Strafen ohne Grenzen: Was sich für Verkehrssünder künftig ändert
Die EU-Verkehrsminister sprechen sich dafür aus, dass Fahrverbote wegen schwerer Verkehrsdelikte künftig in allen Mitgliedstaaten gelten. Wer im EU-Ausland im Straßenverkehr bislang „Mist baut“ und dafür dort den Führerschein abgeben muss, kann in der Regel im Heimatland weiter unbehelligt Auto fahren. So ist es bisher. Das soll sich jetzt ändern.
Bei schweren Verkehrsdelikten EU-weite Ahndung geplant
Wenn zukünftig etwa ein Kroate massiv gegen die Straßenverkehrsordnung in Deutschland verstößt, könnte das auch in Kroatien, wo sein Führerschein ausgestellt wurde, Konsequenzen für ihn haben. Oder wenn zum Beispiel ein Lkw-Fahrer mit griechischem Führerschein wegen eines schweren Verkehrsdelikts in Litauen oder in einem anderen EU-Land ein Fahrverbot bekommt, soll dieses dann auch in allen anderen EU-Mitgliedstaaten wirksam sein.
Wer dann wegen Alkohol am Steuer in Deutschland oder einem anderen EU-Land den Führerschein abgeben muss, darf dann wahrscheinlich EU-weit nicht mehr Auto fahren. Auch deutlich zu schnelles Fahren gehört zu den Fällen, in denen die EU-Staaten Fahrverbote künftig grenzüberschreitend durchsetzen wollen.
Denn die EU-Verkehrsminister wollen einen Führerscheinentzug und Fahrverbote nach schweren Verkehrsdelikten künftig in der gesamten Europäischen Union durchsetzen. Auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing, jetzt parteilos, plädiert dafür: „Wenn jemand den Führerschein in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union verloren hat, weil er gegen Straßenverkehrsvorschriften massiv verstoßen hat, dann soll er oder sie überall nicht fahren dürfen.“
Wissings Bundesverkehrsministerium konkretisiert das Anliegen und benennt dabei auch die geplanten Ausnahmen: Der Staat, der einen Führerschein ausgestellt hat, „muss die unionsweite Wirkung eines Fahrberechtigungsverlusts nicht anordnen, wenn das jeweilige schwere Verkehrsdelikt im Aussteller-Mitgliedstaat nicht zu einem Fahrberechtigungsverlust führen würde“, hieß es.
Das bedeutet, es gibt einen Ermessensspielraum: Der Ausstellerstaat des Führerscheins ist nicht automatisch an die strengeren Regeln anderer Mitgliedstaaten gebunden. Konkret heißt das, dass das Land, das den Führerschein ausgestellt hat, nicht verpflichtet ist, einen unionsweiten Fahrberechtigungsverlust anzuerkennen, wenn das Verkehrsdelikt im eigenen Rechtssystem nicht zu einem Fahrverbot führen würde.
Ab drei Monaten Führerscheinentzug europaweite Bestrafung
Greifen soll die neue Regelung bei Fahrten unter Alkohol- oder Drogeneinfluss, wenn Unfälle mit Toten oder Schwerverletzten verursacht wurden oder wenn deutlich zu schnell gefahren wurde, so die bisherigen Planungen. Wenn es „nur“ um Geschwindigkeitsüberschreitungen geht, sollen Schwellenwerte für die EU-weite Durchsetzung der Fahrverbote vorgegeben werden: In Ortschaften müsste mindestens 30 Kilometer pro Stunde zu schnell gefahren worden sein, außerhalb mindestens 50 Kilometer pro Stunde.
Das Land, das den Führerschein ausgestellt hat, soll den Planungen nach verpflichtet werden, ein Fahrverbot für ein in einem anderen Mitgliedstaat begangenes Verkehrsdelikt auszusprechen und auch die übrigen EU-Staaten zu informieren. Dieses natürlich im Einklang mit den nationalen Gesetzen. Die Voraussetzung für diese EU-weite Regel ist, dass der Führerschein dem Verkehrssünder für mindestens drei Monate entzogen wird.
Grüne und SPD wollten ein EU-weites Strafpunktesystem einführen
„Ich bin froh, dass der Rat nun endlich auch seine Position zu diesem für die Straßenverkehrssicherheit wichtigen Dossier festgelegt hat“, sagte der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber, wie das Fachblatt „Deutsche Verkehrszeitung (DVZ)“ zu dem erwarteten EU-Beschluss weiter berichtet. „Wer ein gravierendes Verkehrsdelikt begeht und seinen Führerschein verliert, darf nicht im Nachbarland weiterrasen.“
Auch wenn seit letzter Woche klar ist, dass für die Verkehrssünder Strafen ohne EU-Grenzen eingeführt werden sollen, müssen sie noch mit dem EU-Parlament ausgehandelt werden, bevor sie in Kraft treten können. Das Parlament will, so Ferber, in einigen Punkten weitergehen als der Ministerrat. So sollen die neuen Regeln auch auf Fahrverbote wegen Fahrens ohne Führerschein angewendet werden. Sozialdemokraten und Grüne strebten zudem ein europaweites Strafpunktesystem an. Solche Forderungen würden wegen rechtlicher Probleme das „Dossier faktisch auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben“.
Zudem wird zwischen EU-Parlament und Europarat die Absicht der EU-Staaten diskutiert, die Vorschriften in der neuen Führerscheinrichtlinie zu verankern, die sich derzeit ebenfalls in der Gesetzgebung befindet.
Neuer EU-Führerschein kommt
Mit der neuen 4. Führerscheinrichtlinie, über die im Februar 2024 das EU-Parlament abgestimmt hatte, soll auch der digitale Führerschein kommen: Dann soll bei einer Polizeikontrolle oder bei der Autovermietung die entsprechende App auf dem Smartphone ausreichen.
Der Scheckkartenführerschein soll dabei noch erhalten bleiben, falls der Bewerber den digitalen Führerschein nicht will. Oder nicht erwerben kann.
Neue Regeln für Führerscheine geplant
Bisher wird nur beim erstmaligen Erwerb einer Fahrerlaubnis der Führerschein „auf Probe“ erteilt. Das EU-Parlament hat nun eine EU-weite Probezeit von mindestens zwei Jahren beschlossen. Im Rahmen der EU-weiten Führerscheinreform sind auch Änderungen geplant, die sich auf Fahranfänger beziehen.
Eine Probezeit von mindestens zwei Jahren in allen Ländern der Union ist bereits beschlossene Sache. Während der Probezeit sollen europaweit strengere Vorschriften und Strafen gelten. Als Beispiele wurden Fahrten unter Alkohol- und Drogeneinfluss, Geschwindigkeitsüberschreitungen, die Benutzung von nicht zugelassenen Fahrzeugen benannt. Zudem soll das begleitete Fahren ab 17 Jahren europaweit für die Fahrerlaubnisklassen B, C und C1 eingeführt werden. In Deutschland ist dies bereits seit 2006 möglich. Führerscheine für Motorräder und Autos sollen mindestens 15 Jahre und für Lastkraftwagen und Busse fünf Jahre gültig sein.
Bei der Abstimmung über die einzelnen Positionen im Februar 2024 hatte das EU-Parlament obligatorische Gesundheitsuntersuchungen und kürzere Umtauschfristen für Senioren mehrheitlich abgelehnt. Eine Verkürzung der Gültigkeitsdauer des Führerscheins für ältere Menschen fand damit keine Mehrheit, da das Recht auf Freizügigkeit und Teilnahme am wirtschaftlichen und sozialen Leben gewährleistet sein muss.
Führerschein weg – wie geht es weiter? Wo bekommt man den neuen?
Wer seinen Führerschein verloren hat, muss „dem Willen der EU-Staaten zufolge seinen Lappen aber nicht in dem Land neu beantragen, in dem das Vergehen stattgefunden hat“, berichtet der „BR“. Das wäre nach Angaben des Verkehrsministeriums Sache des EU-Landes, das den Führerschein ausgestellt hat, beziehungsweise des Landes, in dem der Verkehrssünder wohnt. Zudem könne der EU-weite Führerscheinentzug in Deutschland angefochten werden, wenn Deutschland den entsprechenden Führerschein ausgestellt habe.
Wozu diese Führerschein-Novelle?
Noch 2019 blieben laut EU 40 Prozent der grenzüberschreitenden Delikte in der EU ungeahndet, weil Täter nicht ermittelt werden konnten oder Zahlungen nicht vollstreckt wurden. Verkehrssünder konnten sich oft entziehen, wenn sie im EU-Ausland Verkehrsdelikte begangen haben. Nun soll die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Behörden erleichtert und diese Verkehrssünder grenzüberschreitend gejagt werden. Unter anderem auch dadurch, dass Strafverfolgungsbehörden Zugang zu nationalen Führerscheinregistern bekommen sollen.
„Vision null Straßenverkehrstote“
Offizieller Grund für die Führerschein-Novelle der EU ist, die Straßen Europas sicherer zu machen und dass weniger Menschen bei Unfällen sterben sollen. Nach EU-Angaben kommen jedes Jahr mehr als 20.000 Menschen auf den Straßen in der Europäischen Union ums Leben. Diese Bilanz soll sich laut der „Vision null Straßenverkehrstote“ bis 2050 radikal ändern. Vorerst soll die Anzahl der Verkehrstoten bis 2030 halbiert werden.
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