Steinmeier-Besuch in Istanbul von Protesten überschattet – Lindner und ein Dönerkoch auch dabei

Bundespräsident Steinmeier ist zu einem dreitägigen Besuch in der Türkei eingetroffen. Zusammen mit Istanbuls Oberbürgermeister Imamoğlu würdigte er auf dem Bahnhof Sirkeci die Leistungen von vier Generationen türkischer Einwanderer in Deutschland. Störer skandierten anti-israelische Parolen.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier schneidet bei einem Empfang in der Sommerresidenz des deutschen Botschafters in Istanbul unter Anleitung des Berliner Gastronomen Arif Keles Dönerfleisch von einem Spieß. Keles wurde eingeladen, das deutsche Staatsoberhaupt auf seiner dreitägigen Reise in die Türkei zu begleiten.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier schneidet bei einem Empfang in der Sommerresidenz des deutschen Botschafters in Istanbul unter Anleitung des Berliner Gastronomen Arif Keles Dönerfleisch von einem Spieß. Keles wurde eingeladen, das deutsche Staatsoberhaupt auf seiner dreitägigen Reise in die Türkei zu begleiten.Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Von 22. April 2024

Am Montag, 22. April, ist Deutschlands Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Rahmen seiner dreitägigen Reise in die Türkei in Istanbul angekommen. Es handelt sich um die erste Reise in das Land, die er in seiner Funktion als Staatsoberhaupt unternimmt. Die Begrüßung am Istanbuler Flughafen übernahmen der Gouverneur von Istanbul, Davut Gül, sowie die Botschafter Jürgen Schulz und Ahmet Başar Şen.

Ein Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, der derzeit noch im Irak weilt, ist für Mittwoch geplant. Für Dienstag sind Veranstaltungen im Rahmen des Tages der nationalen Souveränität in der Türkei geplant, der dort gleichzeitig als Kindertag begangen wird. Mit Steinmeier als Vertreter der Bundesregierung ist Bundesfinanzminister Christian Lindner angereist. Er will mit türkischen Vertretern über Infrastruktur, Städtepartnerschaften und die Rolle der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in der Türkei sprechen.

Erste offizielle „Gastarbeiter“ starteten vom Bahnhof Sirkeci aus nach Deutschland

In Istanbul war der Bahnhof Sirkeci die erste Station für den Bundespräsidenten. Dort begrüßte ihn der Oberbürgermeister der Stadt, Ekrem Imamoğlu. Der Bahnhof hat für das bilaterale Verhältnis eine besondere Bedeutung, weil von dort aus vor 63 Jahren die ersten offiziellen „Gastarbeiter“ auf Grundlage des damaligen Anwerbeabkommens nach Deutschland aufgebrochen waren.

Das Abkommen sollte damals in Deutschland dem Arbeitskräfteengpass im Kontext des Wirtschaftswunders entgegenwirken. Gleichzeitig sollte die Aussicht auf ein Einkommen, das die Versorgung von Familien sicherstellen würde, die damals noch arme und politisch labile Türkei stabilisieren. Bereits zuvor hatten private „Übersetzungsbüros“ Arbeitsvermittlung für deutsche Unternehmen aus der Türkei übernommen. Die Abkommen sollten den Prozess kontrollierbar machen.

Steinmeier wollte die Gelegenheit nutzen, um den Beitrag von mittlerweile vier Generationen türkischer Einwanderer zum Wohlstand in Deutschland und zur deutschen Wirtschaftsgeschichte zu würdigen. Aus diesem Anlass hatte er eine mobile Zubereitungseinrichtung für Döner Kebab mitgebracht. Das anatolische Gericht, dessen Wurzeln ins frühe 19. Jahrhundert zurückreichen, hat seit den 1960er-Jahren auch in Deutschland einen kulinarischen Siegeszug gefeiert. Ein in der Delegation mitgereister Dönerkoch aus Berlin bereitete am Montag damit ein Abendessen zu.

Steinmeier: „Deutschland ist ein Land mit Migrationshintergrund“

Der Besuch Steinmeiers auf dem Bahnhof wurde überschattet durch die Proteste einer Gruppe von etwa 50 Personen. Diese hatten sich auf einem anderen Bahnsteig eingefunden, riefen aggressive antiisraelische Parolen und warfen Deutschland vor, einen angeblichen „Völkermord“ zu unterstützen.

Steinmeier und seine Gastgeber ließen sich davon jedoch nicht beeindrucken und fuhren in ihrem Programm fort. Der Präsident betonte in seiner Rede, dass Wanderungsbewegungen zwischen beiden Ländern in der jüngeren Geschichte in beide Richtungen verlaufen seien. Im 19. Jahrhundert hatten Handwerker aus einem von Armut und Arbeitslosigkeit geprägten Deutschland den Weg nach Anatolien gefunden.

Zudem seien in der Zeit des Nationalsozialismus zahlreiche Deutsche in die neutrale Türkei geflohen, die für viele Verfolgte ein Zufluchtsort gewesen sei. Deutsche hätten, so zitiert die „Mittelbayerische“ den Präsidenten, in den 1930er-Jahren am Entwurf und Bau der neuen Hauptstadt Ankara mitgewirkt. Heute lebten fast drei Millionen türkeistämmige Menschen in Deutschland, die das Land und seine Gesellschaft mitprägten und mitgestalteten:

„Sie haben unser Land mit aufgebaut, sie haben es stark gemacht und sie gehören ins Herz unserer Gesellschaft.“

Die Geschichten türkisch-deutscher Einwanderer seien Teil der deutschen Geschichte, sagte Steinmeier: „Sie sind nicht Menschen mit Migrationshintergrund – Deutschland ist ein Land mit Migrationshintergrund.“

Am Dienstag nach Gaziantep

Nach einer geschlossenen Sitzung mit Oberbürgermeister Imamoğlu im historischen Orient Express Restaurant stand ein Besuch des Eisenbahnmuseums auf dem Programm. Durch das Museum führte, wie „Hürriyet Daily News“ berichtet, der renommierte Historiker İlber Ortaylı.

Am zweiten Tag seines Besuchs wird Steinmeier in die südliche Provinz Gaziantep reisen. Dort besucht er ein provisorisches Wohnzentrum für Erdbebenüberlebende und eine Schule, deren Bau von der deutschen Regierung finanziert wurde. Der Präsident wird dort auch Feierlichkeiten zum Unabhängigkeits- und Kindertag beiwohnen.

In Ankara steht dann am Mittwoch ein Treffen mit Präsident Recep Tayyip Erdoğan auf dem Programm. Zudem spricht Steinmeier in der Universität Ankara mit Historikern und Politikern über die deutsche Migration in die junge Türkische Republik im Jahr 1923.

Zum Abschluss seiner Reise besucht der Präsident das Mausoleum Anitkabir zu Ehren des Gründers der Republik Türkei, Mustafa Kemal Atatürk. Vor der Rückkehr nach Deutschland wird es auch noch ein Gespräch mit dem Vorsitzenden der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP), Özgür Özel, geben.



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