Stichwahl-Bündnisse gegen Le Pen in 214 Wahlkreisen – Bardella: „RN bereit zur Regierungsbildung“

In Frankreich haben sich die Linke und das Macron-Lager in 214 Wahlkreisen auf taktische Rückzüge verständigt. Damit wollen sie eine Wahl der Kandidaten des rechten Rassemblement National (RN) verhindern. Inwieweit sich die Wähler an die Wahlempfehlungen halten, ist ungewiss.
Frankreich ringt um vor Wahl um Regierungsoptionen.
Marine Le Pen hat klargestellt, dass sie nicht Teil einer möglichen Regierung sein wird. Sie spekuliert auf den Einzug in den Élysée-Palast als Präsidentin.Foto: Louise Delmotte/AP/dpa
Von 3. Juli 2024

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Am Sonntag, 7.7., wird sich entscheiden, ob der rechtspopulistische Rassemblement National (RN) in der Lage sein wird, in Frankreich eine Regierung zu bilden. In 214 von 500 Wahlkreisen, in denen Stichwahlen stattfinden müssen, haben sich Linke und die Plattform von Präsident Emmanuel Macron auf taktische Absprachen verständigt. Der voraussichtlich aussichtslosere Kandidat zieht sich demnach zurück, um eine Mehrheit für den RN-Kandidaten unwahrscheinlicher zu machen.

Umfrageinstitute sehen RN in der Nähe einer möglichen Regierungsmehrheit

Nach dem ersten Wahlgang hatten der RN und mit ihm verbündete Kandidaten bei einer deutlich gestiegenen Wahlbeteiligung 33,15 Prozent der Stimmen erlangen können. Nach Prognosen des Meinungsforschungsinstituts Ipsos könnte deren Spitzenkandidat Jordan Bardella nach dem zweiten Wahlgang auf 230 bis 280 Sitze hoffen.

„France24“ zitiert Umfrageinstitute, die sogar 300 Sitze für denkbar halten, was für eine absolute Mehrheit in der 577 Sitze umfassenden Nationalversammlung bedeuten würde. Bardella selbst erklärte, 280 Sitze würden für ihn eine ausreichende Legitimation bedeuten, um das Projekt einer Regierungsbildung zu beanspruchen. Präsident Macron müsste ihn gegebenenfalls damit beauftragen und sich auf eine sogenannte Kohabitation einrichten [Anm. d. Red.: Kohabitation wird in der französischen Politik der Zustand bezeichnet, wenn der Präsident einer anderen politischen Partei angehört als die Mehrheit, die die Regierung stellt].

Marine Le Pen äußerte gegenüber den Medien, in einem solchen Fall würde sie auf Abgeordnete anderer Parteien zugehen:

„Wir werden sie fragen: ‚Seid ihr bereit, mit uns Teil einer neuen Mehrheit zu werden? Seid ihr zu einem Vertrauensvotum bereit? Seid ihr bereit, für den Haushalt zu stimmen?‘“

RN-Kandidatin wegen kompromittierender Fotos zurückgetreten

Der abgewählte Macron-Abgeordnete Christopher Weissberg nennt es demgegenüber eine „Selbstverständlichkeit“, dass Linke und Zentristen sich auf den Rückzug des weniger chancenreichen Kandidaten einigen.

Allerdings räumen Berater von Präsident Macron ein, dass sich die Chance auf eine absolute Mehrheit für RN-Kandidaten durch die Absprachen nur „rein rechnerisch“ verringere. Es sei völlig offen, inwieweit sich die Wähler nach solchen Empfehlungen richten:

„Am Ende entscheiden die Franzosen nach ihrem Gewissen und nicht nach Wahlempfehlungen.“

In einigen Fällen haben auch einige wenige RN-Kandidaten ihren Rückzug erklärt – vorrangig dort, wo sich die Partei verspricht, von Kandidaten, denen sie dadurch zum Sieg verhelfen, eine spätere politische Gegenleistung zu erhalten.

In Calvados hingegen hat die RN-Kandidatin Ludivine Daoudi ihre Kandidatur zurückgezogen, nachdem mehrere Jahre alte Fotos von ihr aufgetaucht waren. Diese zeigten sie mit einer Mütze der deutschen Luftwaffe aus dem Zweiten Weltkrieg, die auch ein Hakenkreuz aufwies. Daoudi gibt zu, damit „schlechten Geschmack“ bewiesen zu haben. In einem anderen Fall kam die Beteiligung einer Kandidatin an einer Geiselnahme in einem Ratsgebäude, in einem weiteren die Tatsache, dass ein Kandidat unter Betreuung stehe, zum Vorschein. Auch hier veranlasste der RN den eigenen Rückzug.

Mélenchon wehrt sich gegen Antisemitismus-Vorwürfe

Bauchschmerzen bereiten Absprachen mit dem Linksbündnis den Zentristen insbesondere dort, wo es um einen Verzicht zugunsten von Kandidaten der linkspopulistischen „La France Insoumise“ (LFI) geht. Deren Vorsitzendem Jean-Luc Mélenchon und mehreren Kandidaten werden antisemitische Einstellungen vorgeworfen. Aus den Reihen von Insoumise kamen auch nach dem Überfall der terroristischen Hamas am 7. Oktober „israelkritische“ Äußerungen, einige Exponenten zeigten kaum verhohlene Sympathie für die Terrororganisation.

Der kommunistische Senator Ian Brossat wies diese Vorwürfe auf „CNews“ kategorisch zurück und nahm Mélenchon und dessen Partei in Schutz:

„Drei meiner Urgroßeltern starben in Lagern, und beide Großeltern waren Holocaust-Überlebende. Sie können mir glauben, dass ich die Neue Volksfront keinen Augenblick lang unterstützen würde, hätte ich den leisesten Zweifel, was deren Haltung zum Antisemitismus anbelangt.“

Auch Mélenchon selbst betont, er habe weder mit Rassismus noch mit Antisemitismus etwas zu tun:

„Das Gerede von wegen La France Insoumise wäre antisemitisch, hat nur den Zweck, Leute zur Wahl des Rassemblement National zu ermuntern.“

Linke vereint sich hinter Antifa-Kandidaten von Insoumise in Avignon

Eine offizielle Empfehlung aus dem zentristischen Lager bleibt beispielsweise in Avignon aus, wo der LFI-Kandidat Raphael Arnault hinter einer RN-Kandidatin den zweiten Platz belegte. Der drittplatzierte unabhängige linke Kandidat Philippe Pascal hat sich am Ende jedoch zu einem Wahlaufruf bereit erklärt. Er war gegen Arnault angetreten, weil er diesen für zu extrem hielt, um gewählt zu werden.

Arnault ist einer der führenden Köpfe der linksextremen „Antifaschistischen Jungen Garde“. Er ist in der Vergangenheit durch Gewaltaufrufe aufgefallen und verfügt über eine sogenannte S-Akte beim Innenministerium. Eine solche wird dort für Personen geführt, die als Gefährder der nationalen Sicherheit gelten.

Der Kandidat und seine Parteikollegin Rima Hassan stehen zudem unter Druck, weil es derzeit eine polizeiliche Untersuchung gegen Mitglieder der „Antifaschistischen Jungen Garde“ gibt. Diese sollen am 27. Mai im Anschluss an eine Veranstaltung mit Hassan in einer U-Bahn-Station in Paris einen 15-Jährigen angegriffen, geschlagen und gezwungen haben, „Lang lebe Palästina“ zu rufen. Hassan war EU-Kandidatin von Insoumise. Am Rande der Veranstaltung war es zu Auseinandersetzungen zwischen Antifa-Anhängern und Mitgliedern der „Jüdischen Verteidigungsliga“ gekommen.

Rat der jüdischen Institutionen: „Weder RN noch Insoumise“

Unterdessen hat der Rat der jüdischen Institutionen in Frankreich mit Blick auf die Stichwahl die Empfehlung ausgegeben, weder dem RN noch Insoumise eine Stimme zu geben. Der Dachverband begründet diese Positionierung mit der Aussage:

„Angesichts der Gefahr einer absoluten Mehrheit für den RN, ist LFI kein Teil der Lösung, sondern des Problems selbst.“



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