verlegen. Gruppen auf Facebook sollen dennoch einen „freundlichen und positiven Ton“ behalten.
Mehrere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens von SPD-Generalsekretär Matthias Miersch über Grünen-Politiker Anton Hofreiter bis zu Nobelpreisträgerin und Journalistin Maria Ressa warnen angesichts der Ankündigungen Zuckerbergs vor einer „Gefahr für die Demokratie“. Es gehe, so der Tenor, nicht um „Redefreiheit“, sondern um die Verpflichtung zum Kampf gegen „Fake News“.
Eine Begründung, warum ein System der Community Notes nicht ausreiche, um diese kenntlich zu machen, nannten sie nicht. Als einer der Hauptkritikpunkte gilt allgemein, dass dieses System erst verzögert dafür sorge, dass ein Beitrag gekennzeichnet werde. Bei X wird diesem Umstand dadurch Rechnung getragen, dass Personen über die Beantragung von Community Notes informiert werden. Dies setzt jedoch voraus, dass sie mit dem Beitrag interagiert haben.
Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Hebestreit, verwies auf den geltenden Digital Service Acts (DSA). Er fügte hinzu, er habe „großes Zutrauen“ in die dafür zuständige EU-Kommission, „dass sie da ihrer Aufgabe auch nachkommt“.
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