Strafmaßnahmen gegen acht Europäer: Russland verhängt im Streit um Nawalny Sanktionen gegen EU
Die durch den Fall des inhaftierten Kreml-Kritikers Alexej Nawalny ausgelösten Spannungen zwischen der EU und Russland verschärfen sich weiter. Als Reaktion auf EU-Sanktionen verhängte Russland am Freitag seinerseits Strafmaßnahmen gegen acht Europäer, darunter Einreisesperren, wie das Außenministerium in Moskau mitteilte. Zu den Betroffenen gehören EU-Parlamentspräsident David Sassoli und der Berliner Oberstaatsanwalt Jörg Raupach. Die Regionalbüros von Nawalnys Organisation wurden unterdessen von der russischen Finanzaufsicht als „extremistisch“ eingestuft.
Das Außenministerium in Moskau warf der EU vor, „einseitige, illegitime“ Einschränkungen gegen russische Bürger und Organisationen verhängt zu haben. „Wahres Ziel“ dieser Maßnahmen sei es, „die Entwicklung unseres Landes zu allen Kosten zu behindern“. Mit Sanktionen belegt wurden auch Bürger aus Frankreich, Estland und Lettland. Die EU hatte Anfang März Strafmaßnahmen gegen vier leitende Mitarbeiter des russischen Justizsystems verhängt. Nawalny ist in einem Straflager inhaftiert.
Mit der jetzigen Einstufung der Regionalbüros von Nawalnys Organisation als „terroristisch“ und „extremistisch“ ordnete die Finanzaufsichtsbehörde Rosfinmonitoring diese Unterorganisationen derselben Kategorie zu wie die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) und das Terrornetzwerk Al-Kaida. Die russische Staatsanwaltschaft hatte Mitte April bei Gericht beantragt, Nawalnys Anti-Korruptionsstiftung FBK und deren Regionalbüros als „extremistisch“ einzustufen.
Auf der Liste der „terroristischen und extremistischen“ Organisationen standen am Freitag allerdings nur die Regionalbüros, nicht die Stiftung als Ganzes. Unklar war zudem, ob das Vorgehen der Finanzaufsichtsbehörde mit dem vom Antrag der Staatsanwaltschaft ausgelösten Gerichtsverfahren in Verbindung steht. Eine Einstufung der gesamten FBK als „extremistisch“ hätte deren Totalverbot zur Folge. Mitgliedern und Unterstützern würden lange Haftstrafen drohen.
Die FBK-Regionalbüros spielen bei Wahlen eine große Rolle, da sie Kampagnen für „intelligentes Wählen“ organisieren. Dabei rufen sie dazu auf, unabhängig von der Partei für jenen Kandidaten zu stimmen, der die besten Aussichten gegen den Kreml-treuen Kandidaten hat. Die Zustimmungswerte der Partei Geeintes Russland von Staatschef Wladimir Putin sind vor der Parlamentswahl im September derzeit so schlecht wie selten.
Nawalny selbst hatte im vergangenen August einen Anschlag in Sibirien mit einem Nervengift überlebt. Der prominente Putin-Gegner macht den Kreml für die Tat verantwortlich. Nawalny wurde nach dem Anschlag nach Deutschland ausgeflogen und in der Berliner Charité behandelt. Nach seiner Rückkehr nach Russland im Januar wurde er dann festgenommen und später wegen angeblicher Verstöße gegen Bewährungsauflagen zu mehr als zweieinhalb Jahren Lagerhaft verurteilt.
Die russischen Behörden nahmen nun zudem den bekannten Menschenrechtsanwalt Iwan Pawlow fest, der auch Nawalny und dessen Organisationen vertritt. Pawlow wurde nach einer Durchsuchung in Moskau in Gewahrsam genommen, wie es auf der Website seiner Organisation Team 29 hieß. Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss von Anwälten und Journalisten, die sich für Meinungsfreiheit in Russland einsetzen.
Pawlow wird demnach vorgeworfen, Informationen aus einem Ermittlungsverfahren preisgegeben zu haben. Es soll um den Fall des ehemaligen Journalisten Iwan Safronow gehen. Safronow war im vergangenen Juli festgenommen worden. Dem auf Verteidigungsthemen spezialisierten Journalisten wird angelastet, vertrauliche Dokumente an Tschechien weitergegeben zu haben.
Ein Gericht in Archangelsk hatte zudem am Donnerstag in einem separaten Verfahren den Nawalny-Mitstreiter Andrej Borowikow zu zweieinhalb Jahren Haft wegen der Veröffentlichung eines Musikvideos der Band Rammstein verurteilt. Er wurde der Verbreitung von Pornografie schuldig befunden. Der 32-Jährige leitete früher ein Büro Nawalnys.
Rammstein-Gitarrist Richard Kruspe nannte die „Härte“ des Urteils „schockierend“. „Rammstein haben sich immer für die Freiheit der Kunst als ein garantiertes Grundrecht aller Menschen eingesetzt“, schrieb Kruspe im Onlinedienst Instagram. (afp)
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