Strafanzeige gegen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
Martin Sonneborn, EU-Parlamentarier, Satiriker und Gründer von „Die Partei“, versorgt die Öffentlichkeit immer wieder mit Einsichten aus dem Innenleben des Brüsseler Parlaments. Oft haben diese Sachverhalte so viel Klartext, dass sie fast den Eindruck erwecken, Satire zu sein.
Eine Rede Sonneborns Mitte 2022 vorm EU-Parlament, gerichtet an die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, klang dann so: “Als Sie Ihren Dienst hier antraten, dachte ich, Sie sind lediglich unfähig und ein bisschen kriminell, inzwischen weiß ich, dass Sie auch beeindruckend moralfrei sind. An den Außengrenzen sterben täglich Flüchtlinge, Frackinggas und Atomkraft sind auf einmal nachhaltig, und Sie löschen routiniert Ihre SMS zu den Milliardenzahlungen an Pfizer. Mir fällt zu Europa nichts mehr ein, außer: Wir sollten Europa nicht ‚den Leyen‘ überlassen.“
Belgischer Lobbyist geht gegen von der Leyen vor
Das Video ging viral – das war dann auch die einzige Auswirkung der Rede vorm Brüsseler Parlament. Jetzt legt Sonneborn nach, es scheint Bewegung ins Thema zu kommen: In seinem neuesten Tweet greift er unter dem Hashtag „SMSgate“ das Thema noch einmal auf und fasst das Neuste von „Pfizergate“ zusammen:
„Bei der belgischen Justiz ist eine Strafanzeige gegen Ursula von der Leyen eingegangen wegen ‚Amtsanmaßung und Titelmissbrauch‘, ‚Vernichtung öffentlicher Dokumente‘ und ‚illegaler Interessenvertretung und Korruption‘.
Ihr wird vorgeworfen, sich ‚ohne jegliches Mandat‘ an die Stelle der EU-Mitgliedstaaten – einschließlich der belgischen Regierung – gesetzt zu haben, indem sie ‚direkt und geheim‘, unter anderem per SMS, mit dem CEO von Pfizer, Albert Bourla, Verträge über den Kauf von Impfstoffen aushandelte. Kläger ist der 35-jährige Belgier Frédéric Baldan, ein bei den EU-Institutionen akkreditierter Lobbyist.
Der Fall war bereits Gegenstand von Verwaltungsbeschwerden gegen die Kommission beim Europäischen Ombudsmann (ins Rollen gebracht durch den deutschen Journalisten Alexander Fanta von Netzpolitik.org) und beim Gerichtshof der Europäischen Union (initiiert durch eine Klage der „New York Times“).
Trikolore der Korruption: Pfizergate, SMSgate, Deletegate
Das belgische Magazin „Le Vif“, das zu den führenden Nachrichtenmagazinen im französischsprachigen Teil Belgiens gilt, veröffentlicht weitere Details zur Anzeige.
Mit dieser neuen Anzeige ist es nicht mehr die Kommission als solche, die wegen mangelnder Transparenz im Fokus steht. Jetzt ist es das erste Mal deren Präsidentin von der Leyen, die für ihre Handlungen persönlich zur Verantwortung gezogen werden soll. Nach dem belgischen Strafgesetz sind die erhobenen Vorwürfe strafbar.
Zu den Vorwürfen „Amtsanmaßung und Titelmissbrauch“, „Vernichtung öffentlicher Dokumente“ und „illegale Interessenvertretung und Korruption“ und kommt das Löschen ihrer Textnachrichten mit Pfizer-CEO Albert Bourla. Dieser Fall ist als „Deletegate“ (von engl. to delete, löschen) bekannt geworden.
„Vonderleyengate“: Erstmals strafrechtliche Verfolgung
Der Kläger, Frédéric Baldan, ist auf die Handelsbeziehungen zwischen EU und China spezialisiert. Nach Washington, D.C. gilt Brüssel als einer der größten Lobby-Tummelplätze weltweit, mit circa 25.000 professionellen Lobbyisten auf 705 Abgeordnete.
In Begleitung seines Rechtsbeistands, der Pariser Rechtsanwältin Diane Protat, hat der 35-Jährige am 5. April beim erstinstanzlichen Gericht in Lüttich/Belgien Klage eingereicht. Er tritt dabei als Zivilkläger auf, wobei er seinen erlittenen „moralischen Schaden“ auf 50.000 Euro beziffert und zudem die Haltung vertritt, dass das Verhalten der Präsidentin Ursula von der Leyen vor allem „den öffentlichen Finanzen Belgiens“ und „dem öffentlichen Vertrauen“ geschadet habe.
Vertrauen der Bürger untergraben und Staatsfinanzen geschädigt
In gewisser Weise habe die Kommissionspräsidentin, indem sie ohne Mandat, allein und geheim anstelle der belgischen Regierung mit dem Pfizer-CEO Albert Bourla verhandelte, das Vertrauen der Bürger in die öffentliche Gewalt des belgischen Staates untergraben. In der Klageschrift wird das als „kollektiver Glaube an den Staat als institutionelle Macht zur Verwirklichung des Gemeinwohls“ definiert, zitiert „Le Vif“.
Zudem behauptet Beschwerdeführer Baldan, dass die belgischen Staatsfinanzen durch Ursula von der Leyens verhandelten Vertrag geschädigt worden seien.
„SMSGate“ betrifft den dritten Pharmavertrag, den größten, den die EU-Exekutive mit dem New Yorker Pharmariesen unterzeichnet hatte. Er umfasst 1,8 Milliarden Impfstoffdosen, während die ersten beiden Verträge mit Pfizer jeweils „nur“ 300 Millionen Dosen zum Inhalt hatten.
Im Juni 2022 forderten eine Koalition aus zehn osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten eine Neuverhandlung der mit den Herstellern geschlossenen Verträge, darunter auch mit Pfizer, da die gelieferten Impfstoffmengen den Bedarf der Vertragsländer übersteigen und die Vorräte die nationalen Finanzen der zehn Mitgliedsstaaten belasten würden.
Auch die anderen EU-Mitgliedstaaten haben massig Überschüsse an Corona-Vakzinen. In Belgien, wo jetzt Anzeige gegen die EU-Kommissionspräsidentin gestellt wurde, sind laut „Le Vif“ allein 62 Prozent der belgischen Impfstoffe „überzählig“.
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